BAG: Verschlechterung einer Tarifregelung über ordentliche Unkündbarkeit

06.02.2006

Bundesarbeitsgericht

Tarifvertragliche Regelungen tragen den immanenten Vorbehalt ihrer nachträglichen Änderung

durch Tarifvertrag in sich. Dies gilt auch für Regelungen über einen Sonderkündigungsschutz.

Ist bisher tarifvertraglich die ordentliche Kündigung nach entsprechender Beschäftigungszeit

und ab einem bestimmten Lebensalter nicht ausnahmslos ausgeschlossen, sondern

bleibt bei bestimmten Betriebsänderungen eine ordentliche Kündigung zulässig, so sind

die Tarifvertragsparteien grundsätzlich nicht gehindert, die Ausnahmevorschrift über die Zulässigkeit

betriebsbedingter Kündigungen an geänderte Verhältnisse anzupassen (im Fall:

Erstreckung auf alle notwendigen Betriebsänderungen). Auch das Vertrauen des Arbeitnehmers,

der die tariflichen Voraussetzungen für den Sonderkündigungsschutz (Betriebszugehörigkeit,

Lebensalter) bereits erreicht hat, in die Aufrechterhaltung seines Sonderkündigungsschutzes

im bisherigen Umfang steht einer solchen Modifizierung der tariflichen Regelung

nicht entgegen.

Der 1952 geborene Kläger war seit 1984 in dem Berufsfortbildungswerk der Beklagten als

Ausbilder für die holzgewerbliche Ausbildung tätig. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis kraft

Bezugnahme anwendbaren Manteltarifvertrag, abgeschlossen zwischen der Beklagten und

der zuständigen Gewerkschaft, war ursprünglich unter bestimmten Voraussetzungen (Beschäftigungszeit

15 Jahre oder 10 Jahre und Vollendung des 50. Lebensjahrs) die ordentliche

Kündigung bei Stilllegung des Betriebs oder eines wesentlichen Betriebsteils zulässig.

Eine Neufassung des Tarifvertrags im Jahr 2003 sah ua. vor, dass nunmehr eine ordentliche

Kündigung aus betrieblichen Gründen allgemein zulässig war, wenn sie durch notwendige

Betriebsänderungen bedingt war. Nach Inkrafttreten der tariflichen Neuregelung des Sonderkündigungsschutzes

kündigte die Beklagte dem Kläger, der nach Alter und Betriebszugehörigkeit

die Voraussetzungen des tariflichen Sonderkündigungsschutzes erfüllt, ordentlich zum

30. September 2004. Die Beklagte hat geltend gemacht, die Kündigung sei durch eine notwendige

Betriebsänderung bedingt gewesen. Sie habe sich entschlossen, die holzgewerbliche

Ausbildung nach einem Wegfall der Fördermittel einzustellen, die Bildungsstätte, in der

der Kläger tätig gewesen sei, zu schließen und weitere 45 ihrer 170 Arbeitsplätze abzubauen.

Die Kündigung sei sozial gerechtfertigt, da eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger

nicht mehr bestanden habe. Der Kläger hat sich demgegenüber vor allem darauf berufen,

die Neufassung der Tarifregelung über den Sonderkündigungsschutz sei wegen unzu

 

lässiger Rückwirkung insoweit unwirksam, als sie in seinen bisherigen Besitzstand eingreife.

Nach der deshalb anwendbaren ursprünglichen Fassung des Tarifvertrags sei eine ordentliche

Kündigung ausgeschlossen, da kein wesentlicher Betriebsteil stillgelegt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht

die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers blieb

erfolglos.

BAG, Urteil vom 2. Februar 2006 - 2 AZR 58/05 -

 

Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 12. November 2004 - 9 (3) Sa 888/04 -

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