BGH: Keine Verdoppelung der Einlagepflicht der Gesellschafter einer „auf Vorrat“ gegründeten GmbH, wenn der Einlagebetrag sogleich an den Gesellschafter zurückgezahlt wird

11.01.2006

Bundesgerichtshof

Der II. Zivilsenat hatte heute erneut (vgl. Urt. v. 21. November 2005 – II

ZR 140/04, ZIP 2005, 2203) über die von Instanzgerichten unterschiedlich

behandelte Frage zu entscheiden, wie im Rahmen der Kapitalaufbringung einer

neu gegründeten GmbH der Vorgang rechtlich zu beurteilen ist, dass der

Gesellschafter den geschuldeten Einlagebetrag an die Gesellschaft zahlt, ihn

aber in unmittelbarem zeitlichen Zu-sammenhang zurückerhält (sog. „Hin- und

Herzahlen“). Nach den das deutsche Ka-pitalschutzsystem prägenden, auf einen

Mindestschutz der Gläubiger bedachten Regeln muss der Gesellschafter einer

GmbH die geschuldete Einlage ordnungsge-mäß und endgültig zur freien

Verfügung der Geschäftsführung der Gesellschaft ein-zahlen

(Kapitalaufbringung) und darf diese für die Dauer des Bestehens der

Gesell-schaft nicht wieder entnehmen (Kapitalerhaltung): Gegen diese Regeln

wird in der Praxis öfter verstoßen. Im Rahmen der Kapitalaufbringung

geschieht es immer wie-der, dass sich die Gesellschafter nicht endgültig der

geschuldeten Einlage entäu-ßern. Die Folgen eines solchen Verhaltens waren

in dem heute entschiedenen Fall zu beurteilen:

Der Kläger ist seit 2003 Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH.

Diese war im April 1997 von der Beklagten als sog. „Vorratsgesellschaft“

gegründet wor-den. Nach der Gründung zahlte die Beklagte zunächst die

Stammeinlage ein. Die Zahlung floss allerdings unmittelbar darauf an sie

zurück. Dabei lag der Rückzahlung angeblich eine Treuhandabrede zugrunde,

wonach der Gesellschafter das Geld zu-gunsten der Vorratsgesellschaft

anlegen sollte. Zwei Monate später übertrug die Be-klagte ihre

Geschäftsanteile an der Schuldnerin auf einen Dritten. Im Zuge dessen zahlte

die Beklagte einen Betrag in Höhe der Stammeinlage an die Schuldnerin. Der

Kläger hat diese Zahlung mit Rücksicht darauf, dass die Beklagte selbst

aufgrund der Treuhandabrede hat leisten wollen, nicht als Einlageleistung

gelten lassen wollen und von der Beklagten die nochmalige Zahlung der

Stammeinlage verlangt.

In den Vorinstanzen hat der Kläger im Wesentlichen Recht bekommen. Zur

Begrün-dung hat das Berufungsgericht ausgeführt, durch das ursprüngliche

Hin- und Herzahlen habe die Beklagte ihre Einlageschuld nicht erfüllen

können; die Einzah-lung der 50.000 DM im Zuge der Veräußerung der

Geschäftsanteile habe deswegen keine Tilgungswirkung gehabt, weil die

Beklagte nicht auf die Einlageschuld, sondern zur Erfüllung der Pflichten

aus der Treuhandabrede HABE zahlen wollen. Im Ergeb-nis muss die Beklagte

danach den Betrag von 50.000 DM zwei mal leisten.

Auf die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision hat der II. Zivilsenat

die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die

Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte durch den Vorgang des

Hin- und Herzahlens ihre Einlageschuld nicht hat tilgen können, billigt er,

sie steht im Einklang mit der seit vielen Jahren gefestigten und auch im

Schrifttum mehrheitlich vertretenen höchst-richterlichen Rechtsprechung.

Verworfen hat er dagegen – insofern anknüpfend an das Urt. v. 21. November

2005 (aaO) und eine Entscheidung vom 17. September 2001 (II ZR 275/99,

ZIP 2001, 1997) – die Vorstellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe

auch durch die spätere Zahlung von 50.000 DM ihre Einlageschuld nicht

erfüllen können. Da das Hin- und Herzahlen wirtschaftlich als ein

einheitlicher, sich selbst neutralisierender Vorgang anzusehen ist, hat die

beklagte Gesellschafte-rin nichts geleistet und die Gesellschaft nichts

erhalten; eine in diesem Zusammen-hang für das „Herzahlen“ getroffene

„Treuhand-„ oder „Darlehensabrede“ ist rechtlich unwirksam. Da der

Sachverhalt so anzusehen ist, als habe der Gesellschafter den Einlagebetrag

in seinem Vermögen behalten, ist auf keiner Seite eine Bereicherung

eingetreten. Offen ist ausschließlich die Einlageschuld, die durch die

spätere Einzah-lung getilgt worden ist; dass sie mit einer rechtlich

falschen Tilgungsbestimmung ver-sehen worden ist, ändert daran nichts und

führt vor allem nicht dazu, dass der Ge-sellschafter – gerade in der

Insolvenz verwirklicht sich diese Gefahr – zweimal zah-len muss, nämlich auf

die unwirksame „Treuhandabrede“ oder das unwirksame „Dar-lehen“ und außerdem

auf die Einlageschuld. Das Berufungsgericht setzt sich mit der von ihm

favorisierten Lösung bewußt, weil es den Kapitalschutzvorschriften in

die-sem Zusammenhang unangemessen formstrenge Bedeutung beimißt, darüber

hin-weg, dass dem Sinn der Kapitalaufbringungsregeln zuwider derjenige

Gesellschafter besser gestellt ist, der den Fehler bei der Einlagezahlung

nicht alsbald behebt, son-dern zuwartet, bis er von dem Insolvenzverwalter

zwangsweise zur Einlagezahlung veranlaßt wird: Er muss nur einmal leisten,

während der gesetzestreu vorgehende Gesellschafter „der Dumme“ ist und –

ohne Aufrechnungsmöglichkeit – ein zweites Mal an den Insolvenzverwalter

zahlen muss.

Urteil vom 9. Januar 2006 - II ZR 72/05

 

LG Flensburg - Urteil. v. 21.Januar 2004 - 4 O 248/03 ./.

 

OLG Schleswig - Urteil. v. 27. Januar 2005 - 5 U 22/04 (abgedruckt in ZIP

2005, 1827)

 

 

Karlsruhe, den 9. Januar 2006

 

 

Bundesgerichtshof

 

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