BAG: Änderungskündigung zur Entgeltsenkung; Arbeitnehmerüberlassung
Bundesarbeitsgericht
Eine Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist nicht allein deshalb sozial gerechtfertigt,
weil eine neue gesetzliche Regelung die Möglichkeit vorsieht, durch Parteivereinbarung einen
geringeren (tariflichen) Lohn festzulegen, als er dem Arbeitnehmer bisher gesetzlich
oder vertraglich zustand. Nach § 9 Nr. 2 AÜG in der zur Zeit der Kündigung geltenden Fassung
sind Vereinbarungen unwirksam, die für den Leiharbeitnehmer ein geringeres Entgelt
vorsehen, als es vergleichbaren Arbeitnehmern des Entleihers gezahlt wird (equal-pay-
Gebot). Ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen. Im Geltungsbereich eines
solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung
der tariflichen Regelungen vereinbaren. Lehnt der betroffene Arbeitnehmer es ab,
im Gegensatz zu der bisherigen Vertragsgestaltung die Anwendung eines Tarifvertrages zu
vereinbaren, der eine geringere als die im Entleiherbetrieb maßgebliche Vergütung vorsieht,
so rechtfertigt dies allein noch nicht nach § 2, § 1 Abs. 2 KSchG eine Änderungskündigung.
Eine betriebsbedingte Änderungskündigung zur Entgeltsenkung, die nachhaltig in das arbeitsvertragliche
Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift, setzt ein dringendes
betriebliches Erfordernis voraus, das einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten
Bedingungen entgegensteht. Das bloße Bestreben des Arbeitgebers, der mit
anderen Arbeitnehmern entsprechende Vereinbarungen getroffen hat, zur Vereinheitlichung
der Arbeitsbedingungen im Betrieb reicht hierfür nicht aus.
Die Beklagte betreibt gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. Die Klägerin war bei ihr seit
dem 1. September 2002 befristet bis 31. August 2004 als Leiharbeitnehmerin beschäftigt. Sie
wurde als Dozentin bei der G-GmbH eingesetzt. Diese bezahlt die bei ihr tätigen Arbeitnehmer
nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag in der für die Evangelische Kirche im Rheinland
geltenden Fassung (BAT-KF). Mit der Klägerin war zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von
2.660,00 Euro vereinbart. Eine Vergütung nach dem BAT-KF hätte nach Berechnung der
Klägerin etwa 400,00 Euro höher gelegen. Durch Änderungskündigung vom 21. Januar 2004
bot die Beklagte der nicht tarifgebundenen Klägerin eine Änderung der Arbeitsbedingungen
an. Danach sollten in Zukunft die Tarifverträge des Interessenverbandes deutscher Zeitarbeitsunternehmen
anwendbar sein, was zu einer Verringerung der Vergütung der Klägerin
auf 2.297,39 Euro geführt hätte. Diesen Verlust gegenüber der vereinbarten Vergütung von
2.660,00 Euro wollte die Beklagte durch eine verrechenbare Besitzstandszulage ausgleichen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, das Änderungsangebot führe trotz der Besitzstandszulage
zu einer erheblichen Kürzung ihres gesetzlichen Entgeltanspruchs entsprechend dem BATKF.
Diese sei sozial nicht gerechtfertigt. Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe ein wirtschaftliches
Interesse, die Tarifverträge in alle Arbeitsverträge zu übernehmen und damit die
Arbeitsbedingungen im Betrieb einheitlich zu gestalten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb
erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht ist dem Landesarbeitsgericht in der Begründung gefolgt,
die Beklagte habe kein hinreichend dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der
Arbeitsbedingungen der Klägerin dargelegt.
BAG, Urteil vom 12. Januar 2006 - 2 AZR 126/05 -
Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 22. Februar 2005 - 8 Sa 1756/04 -