BGH: Grundsatzentscheidung des II. Zivilsenats zur Frage der Wirksamkeit der Kapitalaufbringung bei der GmbH im Rahmen eines sog. Cash-Pool-Systems
Bundesgerichtshof
Der II. Zivilsenat hatte heute in zwei Parallelverfahren (II ZR 75/04 und II
ZR 76/04) erstmals durch Urteil über die Problematik der Kapitalaufbringung
bei der GmbH im Rahmen eines sog. Cash-Pool-Systems zu entscheiden.
I. Der Kläger nahm als Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der
Schuldnerin, einer GmbH, deren Mehrheitsgesellschafter (Vater und Sohn)
jeweils getrennt in einem der beiden Parallelverfahren auf Leistung
übernommener, angeb-lich rückständiger Einlagen aus einer Kapitalerhöhung
bei der Schuldnerin in An-spruch.
Vater und Sohn beherrschten neben der Schuldnerin aufgrund maßgeblicher
Beteili-gung gemeinsam auch die D-GmbH. Diese betrieb seit längerem zusammen
mit der Schuldnerin und anderen Unternehmen eines Konzernverbundes bei einer
Groß-bank ein automatisches Cash-Management-System. In dessen Rahmen wurden
- wie beim sog. Cash-Pool üblich - zum Zwecke des besseren
Liquiditätsmanage-ments buchungstäglich zu Gunsten oder zu Lasten des sog.
Zentralkontos der D-GmbH, über das diese allein verfügungsberechtigt war,
sämtliche Quell- oder Ne-benkonten der anderen teilnehmenden
Konzerngesellschaften auf Null gestellt; dabei erfolgte die Übertragung
der Guthaben und Debetsalden jeweils mit endgülti-ger Wirkung.
Einen Tag nach der am 16.12.1997 für die Schuldnerin beschlossenen
Kapitalerhö-hung überwies die D-GmbH für die beiden Beklagten die von ihnen
zu leistenden Einlagen von je 750.000 DM auf ein - auf Anraten der D-GmbH
eigens bei einer anderen Bank auf kurze Frist eingerichtetes separates
Termingeldkonto der Schuld-nerin. Unmittelbar nach der Eintragung der
Kapitalerhöhung im Handelsregister am 12.01.1998 wurden die Einlagen, wie
von vornherein beabsichtigt, von dem Sonder-konto der Schuldnerin auf ihr
einziges Geschäftskonto, das in den Cash-Pool einbe-zogene Nebenkonto,
transferiert. Von dort wurde der Gesamtbetrag gemäß der dem Cash-Pool
zugrunde liegenden Verrechnungsabrede mit Ablauf desselben Ta-ges durch
Stellung dieses Kontos "auf Null" wieder abgebucht und dem Zentral-konto
der D-GmbH gutgeschrieben; in diesem Umfang verringerten sich die bis dahin
im Rahmen des Cash-Pool-Verfahrens auf über 4 Mio. DM angewachsenen
Verbind-lichkeiten der Schuldnerin gegenüber der D-GmbH. Bis zur Beendigung
ihrer Teilnahme am Cash-Pool und der anschließenden Eröffnung des
Gesamtvollstreckungsverfahrens erhöhte sich der interne Sollsaldo der
Schuldnerin bei der D-GmbH wieder um 1,65 Mio. DM.
Das Landgericht hat in beiden Prozessen die Klagen abgewiesen. Das
Berufungsgericht hat ihnen im Wesentlichen stattgegeben und die Revision
zugelassen.
II. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revisionen der
Beklagten zurückgewiesen.
Beide Inferenten haben mit der Einzahlung der Einlagebeträge durch die von
ihnen gemeinsam beherrschte D-GmbH auf das zuvor nur für kurze Zeit
errichtete Fest-geld-Sonderkonto der Schuldnerin nicht wie für eine
ordnungsgemäße Kapitalauf-bringung erforderlich zur freien Verfügung des
Geschäftsführers der Schuldnerin geleistet und damit ihre Einlageschuld (§
19 Abs. 1 GmbHG) nicht wirksam getilgt. Denn dieser Zahlungsvorgang war -
wie das Berufungsgericht zutreffend angenom-men hat - lediglich Teil eines
gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften des GmbHG verstoßenden und damit
unwirksamen Umgehungsgeschäftes in Form einer ver-deckten Sacheinlage.
Als verdeckte Sacheinlage wird es angesehen, wenn die gesetzlichen Regeln
für Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage
vereinbart wird, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von
dem Einleger auf-grund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Einlage
getroffenen Abspra-che einen Sachwert erhalten soll. Eine solche verdeckte
Sacheinlage lag hier vor, weil - nach den vom Berufungsgericht
revisionsrechtlich einwandfrei getroffenen Feststellungen - die gesamte
Einlage, wie von vornherein beabsichtigt, alsbald nach der nur knapp einen
Monat später erfolgten Eintragung der Kapitalerhöhung unter Auflösung des
Sonderkontos auf das einzige Geschäftskonto der Schuldnerin wei-tergeleitet
und von dort im Rahmen des bestehenden Cash-Pool noch am Abend desselben
Tagen kraft der Poolvereinbarung automatisch dem Zentralkonto der von den
Inferenten beherrschten D-GmbH gutgeschrieben worden ist mit der Folge einer
entsprechenden anteiligen Tilgung der die Einlage seinerzeit erheblich
über-steigenden Darlehensverbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber der
D-GmbH. Aufgrund dieses verrechnungsähnlichen Hin- und Herzahlens ist der
Schuldnerin im wirtschaftlichen Ergebnis objektiv nicht der im
Kapitalerhöhungsbeschluss verlaut-barte Barbetrag, sondern - die Wirksamkeit
des Vorgangs unterstellt - die anteilige Befreiung von den gegenüber der
D-GmbH bereits seit längerem bestehenden Dar-lehensverbindlichkeiten aus der
Cash-Pool-Verbindung zugeflossen.
Die Anwendung der Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage hat nach der
neue-ren Rechtsprechung des II. Zivilsenats entsprechend § 27 Abs. 3 Satz 1
AktG auch im GmbH-Recht die Nichtigkeit sowohl des schuldrechtlichen als
auch des dinglichen Rechtsgeschäfts hinsichtlich der Einlage zur Folge (BGHZ
155, 329). Sie ist wie der Senat hervorgehoben hat - nicht etwa deshalb
suspendiert, weil der Kapitalauf-bringungsvorgang bei der Kapitalerhöhung im
Rahmen eines Cash-Pool-Systems stattgefunden hat. Auch die in ein
Cash-Pool-System einbezogenen Gesellschaften mit beschränkter Haftung
unterliegen - ohne dass ein Sonderrecht für diese Art der Finanzierung
anerkannt werden könnte - bei der Gründung und der Kapitalerhöhung den
Kapitalaufbringungsvorschriften des GmbHG und den dazu entwickelten
höchst-richterlichen Rechtsprechungsgrundsätzen. Das ist im Übrigen auch den
an der Ka-pitalerhöhung im vorliegenden Fall Beteiligten bewusst gewesen.
Nur deswegen ha-ben sie es - im Ansatz zutreffend - für erforderlich
gehalten, die Einlagen nicht sogleich auf das einzige vorhandene, aber in
den Cash-Pool einbezogene Gesell-schaftskonto der Schuldnerin einzuzahlen,
sondern stattdessen den - hier indessen verfehlten - Umweg über ein für
wenige Tage neu eingerichtetes Termingeldkonto zu wählen.
Urteile vom 16. Januar 2006 II ZR 75/04 sowie II ZR 76/04
LG Zwickau Entscheidung vom 24.6.2003 5 O 207/02 ./.
OLG Dresden Entscheidung vom 10.3.2004 18 U 1314/03 und
LG Zwickau Entscheidung vom 24.6.2003 4 O 220/02 ./.
OLG Dresden Entscheidung vom 10.3.2004 18 U 1227/03
Karlsruhe, den 16. Januar 2006
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