BGH: Bundesgerichtshof entscheidet über die Schadensersatz- feststellungsklage von Dr. Kirch gegen die Deutsche Bank AG und Dr. Breuer
Bundesgerichtshof
Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hatte über eine Schadensersatzfeststellungsklage von Dr.
Leo Kirch, Gründer des seinerzeit im Mediengeschäft tätigen Kirch-Konzerns,
aus eigenem und aus abgetre-tenem Recht der Konzernholding, der
TaurusHolding GmbH & Co. KG, sowie deren Enkelgesellschaft, der
PrintBeteiligungs GmbH, gegen die Deutsche Bank AG und ihren ehemaligen
Vorstandssprecher Dr. Rolf E. Breuer zu entscheiden.
I. Die Deutsche Bank AG hatte der PrintBeteiligungs GmbH ein Darlehen über
1,4 Milliarden DM gewährt, das durch ein Aktienpaket der Kreditnehmerin
abgesichert war. Im Zusammenhang damit und mit der in den Medien erörterten
Finanzkrise des Kirch-Konzerns antwortete Dr. Breuer im Februar 2002 in
einem vom Fernsehsender Bloomberg TV ausgestrahlten Interview auf die
Frage:
Kirch hat sehr, sehr viele Schulden, sehr hohe Schulden. Wie expo-niert ist
die Deutsche Bank ?
(Dr. Breuer:)
Relativ komfortabel, würde ich mal sagen, denn das ist bekannt und da
begehe ich keine Indiskredition, wenn ich das erzähle der Kredit, den wir
haben, ist
1. zahlenmäßig nicht einer der größten, sondern relativ im mittle-
ren Bereich und
2. voll gesichert durch ein Pfandrecht auf Kirchs Aktien am
Springer-Verlag.
Uns kann also eigentlich nichts passieren, wir fühlen und gut abgesi-chert.
Es ist nie schön, wenn ein Schuldner in Schwierigkeiten kommt, und ich
hoffe, das ist nicht der Fall. Aber wenn das so käme, wir bräuchten keine
Sorgen zu haben.
Frage: Die Frage ist ja, ob man mehr ihm hilft, weiter zu machen.
Dr. Breuer: Das halte ich für relativ fraglich. Was alles man darüber
le-sen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf
unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Ver-fügung
zu stellen. Es können also nur Dritte sein, die sich gegebenen-falls für
eine wie Sie gesagt haben Stützung interessieren."
Im Juni 2002 wurde über das Vermögen mehrerer zum Kirch-Konzern gehörender
Gesellschaften, darunter der PrintBeteiligungs GmbH, das Insolvenzverfahren
eröff-net. Die Deutsche Bank kündigte den gewährten Kredit, verwertete das
ihr verpfän-dete Aktienpaket und verzichtete auf den verbleibenden
Darlehensrestbetrag von rd. 50 Millionen . Dr. Kirch hat mit seiner Klage
geltend gemacht, die Interviewäuße-rungen von Dr. Breuer hätten den
Zusammenbruch des Kirch-Konzerns und bei der PrintBeteiligungs GmbH, bei der
TaurusHolding GmbH & Co. KG sowie bei ihm selbst noch nicht abschließend
bezifferbare Vermögensschäden verursacht.
II. Der Bundesgerichtshof hat der Schadensersatzfeststellungsklage, die
nicht den Nachweis eines durch die Interviewäußerung verursachten
Vermögensschadens, sondern lediglich die Wahrscheinlichkeit eines solchen
voraussetzt, nur aus abgetre-tenem Recht der PrintBeteiligungs GmbH
stattgegeben. Er hat in den Interviewäuße-rungen von Dr. Breuer eine
Verletzung der aus dem Darlehensvertrag der Deutschen Bank AG mit der
PrintBeteiligungs GmbH folgenden Pflicht, die Kreditwürdigkeit der
Darlehensnehmerin nicht zu gefährden, gesehen. Die Interviewäußerungen waren
unter Berücksichtigung des Ansehens der Deutschen Bank AG und von Dr. Breuer
in der Kreditwirtschaft geeignet, die Aufnahme dringend benötigter neuer
Kredite durch Dr. Kirch und die Gesellschaften seines Konzerns erheblich zu
erschweren. Auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung kann sich die Deutsche
Bank AG nicht mit Er-folg berufen, da dieses die Verletzung vertraglicher
Pflichten nicht erlaubt. Insoweit liegt auch ein Eingriff in das Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebe-trieb der Printbeteiligungs GmbH
durch die Deutsche Bank AG vor.
Im Ergebnis Entsprechendes gilt auch für Dr. Breuer. Zwar haftet er nicht
aus Ver-trag, weil zwischen ihm selbst und der Printbeteiligungs GmbH keine
vertraglichen Beziehungen bestanden. Seine Interviewäußerung stellt aber
unter dem Gesichts-punkt eines Eingriffs in das Recht am eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebe-trieb der PrintBeteiligungs GmbH eine unerlaubte
Handlung dar. Als Vorstandsspre-cher der Deutschen Bank AG, die zur
PrintBeteiligungs GmbH darlehensvertragliche Beziehungen unterhielt, traf
ihn die organschaftliche Pflicht, alles zu unterlassen, was die Deutsche
Bank einem Schadensersatzanspruch der PrintBeteiligungs GmbH aussetzen
konnte. Was der Deutschen Bank AG als Vertragspartnerin der
PrintBe-teiligungs GmbH wegen der bestehenden Loyalitätspflicht untersagt
war, war auch ihren Organen verboten. Das Recht zur freien Meinungsäußerung
schützt Dr. Breuer nicht, da es kein vertragwidriges Verhalten erlaubt.
Die gegen die Deutsche Bank AG und gegen Dr. Breuer gerichtete
Schadensersatz-feststellungsklage aus eigenem Recht von Dr. Kirch und aus
abgetretenem Recht der TaurusHolding GmbH & Co. KG hat der Bundesgerichtshof
abgewiesen. Scha-densersatzansprüche auf vertraglicher Basis scheiden
insoweit mangels bestehen-der vertraglicher Beziehungen aus. Die enge
Einbindung der PrintBeteiligungs GmbH als Darlehensnehmerin der Deutschen
Bank AG in den Kirch-Konzern reicht für einen Vertrag mit Schutzwirkung zu
Gunsten Dritter nicht aus. Das konzernrecht-liche Trennungsprinzip, das zu
einer Beschränkung der Haftung für ein Darlehen auf die vertragsschließende
Konzerngesellschaft führt, muss konsequenterweise auch beachtet werden, wenn
es um Rechte aus dem Darlehensvertrag geht.
Schadensersatzansprüche von Dr. Kirch und der TaurusHolding GmbH & Co. KG
aus unerlaubter Handlung sind nicht gegeben, weil die in dem Interview von
Dr. Breuer geäußerten Tatsachen wahr und die darin enthaltenen Werturteile
durch das Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckt sind. Das Recht der
Beklagten, sich zu der in den Medien behandelten Finanzkrise des
Kirch-Konzern frei zu äußern, ist gegenüber Dr. Kirch und gegenüber der
TaurusHolding GmbH & Co. KG nicht durch vertragliche Pflichten
eingeschränkt, da mit ihnen vertragliche Beziehungen nicht bestanden.
Urteil vom 24. Januar 2006 XI ZR 384/03
LG München I - Urteil vom 18. Februar 2003 33 O 8439/02
OLG München - Urteil vom 10. Dezember 2003 21 U 2392/03
Karlsruhe, den 24. Januar 2006
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