BFH: Anwendung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes bei Schätzungen der Einnahmen

12.04.2024

Urteil vom 28.11.2023 – X R 3/22

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 28.11.2023 – X R 3/22 seine Rechtsprechung zur Anwendung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes bei Schätzungen fortgeführt.

Im zugrunde liegenden Fall verwendete ein Restaurantbetreiber, der einen großen Teil seiner Einnahmen in Form von Bargeld erzielte, in den Jahren 2011 bis 2014 eine elektronische Regis trierkasse sehr einfacher Bauart, die bereits in den 1980er Jahren entwickelt worden war. Das Finanzamt (FA) sah die Aufzeichnungen des Klägers nicht als ordnungsgemäß an und nahm eine Vollschätzung der Erlöse vor. Dies führte zu einer Vervierfachung der erklärten Umsätze. Das Finanzgericht (FG) beauftragte einen Sachverständigen mit der Begutachtung der Registrierkas se. Dieser kam zu dem Ergebnis, ein bestimmter interner Zähler der Kasse, der die Lückenlosig keit der Tagesausdrucke sicherstellen solle (Z1-Zähler), könne durch Eingabe entsprechender Codes verändert werden. Eine solche Änderung könne allerdings im Zuge von Reparaturen der Kasse erforderlich werden. Daraufhin sah das FG die Kasse als objektiv manipulierbar –und da mit ungeeignet für steuerliche Zwecke– an und bestätigte die Vollschätzung des FA im Wesentli chen. Eine tatsächliche Manipulation der Kasse hat das FG nicht feststellen können.

Diese Entscheidung hat der BFH aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung an das FG zu rückverwiesen. Zwar sei die vom Kläger verwendete Registrierkasse objektiv manipulierbar gewesen. Dies stelle grundsätzlich einen formellen Mangel von hohem Gewicht dar, der dem FA eine Schätzungsbefugnis gebe. Allerdings sei das Wissen um die Manipulierbarkeit derart alter Kassenmodelle erst im Laufe der Zeit gewachsen. Daher sei den Steuerpflichtigen in Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unter bestimmten –im Urteil näher ausgeführten Vo raussetzungen Vertrauensschutz zu gewähren. Das Gewicht des in der objektiven Manipulier barkeit liegenden Mangels sei dann nicht so hoch wie im Regelfall und könne bei Führung zu sätzlicher Nachweise sogar ganz entfallen.

Darüber hinaus befasst sich die Entscheidung mit zahlreichen weiteren Einzelfragen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit von Schätzungen in der Gastronomie. Aufgrund einer Gesetzesänderung ist der Einsatz älterer Kassenmodelle für steuerliche Zwecke seit dem Jahr 2020 nicht mehr zulässig.

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