BAG: Abmahnung wegen Weigerung, an einem Personalgespräch teilzunehmen
Bundesarbeitsgericht
Nach § 106 der Gewerbeordnung (GewO) kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit
der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen
nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder
Gesetz bereits festgelegt sind; außerdem können Weisungen zur Ordnung und dem
Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb erfolgen. Das Weisungsrecht beinhaltet dagegen
nicht die Befugnis, den Arbeitnehmer zur Teilnahme an einem Personalgespräch
zu verpflichten, in dem es ausschließlich um eine bereits abgelehnte Vertragsänderung
(hier: Absenkung der Arbeitsvergütung) gehen soll.
Im heute entschiedenen Fall strebte die Beklagte (eine Einrichtung der Altenpflege)
wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten eine Verminderung des 13. Gehalts ihrer Mitarbeiter
an. Zu diesem Zweck fand am 1. November 2006 ein Gespräch mit einer
Gruppe von Arbeitnehmerinnen statt, zu der auch die Klägerin (Altenpflegerin) gehörte.
Die Arbeitnehmerinnen waren mit der Vertragsänderung nicht einverstanden.
Daraufhin lud die Beklagte die Klägerin - ebenso wie andere Mitarbeiterinnen - zu
einem Einzelgespräch für den 13. November 2006. Ziel des Gesprächs war es
wiederum, die Klägerin zum Einverständnis mit der Verminderung des 13. Gehalts zu
bewegen. Die Klägerin erschien, wie erbeten, im Büro des Personalleiters, erklärte
jedoch, nur zu einem gemeinsamen Gespräch unter Einbeziehung der übrigen Mitarbeiterinnen
bereit zu sein. Ein solches gemeinsames Gespräch lehnte die Beklagte
ihrerseits ab und erteilte der Klägerin eine Abmahnung. Die Klägerin habe ihre
Arbeitsleistung (in Form eines Personalgesprächs) verweigert.
Die von der Klägerin erhobene Klage auf Herausnahme der Abmahnung aus der
Personalakte hatte - wie schon beim Landesarbeitsgericht - vor dem Zweiten Senat
des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Klägerin war zur Teilnahme an dem Personalgespräch
vom 13. November 2006 nicht verpflichtet. Die Weisung, an dem Gespräch
teilzunehmen, betraf keinen der von § 106 GewO abgedeckten Bereiche. Sie betraf
weder die Arbeitsleistung noch Ordnung oder Verhalten im Betrieb, sondern ausschließlich
eine von der Beklagten gewünschte Änderung des Arbeitsvertrags.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 3. Juni 2008 - 3 Sa
1041/07 -