BGH: Ältere Spielfilmverwertungsverträge erfassen auch eine Vermarktung auf DVD

23.05.2005

Bundesgerichtshof

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß es sich bei der Vermarktung eines digital gespeicherten Films zum Abspielen auf einem eigenen Wiedergabegerät (DVD) nicht um eine gegenüber der Vermarktung herkömmlicher Videokassetten neue Nutzungsart i.S. des § 31 Abs. 4 UrhG handelt. Üblicherweise werden dem Filmhersteller von den Mitwirkenden um-fassende Nutzungsrechte eingeräumt, die auch die Videozweitauswertung umfas-sen. Nach dem deutschen Urheberrechtsrechtsgesetz können jedoch keine Nut-zungsrechte für noch nicht bekannte Nutzungsarten vergeben werden. Da die DVD in Deutschland erst seit den neunziger Jahren bekannt ist, hätte die Einordnung der DVD als neue Nutzungsart bedeutet, daß die Filmhersteller für eine Vielzahl von Filmen nicht im Besitz der Rechte für die von ihnen heute wahrgenommene DVD-Zweitauswertung wären.

Der Kläger wirkte als Filmarchitekt an dem 1980/81 produzierten Spielfilm „Der Zauberberg“ nach dem Roman von Thomas Mann mit. Für die von ihm geschaffene Ausstattung des Films (u.a. die der literarischen Vorlage möglichst weitgehend ent-sprechende Darstellung des Sanatoriums „Berghof“ einschließlich der Innenräume) ist der Kläger mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet worden; vor dem BGH war nicht mehr im Streit, daß diese Leistung urheberrechtlich geschützt ist.

Die Beklagte ist eine Filmverwertungsgesellschaft, die über die Rechte an dem Film „Der Zauberberg“ verfügt, die die Mitwirkenden ursprünglich dem Produzenten einge-räumt haben. Sie vermarktet den Film inzwischen nicht nur auf Videokassette, son-dern auch auf DVD. Der Kläger hatte 1980 mit dem Filmproduzenten einen Anstel-lungsvertrag geschlossen, durch den der Gesellschaft über die Verweisung auf den Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende eine umfassende Nutzung und Verwer-tung des Films eingeräumt worden war. Während 1980 die Videozweitauswertung von Spielfilmen bereits bekannt war, wurde das digitale Speichermedium DVD erst in den Neunzigerjahren bekannt und spätestens 1998 in Deutschland eingeführt. Der Kläger hat im Rechtsstreit die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zur Vermarktung des Films „Der Zauberberg“ auf DVD schon deswegen nicht berechtigt, weil es sich bei der DVD um eine zum Zeitpunkt der

 

Rechtseinräumung durch den Kläger unbe-kannte Nutzungsart handele, für die der Kläger im Jahr 1980 Nutzungsrechte noch nicht habe wirksam einräumen können. Außerdem hat er sich darauf gestützt, daß seine Rechte auch durch eine ursprünglich für das ZDF produzierte, ebenfalls auf der DVD enthaltene Dokumentation „100 Tage auf dem Zauberberg“ verletzt würden, in der die von ihm geschaffene Filmausstattung zu sehen war.

Das Landgericht München I hat der auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz gerichteten Klage stattgegeben (MMR 2001, 828), während das Oberlandesgericht München die Klage abgewiesen hat (NJW 2003, 675). Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das

 

Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Dabei ist der BGH dem Oberlandesgericht in der im Mittelpunkt stehenden Frage gefolgt und hat ebenfalls die DVD-Vermarktung nicht als neue Nutzungsart angese-hen. Bloße technische Neuerungen, die eine neue Verwendungsform kennzeichnen, reichen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für sich ge-nommen nicht aus, um eine neue Nutzungsart anzunehmen. Erforderlich ist vielmehr daneben eine wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform. Daran fehlt es hier. Die DVD-Zweitauswertung von Spielfilmen stellt im Verhältnis zur herkömmlichen Vermarktung auf Videokassetten keine wirtschaftlich eigenständige Verwendungs-form dar. Durch die DVD werden trotz des gesteigerten Absatzes letztlich keine neuen Absatzmärkte erschlossen; auch werden dem Urheber durch die Einbeziehung dieser Nutzungsart keine Erträgnisse vorenthalten. Es ist abzusehen, daß die DVD auf längere Sicht die herkömmliche Videokassette ersetzen wird. Durch die DVD wird daher kein neuer Markt erschlossen; vielmehr tritt sie an die Stelle einer her-kömmlichen Verwendungsform.

Dennoch hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben, weil das Oberlandesgericht es versäumt hat, sich auch mit dem weiteren Vortrag des Klägers auseinanderzuset-zen, wonach sein Urheberrecht auch durch die auf der DVD wiedergegebene Doku-mentation „100 Tage auf dem Zauberberg“ verletzt werde. Um diese Prüfung nach-zuholen, ist die Sache an das OLG München zurückverwiesen worden.

Urteil vom 19. Mai 2005 – I ZR 285/02

 

LG München I – 7 O 5487/01 ./. OLG München – 6 U 5487/01 Karlsruhe, den 20. Mai 2005

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