BGH: Kartellsenat zu „Hörfunkrechten“ an Bundesligaspielen: Fußballvereine dürfen auch von Hörfunksendern - Entgelt für die Berichterstattung aus den Stadien verlangen

10.11.2005

Bundesgerichtshof

Fußballvereine (im Streitfall handelte es sich um den HSV und den FC St.

Pauli) sind berechtigt, auch von Hörfunksendern (hier: Radio Hamburg) für

die Berichter-stattung über Bundesligaheimspiele ein besonderes Entgelt zu

verlangen, wenn die-se Berichterstattung aus den Stadien der Vereine

erfolgt. Dies hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs heute entschieden.

Der HSV und FC St. Pauli sind, wie alle lizenzierten Vereine und

Kapitalgesellschaf-ten, deren Mannschaften den Fußball-Lizenzligen

angehören, Mitglied im sogenann-ten Ligaverband. Der DFB hat dem Ligaverband

die „Vermarktungsrechte“ an der Bundesliga überlassen. Der Ligaverband hat

diese Rechte seinerseits auf die DFL Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL)

übertragen. Anders als bei Fernsehübertragun-gen verlangten die

Fußballvereine für die Radioberichterstattung aus den Stadien bis zur Saison

1999/2000 kein Entgelt. Inzwischen hat die DFL für ihre Mitglieder

Ver-marktungskonzepte entwickelt, die die entgeltliche Vergabe von

Verwertungsrechten an Bundesligaspielen nicht nur für die Fernseh-, sondern

auch für die Radiobericht-erstattung sowie das Internet vorsehen. Danach

sollen die Sender in jeder Bundesli-gasaison für die Radioberichterstattung

aus den Stadien vom Umfang der Berichter-stattung abhängige

Pauschalzahlungen leisten.

Radio Hamburg begehrt u.a. die Feststellung, dass dem HSV, dem FC St. Pauli

und der DFL keine „Hörfunkrechte“ an den Bundesligaheimspielen (der FC St.

Pauli spielte in der Saison 2001/2002 in der 1. Bundesliga und 2002/2003 in

der 2. Bun-desliga) zustehen. Ferner will der Sender geklärt wissen, ob die

verklagten Fußball-vereine für die Nutzung der Presseplätze, die Teilnahme

an allen Pressekonferen-zen, den Zutritt zu Mixed-Zonen, einen Arbeitsplatz

und technische Dienstleistungen, eine über die Summe der hierfür

aufgewandten Kosten (Aufwendungsersatz) und über das sonst übliche

Eintrittsentgelt hinausgehende Vergütung verlangen können. Das Landgericht

Hamburg hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beru-fung hat das

Oberlandesgericht Hamburg zurückgewiesen.

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat die Entscheidungen der

Vorinstanzen im Ergebnis bestätigt und die von Radio Hamburg eingelegte

Revision zurückgewie-sen.

Nach dem Urteil dürfen die beklagten Fußballvereine als Veranstalter der

Spiele bestimmen, dass mit dem Erwerb einer Eintrittskarte noch nicht die

Befugnis zur Rundfunkberichterstattung aus dem Stadion erworben wird. Darin

liegt weder ein Verstoß gegen das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot

des § 20 Abs. 1 GWB noch gegen das Verbot, eine marktbeherrschende Stellung

durch die Forderung von Entgelten mißbräuchlich auszunutzen, die von

denjenigen Entgelten abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher

Wahrscheinlichkeit ergeben würden (§ 19 Abs. 1, 2 Nr. 2 GWB). Den beklagten

Fußballvereinen steht als (Mit-)Veranstaltern der Heimspiele ihrer

Mannschaften das aus §§ 858 ff., 1004 BGB abzuleitende Hausrecht zur Seite.

Das Hausrecht bildet eine ausreichende Grundlage dafür, den Zutritt von

Hörfunkveranstaltern von der Entrichtung von Entgelten für die

Hörfunkbe-richterstattung aus dem Stadion abhängig zu machen. Das Hausrecht

ermöglicht seinem Inhaber, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wem er

die Örtlichkeit zugänglich macht und wem nicht. Dies schließt das Recht

ein, den Zutritt – auch als Voraussetzung für die Radioberichterstattung -

von Bedingungen wie der Zahlung eines Entgelts abhängig zu machen.

Die sachliche Rechtfertigung dafür, dass für die Möglichkeit zur

Radioberichterstat-tung ein höheres Entgelt als der normale Eintrittspreis

verlangt wird, sieht der Bun-desgerichtshof darin, dass ein

Hörfunkveranstalter den ihm gewährten Zutritt zum Stadion und zu dem dort

veranstalteten Spiel intensiver nutzt als ein normaler Zu-schauer oder auch

Pressevertreter. Das wird auch an den Leistungen deutlich, die Radio Hamburg

für seine Radio-Reporter in Anspruch nimmt (Presseplätze, Teil-nahme an

allen Pressekonferenzen, Zutritt zu den „Mixed-Zonen“, Arbeitsplatz und

technische Dienstleistungen).

Die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verleiht Radio Hamburg nicht

das Recht, den der Öffentlichkeit gewährten Zutritt zum Stadion und zum

Spiel gegen bloßen Aufwendungsersatz zu nutzen. Denn die Veranstaltung der

Bundesligaspiele steht ihrerseits unter dem verfassungsrechtlichen Schutz

der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Müsste der Veranstalter

Rundfunkübertragungen von Bundesligaspielen unentgeltlich ermöglichen, wäre

ihm ein Teil der wirtschaftlichen Verwertung seiner Leistung genommen.

Der Senat weist allerdings darauf hin, dass die Vermarktung von

„Hörfunkrechten“ nicht dazu führen darf, dass der Hörfunkveranstalter – etwa

durch eine vertragliche Verpflichtung zur Verbreitung redaktioneller

Beiträge zum Thema Fußball – in der freien Gestaltung seines Programms und

der aktuellen und von Dritten unbeeinfluss-ten Information seiner Hörer

behindert wird.

Urteil vom 8. November 2005 – KZR 37/03

 

LG Hamburg - Urteil vom 26. April 2002 – 308 O 415/01

 

OLG Hamburg - Urteil vom 12. Juni 2003 – 5 U 67/02

 

Karlsruhe, den 8. November 2005

 

 

Bundesgerichtshof

 

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