BAG: „Andere Abmachung“ nach § 4 Abs. 5 TVG

03.07.2009

Bundesarbeitsgericht

Schließen tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien während der Laufzeit eines Tarifvertrages

einen Änderungsvertrag, der mit sofortiger Wirkung untertarifliche Arbeitsbedingungen festlegt,

wird diese Vereinbarung durch die unmittelbar und zwingend wirkende Tarifnorm verdrängt,

§ 4 Abs. 1 und Abs. 3 TVG. Sie ist grundsätzlich auch nicht als andere Abmachung

iSv. § 4 Abs. 5 TVG für den Fall zu verstehen, dass die zwingende Wirkung des geltenden

Tarifvertrages später entfallen sollte (etwa wegen eines späteren Verbandsaustritts und

wiederum später nachfolgendem Ende des Tarifvertrages iSv. § 3 Abs. 3 TVG) und die

Nachwirkung eintritt. Bereits aus der Vereinbarung selbst ergibt sich, dass ihr Regelungswillen

auf die Beseitigung der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der tariflichen Normen

gerichtet ist.

Die beklagte Arbeitgeberin ist seit vielen Jahren Mitglied in einem Arbeitgeberverband des

Baugewerbes, seit dem 1. Januar 2006 als Mitglied ohne Tarifbindung (OT). Zu diesem Zeitpunkt

galt der am 29. Juli 2005 zwischen dem Verband und der IG BAU vereinbarte Lohntarifvertrag

(TV Lohn-West), der von der Gewerkschaft später zum 31. März 2007 gekündigt

wurde. Bereits am 12. Juli 2005 hatte die Beklagte nach vorheriger Information des Betriebsrates

über die wirtschaftlich angespannte Lage des Unternehmens mit vielen ihrer Arbeitnehmer

- darunter auch dem Kläger - Änderungsverträge vereinbart. Danach sollte ua. ab

dem 1. September 2005 nur noch der tarifliche Mindestlohn, nicht jedoch der Facharbeiterlohn

gezahlt werden sowie der Anspruch auf das 13. Monatseinkommen entfallen. Der

Kläger, Mitglied der IG BAU, hat auch für den Zeitraum ab dem 1. April 2007 den tariflichen

Facharbeiterlohn geltend gemacht. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei den

Vereinbarungen vom 12. Juli 2005 handele es sich jedenfalls für die Zeit nach dem Ende des

TV Lohn-West ab dem 1. April 2007 um eine dessen Nachwirkung beendende andere

Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 TVG.

Die Vorinstanzen haben der Klage statt gegeben. Die Revision der Beklagten blieb ebenso

wie in mehreren Parallelverfahren vor dem Vierten Senat ohne Erfolg. Der Kläger kann seinen

tariflichen Facharbeiterlohn weiter von der Arbeitgeberin verlangen. Der TV Lohn-West

wirkt für ihn nach.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Juli 2009 - 4 AZR 250/08 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 19. Februar 2008 - 2 Sa

421/07 -

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