BGH: Rückzahlung von im Rahmen eines" Schenkkreises" gezahltem Geld

14.11.2005

Bundesgerichtshof

Der Kläger verlangte in den beiden Verfahren die Rückerstattung von

Beträgen, die er im Zuge der Teilnahme an einem sogenannten "Schenkkreis" an

die Beklagten gezahlt hat.

Die "Schenkkreise" waren nach Art einer Pyramide organisiert. Die an der

Spitze stehenden Mitglieder des "Empfängerkreises" erhielten von ihnen

nachgeordneten "Geberkreisen" bestimmte Geldbeträge. Darauf schieden die

"Beschenkten" aus dem "Spiel" aus; an ihre Stelle traten die Mitglieder der

nächsten Ebene, die nunmehr die Empfängerposition einnahmen. Es galt dann,

genügend Teilnehmer für neu zu bildende "Geberkreise" zu finden, die bereit

waren, den festgelegten Betrag an die in den "Empfängerkreis" aufgerückten

Personen zu zahlen. Die Anwerbung war Sache der auf der untersten Reihe

verbliebenen "Mitspieler".

In Kenntnis des vorbeschriebenen Systems trat der Kläger in einen

"Geberkreis" ein und zahlte an die Beklagten, die mit anderen den

"Empfängerkreis" besetzt hatten, jeweils 1.250 €. Er wollte weiter im Spiel

bleiben und selbst später "Beschenkter" werden.

Amtsgericht und Berufungsgericht haben dem Kläger die jeweils eingeklagten

1.250 € nebst Zinsen und Auslagen zugesprochen. Mit der von dem

Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgten die Beklagten ihren

Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.

Der III. Zivilsenat hat die Revisionen zurückgewiesen.

Nach Auffassung des III. Zivilsenats kann der Kläger von den Beklagten die

gezahlten Beträge zurückfordern. Denn er hat sie ohne rechtlichen Grund

gezahlt. Die Vereinbarung des "Schenkkreises" war, da auf ein

Schneeballsystem gerichtet, sittenwidrig und damit nichtig (§ 138 Abs. 1

BGB).

Der Bereicherungsanspruch scheiterte entgegen der Annahme der Revision auch

nicht an § 817 Satz 2 BGB. Die Vorschrift bestimmt, dass eine Rückforderung

ausgeschlossen ist, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetz- oder

Sittenverstoß zur Last fällt.

Diesbezüglich hatte das Berufungsgericht ausgeführt, es spreche zwar einiges

dafür, dass der Kläger sich der Sittenwidrigkeit der Spielanlage bewusst

gewesen sei oder sich zumindest dieser Einsicht leichtfertig verschlossen

habe. Mit der Zahlung an die Beklagte habe er indes nicht unmittelbar

sittenwidrige Ziele verfolgt; er sei in dieser Phase des "Spiels" passiv

gewesen. Ob diese Erwägung zutrifft, konnte der III. Zivilsenat offenlassen.

Dem Berufungsgericht war jedenfalls darin beizutreten, dass der Grund und

Schutzzweck der Nichtigkeitssanktion (§ 138 Abs. 1 BGB) hier ausnahmsweise

- gegen eine Kondiktionssperre gemäß § 817 Satz 2 BGB spricht. Die in dem

Streitfall zu beurteilenden, nach dem Schneeballsystem organisierten

"Schenkkreise" waren anstößig (§ 138 Abs. 1 BGB), weil die große Masse der

Teilnehmer im Gegensatz zu den initiierenden "Mitspielern", die (meist)

sichere Gewinne erzielten - zwangsläufig keinen Gewinn machte, sondern

lediglich ihren "Einsatz" verlor. Das "Spiel" zielte allein darauf ab,

zugunsten einiger weniger "Mitspieler" leichtgläubige und unerfahrene

Personen auszunutzen und sie zur Zahlung des "Einsatzes" zu bewegen. Einem

solchen sittenwidrigen Verhalten steuert § 138 Abs. 1 BGB, indem er für

entsprechende Vereinbarungen Nichtigkeit anordnet. Das würde aber im

Ergebnis konterkariert und die Initiatoren solcher "Spiele" zum Weitermachen

geradezu einladen, wenn sie die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder

ungeachtet der Nichtigkeit der das "Spiel" tragenden Abreden - behalten

dürften.

Der vorbeschriebenen, § 817 Satz 2 BGB einschränkenden Wertung steht nicht

entgegen, dass das aufgrund eines Spiels Geleistete gemäß § 762 Abs. 1 Satz

2 BGB nicht zurückgefordert werden kann. Diese Vorschrift greift nur dann

Platz, wenn die Rückforderung auf den Spielcharakter gestützt wird. Ist die

"Spielvereinbarung" wie hier - gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, gelten die

allgemeinen Regeln, d.h. die Rückforderung wegen ungerechtfertigter

Bereicherung ist zulässig.

Urteile vom 10. November 2005 - III ZR 72/05 und III ZR 73/05

 

Amtsgericht Altenkirchen(Westerwald) – Entscheidung vom 23.9.2004 – 71 C

304/04 ./.

 

Landgericht Koblenz – Entscheidung vom 16.3.2005 – 12 S 270/04

Amtsgericht Altenkirchen (Westerwald) – Entscheidung vom 23.9.2004 – 71 C

303/04 ./.

 

Landgericht Koblenz – Entscheidung vom 16.3.2005 – 12 S 276/04

 

Karlsruhe, den 11. November 2005

 

 

Bundesgerichtshof

 

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