BGH: Grundsatzentscheidung des II. Zivilsenats zur Frage der Wirksamkeit der Kapitalaufbringung bei der GmbH im Rahmen eines sog. Cash-Pool-Systems

18.01.2006

Bundesgerichtshof

Der II. Zivilsenat hatte heute in zwei Parallelverfahren (II ZR 75/04 und II

ZR 76/04) erstmals durch Urteil über die Problematik der Kapitalaufbringung

bei der GmbH im Rahmen eines sog. Cash-Pool-Systems zu entscheiden.

I. Der Kläger nahm als Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der

Schuldnerin, einer GmbH, deren Mehrheitsgesellschafter (Vater und Sohn)

jeweils getrennt in einem der beiden Parallelverfahren auf Leistung

übernommener, angeb-lich rückständiger Einlagen aus einer Kapitalerhöhung

bei der Schuldnerin in An-spruch.

Vater und Sohn beherrschten neben der Schuldnerin aufgrund maßgeblicher

Beteili-gung gemeinsam auch die D-GmbH. Diese betrieb seit längerem zusammen

mit der Schuldnerin und anderen Unternehmen eines Konzernverbundes bei einer

Groß-bank ein automatisches Cash-Management-System. In dessen Rahmen wurden

- wie beim sog. Cash-Pool üblich - zum Zwecke des besseren

Liquiditätsmanage-ments buchungstäglich zu Gunsten oder zu Lasten des sog.

Zentralkontos der D-GmbH, über das diese allein verfügungsberechtigt war,

sämtliche „Quell- oder Ne-benkonten“ der anderen teilnehmenden

Konzerngesellschaften „auf Null gestellt“; dabei erfolgte die Übertragung

der Guthaben und Debetsalden jeweils mit endgülti-ger Wirkung.

Einen Tag nach der am 16.12.1997 für die Schuldnerin beschlossenen

Kapitalerhö-hung überwies die D-GmbH für die beiden Beklagten die von ihnen

zu leistenden Einlagen von je 750.000 DM auf ein - auf Anraten der D-GmbH –

eigens bei einer anderen Bank auf kurze Frist eingerichtetes separates

Termingeldkonto der Schuld-nerin. Unmittelbar nach der Eintragung der

Kapitalerhöhung im Handelsregister am 12.01.1998 wurden die Einlagen, wie

von vornherein beabsichtigt, von dem Sonder-konto der Schuldnerin auf ihr

einziges Geschäftskonto, das in den Cash-Pool einbe-zogene „Nebenkonto“,

transferiert. Von dort wurde der Gesamtbetrag gemäß der dem Cash-Pool

zugrunde liegenden Verrechnungsabrede mit Ablauf desselben Ta-ges durch

Stellung dieses Kontos "auf Null" wieder abgebucht und dem Zentral-konto

der D-GmbH gutgeschrieben; in diesem Umfang verringerten sich die bis dahin

im Rahmen des Cash-Pool-Verfahrens auf über 4 Mio. DM angewachsenen

Verbind-lichkeiten der Schuldnerin gegenüber der D-GmbH. Bis zur Beendigung

ihrer Teilnahme am Cash-Pool und der anschließenden Eröffnung des

Gesamtvollstreckungsverfahrens erhöhte sich der interne Sollsaldo der

Schuldnerin bei der D-GmbH wieder um 1,65 Mio. DM.

Das Landgericht hat in beiden Prozessen die Klagen abgewiesen. Das

Berufungsgericht hat ihnen im Wesentlichen stattgegeben und die Revision

zugelassen.

II. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revisionen der

Beklagten zurückgewiesen.

Beide Inferenten haben mit der Einzahlung der Einlagebeträge durch die von

ihnen gemeinsam beherrschte D-GmbH auf das zuvor nur für kurze Zeit

errichtete Fest-geld-Sonderkonto der Schuldnerin nicht wie für eine

ordnungsgemäße Kapitalauf-bringung erforderlich zur freien Verfügung des

Geschäftsführers der Schuldnerin geleistet und damit ihre Einlageschuld (§

19 Abs. 1 GmbHG) nicht wirksam getilgt. Denn dieser Zahlungsvorgang war -

wie das Berufungsgericht zutreffend angenom-men hat - lediglich Teil eines

gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften des GmbHG verstoßenden und damit

unwirksamen Umgehungsgeschäftes in Form einer ver-deckten Sacheinlage.

Als verdeckte Sacheinlage wird es angesehen, wenn die gesetzlichen Regeln

für Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage

vereinbart wird, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von

dem Einleger auf-grund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Einlage

getroffenen Abspra-che einen Sachwert erhalten soll. Eine solche verdeckte

Sacheinlage lag hier vor, weil - nach den vom Berufungsgericht

revisionsrechtlich einwandfrei getroffenen Feststellungen - die gesamte

Einlage, wie von vornherein beabsichtigt, alsbald nach der nur knapp einen

Monat später erfolgten Eintragung der Kapitalerhöhung unter Auflösung des

Sonderkontos auf das einzige Geschäftskonto der Schuldnerin wei-tergeleitet

und von dort im Rahmen des bestehenden Cash-Pool noch am Abend desselben

Tagen kraft der Poolvereinbarung „automatisch“ dem Zentralkonto der von den

Inferenten beherrschten D-GmbH gutgeschrieben worden ist mit der Folge einer

entsprechenden anteiligen Tilgung der die Einlage seinerzeit erheblich

über-steigenden Darlehensverbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber der

D-GmbH. Aufgrund dieses verrechnungsähnlichen Hin- und Herzahlens ist der

Schuldnerin im wirtschaftlichen Ergebnis objektiv nicht der im

Kapitalerhöhungsbeschluss verlaut-barte Barbetrag, sondern - die Wirksamkeit

des Vorgangs unterstellt - die anteilige Befreiung von den gegenüber der

D-GmbH bereits seit längerem bestehenden Dar-lehensverbindlichkeiten aus der

Cash-Pool-Verbindung zugeflossen.

Die Anwendung der Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage hat nach der

neue-ren Rechtsprechung des II. Zivilsenats entsprechend § 27 Abs. 3 Satz 1

AktG auch im GmbH-Recht die Nichtigkeit sowohl des schuldrechtlichen als

auch des dinglichen Rechtsgeschäfts hinsichtlich der Einlage zur Folge (BGHZ

155, 329). Sie ist – wie der Senat hervorgehoben hat - nicht etwa deshalb

suspendiert, weil der Kapitalauf-bringungsvorgang bei der Kapitalerhöhung im

Rahmen eines Cash-Pool-Systems stattgefunden hat. Auch die in ein

Cash-Pool-System einbezogenen Gesellschaften mit beschränkter Haftung

unterliegen - ohne dass ein „Sonderrecht“ für diese Art der Finanzierung

anerkannt werden könnte - bei der Gründung und der Kapitalerhöhung den

Kapitalaufbringungsvorschriften des GmbHG und den dazu entwickelten

höchst-richterlichen Rechtsprechungsgrundsätzen. Das ist im Übrigen auch den

an der Ka-pitalerhöhung im vorliegenden Fall Beteiligten bewusst gewesen.

Nur deswegen ha-ben sie es - im Ansatz zutreffend - für erforderlich

gehalten, die Einlagen nicht sogleich auf das einzige vorhandene, aber in

den Cash-Pool einbezogene Gesell-schaftskonto der Schuldnerin einzuzahlen,

sondern stattdessen den - hier indessen verfehlten - Umweg über ein für

wenige Tage neu eingerichtetes Termingeldkonto zu wählen.

Urteile vom 16. Januar 2006 – II ZR 75/04 sowie II ZR 76/04

 

LG Zwickau – Entscheidung vom 24.6.2003 – 5 O 207/02 ./.

 

OLG Dresden – Entscheidung vom 10.3.2004 – 18 U 1314/03 und

 

LG Zwickau – Entscheidung vom 24.6.2003 – 4 O 220/02 ./.

 

OLG Dresden – Entscheidung vom 10.3.2004 – 18 U 1227/03

 

 

Karlsruhe, den 16. Januar 2006

 

 

Bundesgerichtshof

 

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