BFH ruft BVerfG an: Beschränkung des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen ist verfassungswidrig - Familien werden benachteiligt
Bundesfinanzhof
Der X. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hält die betragsmäßige Beschränkung
des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen für
verfassungswidrig, weil die gesetzlichen Höchstbeträge es dem
Steuerpflichtigen nicht ermöglichen, in angemessenem Umfang
Krankenversicherungsschutz zu erlangen. Er hat daher mit Beschluss vom 14.
Dezember 2005 X R 20/04 das Revisionsverfahren ausgesetzt und diese Frage dem
Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
Kläger sind ein freiberuflich tätiger Rechtsanwalt und seine Ehefrau, die
Eltern von sechs Kindern sind. Sie machen geltend, dass sie für sich selbst
und für ihre Kinder Beiträge zu privaten Krankenversicherungen aus dem
versteuerten Einkommen zahlen müssten, da sie mit Prämien im betragsmäßigen
Umfang des Sonderausgaben-Höchstbetrags einen existenzsichernden
Versicherungsschutz nicht erlangen könnten.
Der BFH ist dem Vorbringen der Kläger weitgehend gefolgt. Nach seiner
Auffassung gebietet es das verfassungsrechtliche subjektive Nettoprinzip,
dass existenznotwendige Aufwendungen des Steuerpflichtigen steuerlich
verschont werden. Hierzu gehörten auch Beiträge zu Krankenversicherungen,
soweit sie dazu dienten, Versicherungsschutz in dem von den gesetzlichen
Krankenversicherungen gewährten Umfang zu erlangen. Diese Beiträge dienten
der eigenverantwortlichen Vorsorge gegen ein stets gegenwärtiges
Lebensrisiko; dieser Vorsorge könne sich - u.a. auch nach der Wertung des
Sozialversicherungs- und des Sozialhilferechts - der Steuerpflichtige nicht
entziehen. Zwar sei es steuersystematisch richtig, entsprechende Aufwendungen
nicht in den steuerlichen Grundfreibetrag - das sog. steuerfreie
Existenzminimum - einzubeziehen. Dem individuellen Vorsorgebedarf müsse der
Gesetzgeber aber jedenfalls durch eine realitätsgerechte Bemessung des
Sonderausgabenabzugs Rechnung tragen.
Soweit Eltern in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht für ihre Kinder Beiträge
zu Krankenversicherungen aufbringen müssten, sei der Gesetzgeber zur
Vermeidung einer verfassungswidrigen Benachteiligung der Familie gehalten,
diese Belastung angemessen steuerlich zu berücksichtigen. Das geltende
Steuerrecht sehe eine entsprechende Entlastung der Eltern weder im Rahmen des
Familienleistungsausgleichs noch beim Sonderausgabenabzug vor.