BGH: Berücksichtigung des Wegfalls des Eigenbedarfsgrundes nach einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses

10.11.2005

Bundesgerichtshof

Der u. a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des

Bundesge-richtshofes hatte die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen

Voraussetzungen ein Vermieter, der ein Wohnraummietverhältnis wegen

Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gekündigt hat, verpflichtet ist, einen

nachträglichen Wegfall des Eigenbe-darfsgrundes zu berücksichtigen und den

Mieter hierüber zu unterrichten. Diese Fra-ge war bisher in Rechtsprechung

und Schrifttum umstritten.

Gegenstand des Rechtsstreits war die Schadensersatzklage einer Mieterin, die

von dem Beklagten eine Wohnung gemietet hatte. Im November 1999 kündigte der

Be-klagte das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Zur Begründung gab er an,

er benöti-ge die Wohnung für seine Schwiegermutter. Die Klägerin widersprach

der Kündi-gung. Im anschließenden Räumungsprozess wurde sie in zwei

Instanzen zur Räu-mung der Wohnung verurteilt. In seinem Urteil vom 5. April

2001 gewährte das Landgericht der Klägerin (damalige Beklagte) eine

Räumungsfrist bis zum 31. Juli 2001.

Am 25. Juni 2001 starb die Schwiegermutter des Beklagten. Ende September

2001 räumte die Klägerin die Wohnung. Nachdem sie einige Zeit später vom Tod

der Schwiegermutter des Beklagten Kenntnis erlangt hatte, verlangte sie von

ihm Ersatz ihrer Kosten für den Umzug und für die Anmietung von

Lagerflächen. Ihre Forderung begründete sie damit, der Beklagte sei

verpflichtet gewesen, sie über den Tod seiner Schwiegermutter und den

dadurch bedingten Wegfall des Eigenbedarfs vor ihrem Auszug zu informieren;

da er diese Pflicht verletzt habe, sei er ihr zum Schadenser-satz

verpflichtet.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat

das Landgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Klageanspruch

dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt; zugleich hat es wegen der

grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zugelassen. Das Landgericht

hat seine Entschei-dung vor allem darauf gestützt, in Fällen der

vorliegenden Art sei der Vermieter auf Grund einer nachvertraglichen

Treuepflicht gehalten, den Mieter auf den nachträgli-chen Wegfall des

Eigenbedarfsgrundes hinzuweisen, um ihm einen Wohnungs-wechsel zu ersparen.

Diese Verpflichtung ende bei Gewährung einer gerichtlichen Räumungsfrist

erst mit dem Auszug des Mieters.

Auf die Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil

auf-gehoben und das klageabweisende erstinstanzliche Urteil

wiederhergestellt. In An-knüpfung an sein Urteil vom 9. Juli 2003 (VIII ZR

311/02, NJW 2003, 2604) hat der VIII. Zivilsenat ausgesprochen, dass eine

zunächst wegen Eigenbedarfs wirksam erklärte Kündigung des Vermieters

infolge Rechtsmissbrauchs unwirksam wird, wenn der Eigenbedarf des

Vermieters vor Ablauf der Kündigungsfrist entfällt. Dabei hat der Senat

darauf abgestellt, dass eine wirksame Kündigung das Mietverhältnis zu diesem

Zeitpunkt beendet. Von da an erlangt die Verfügungsbefugnis des Ver-mieters,

in aller Regel des Eigentümers der Wohnung, wieder ihren vollen, von der

Verfassung in Art. 14 GG garantierten Umfang; der Mieter kann sich nach der

Been-digung des Mietverhältnisses nicht mehr auf den eigentumsgleichen Rang

seines auf dem Mietvertrag beruhenden Rechtes zum Besitz der Wohnung (vgl.

BVerfGE 89, 1) berufen. Eine nachvertragliche Treuepflicht als Grundlage für

eine Verpflichtung des Vermieters, den Mieter von dem Wegfall des

Eigenbedarfs zu unterrichten, um ihm einen Verbleib in der Wohnung zu

ermöglichen, besteht daher nicht. Dies ist auch von Verfassungs wegen nicht

geboten (vgl. BVerfG, NJW-RR 2003, 1164).

Schließlich hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass die

Berücksichti-gung eines erst nach dem Ende des Mietverhältnisses

eingetretenen Wegfalls des Eigenbedarfs zu einer ungerechtfertigten

Besserstellung des vertragsuntreuen ge-genüber dem vertragstreuen Mieter

führen würde. Der Mieter, der trotz wirksamer Kündigung die Wohnung

pflichtwidrig nicht zum Ablauf der Kündigungsfrist an den Vermieter

zurückgibt, würde nämlich aus einem Wegfall des Eigenbedarfs nach

Be-endigung des Mietverhältnisses ein Recht zur Fortsetzung des

Mietverhältnisses her-leiten können, was dem vertragstreuen Mieter, der die

Wohnung rechtzeitig geräumt hat, nicht möglich wäre.

Urteil vom 9. November 2005 VIII ZR 339/04

 

Amtsgericht Hamburg - Entscheidung vom 15. Juli 2004 - 40a C 610/03 -

 

Landgericht Hamburg - Entscheidung vom 2. Dezember 2004 - 334 S 50/04

 

Karlsruhe, den 9. November 2005

 

 

Bundesgerichtshof

 

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