BGH: Keine Verdoppelung der Einlagepflicht der Gesellschafter einer auf Vorrat gegründeten GmbH, wenn der Einlagebetrag sogleich an den Gesellschafter zurückgezahlt wird
Bundesgerichtshof
Der II. Zivilsenat hatte heute erneut (vgl. Urt. v. 21. November 2005 II
ZR 140/04, ZIP 2005, 2203) über die von Instanzgerichten unterschiedlich
behandelte Frage zu entscheiden, wie im Rahmen der Kapitalaufbringung einer
neu gegründeten GmbH der Vorgang rechtlich zu beurteilen ist, dass der
Gesellschafter den geschuldeten Einlagebetrag an die Gesellschaft zahlt, ihn
aber in unmittelbarem zeitlichen Zu-sammenhang zurückerhält (sog. Hin- und
Herzahlen). Nach den das deutsche Ka-pitalschutzsystem prägenden, auf einen
Mindestschutz der Gläubiger bedachten Regeln muss der Gesellschafter einer
GmbH die geschuldete Einlage ordnungsge-mäß und endgültig zur freien
Verfügung der Geschäftsführung der Gesellschaft ein-zahlen
(Kapitalaufbringung) und darf diese für die Dauer des Bestehens der
Gesell-schaft nicht wieder entnehmen (Kapitalerhaltung): Gegen diese Regeln
wird in der Praxis öfter verstoßen. Im Rahmen der Kapitalaufbringung
geschieht es immer wie-der, dass sich die Gesellschafter nicht endgültig der
geschuldeten Einlage entäu-ßern. Die Folgen eines solchen Verhaltens waren
in dem heute entschiedenen Fall zu beurteilen:
Der Kläger ist seit 2003 Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH.
Diese war im April 1997 von der Beklagten als sog. Vorratsgesellschaft
gegründet wor-den. Nach der Gründung zahlte die Beklagte zunächst die
Stammeinlage ein. Die Zahlung floss allerdings unmittelbar darauf an sie
zurück. Dabei lag der Rückzahlung angeblich eine Treuhandabrede zugrunde,
wonach der Gesellschafter das Geld zu-gunsten der Vorratsgesellschaft
anlegen sollte. Zwei Monate später übertrug die Be-klagte ihre
Geschäftsanteile an der Schuldnerin auf einen Dritten. Im Zuge dessen zahlte
die Beklagte einen Betrag in Höhe der Stammeinlage an die Schuldnerin. Der
Kläger hat diese Zahlung mit Rücksicht darauf, dass die Beklagte selbst
aufgrund der Treuhandabrede hat leisten wollen, nicht als Einlageleistung
gelten lassen wollen und von der Beklagten die nochmalige Zahlung der
Stammeinlage verlangt.
In den Vorinstanzen hat der Kläger im Wesentlichen Recht bekommen. Zur
Begrün-dung hat das Berufungsgericht ausgeführt, durch das ursprüngliche
Hin- und Herzahlen habe die Beklagte ihre Einlageschuld nicht erfüllen
können; die Einzah-lung der 50.000 DM im Zuge der Veräußerung der
Geschäftsanteile habe deswegen keine Tilgungswirkung gehabt, weil die
Beklagte nicht auf die Einlageschuld, sondern zur Erfüllung der Pflichten
aus der Treuhandabrede HABE zahlen wollen. Im Ergeb-nis muss die Beklagte
danach den Betrag von 50.000 DM zwei mal leisten.
Auf die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision hat der II. Zivilsenat
die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die
Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte durch den Vorgang des
Hin- und Herzahlens ihre Einlageschuld nicht hat tilgen können, billigt er,
sie steht im Einklang mit der seit vielen Jahren gefestigten und auch im
Schrifttum mehrheitlich vertretenen höchst-richterlichen Rechtsprechung.
Verworfen hat er dagegen insofern anknüpfend an das Urt. v. 21. November
2005 (aaO) und eine Entscheidung vom 17. September 2001 (II ZR 275/99,
ZIP 2001, 1997) die Vorstellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe
auch durch die spätere Zahlung von 50.000 DM ihre Einlageschuld nicht
erfüllen können. Da das Hin- und Herzahlen wirtschaftlich als ein
einheitlicher, sich selbst neutralisierender Vorgang anzusehen ist, hat die
beklagte Gesellschafte-rin nichts geleistet und die Gesellschaft nichts
erhalten; eine in diesem Zusammen-hang für das Herzahlen getroffene
Treuhand- oder Darlehensabrede ist rechtlich unwirksam. Da der
Sachverhalt so anzusehen ist, als habe der Gesellschafter den Einlagebetrag
in seinem Vermögen behalten, ist auf keiner Seite eine Bereicherung
eingetreten. Offen ist ausschließlich die Einlageschuld, die durch die
spätere Einzah-lung getilgt worden ist; dass sie mit einer rechtlich
falschen Tilgungsbestimmung ver-sehen worden ist, ändert daran nichts und
führt vor allem nicht dazu, dass der Ge-sellschafter gerade in der
Insolvenz verwirklicht sich diese Gefahr zweimal zah-len muss, nämlich auf
die unwirksame Treuhandabrede oder das unwirksame Dar-lehen und außerdem
auf die Einlageschuld. Das Berufungsgericht setzt sich mit der von ihm
favorisierten Lösung bewußt, weil es den Kapitalschutzvorschriften in
die-sem Zusammenhang unangemessen formstrenge Bedeutung beimißt, darüber
hin-weg, dass dem Sinn der Kapitalaufbringungsregeln zuwider derjenige
Gesellschafter besser gestellt ist, der den Fehler bei der Einlagezahlung
nicht alsbald behebt, son-dern zuwartet, bis er von dem Insolvenzverwalter
zwangsweise zur Einlagezahlung veranlaßt wird: Er muss nur einmal leisten,
während der gesetzestreu vorgehende Gesellschafter der Dumme ist und
ohne Aufrechnungsmöglichkeit ein zweites Mal an den Insolvenzverwalter
zahlen muss.
Urteil vom 9. Januar 2006 - II ZR 72/05
LG Flensburg - Urteil. v. 21.Januar 2004 - 4 O 248/03 ./.
OLG Schleswig - Urteil. v. 27. Januar 2005 - 5 U 22/04 (abgedruckt in ZIP
2005, 1827)
Karlsruhe, den 9. Januar 2006
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