BGH: Wettbewerbsrechtlicher Beseitigungsanspruch umfasst nicht die Rückzahlung zu Unrecht einbehaltener Geldbeträge an Verbraucher

11.09.2024

Nr. 180/2024 vom 11.09.2024

Urteil vom 11. September 2024 - I ZR 168/23

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Verbraucherverband mit dem wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch nicht die Rückzahlung aufgrund unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen einbehaltener Geldbeträge an die betroffenen Verbraucher verlangen kann.

Sachverhalt:

Der Kläger ist der Dachverband deutscher Verbraucherzentralen. Der Beklagte veranstaltete ein Festival. Zur Bezahlung auf dem Festivalgelände konnten die Besucher ein Armband erwerben und mit Geldbeträgen aufladen. Der Beklagte bot eine Rückerstattung nicht verbrauchter Geldbeträge in seinen Nutzungsbedingungen wie folgt an: "Bei der Auszahlung des restlichen Guthabens nach dem Festival durch das Eventportal wird eine Rückerstattungsgebühr von 2,50 € fällig".

Der Kläger hält die Erhebung einer solchen Rückerstattungsgebühr (Payout Fee) für unlauter und nimmt den Beklagten insbesondere auf Rückzahlung der einbehaltenen Beträge an die betroffenen Verbraucher in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die vom Kläger eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die zulässige Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

Ein Beseitigungsanspruch lässt sich - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - nicht aus § 1 UKlaG herleiten. Diese Vorschrift begründet nur einen Anspruch auf Unterlassung, nicht aber auch auf Beseitigung.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten auch kein Beseitigungsanspruch auf Rückzahlung der einbehaltenen Payout Fee an die betroffenen Verbraucher gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB zu.

Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Nutzungsbedingungen des Beklagten Allgemeine Geschäftsbedingungen sind und die darin enthaltene Klausel über die Erhebung einer Payout Fee in Höhe von 2,50 € bei Auszahlung nicht verbrauchten Guthabens gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Denn der Beklagte erbringt mit der Rückerstattung nicht verbrauchter Geldbeträge keine eigenständige vergütungsfähige Leistung, sondern erfüllt eine ohnehin bestehende vertragliche Verpflichtung. Das Berufungsgericht hat ebenso zutreffend gemeint, dass der darin liegende Verstoß gegen §§ 3, 3a UWG geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen, da diese durch die Klausel davon abgehalten werden könnten, Rückzahlungsansprüche gegenüber dem Beklagten geltend zu machen.

Zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass der Kläger mit dem wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch vom Beklagten keine Rückzahlung der aufgrund der unwirksamen Klausel einbehaltenen Payout Fee an dessen Kunden verlangen kann. Ein solcher Anspruch steht mit der Systematik des kollektiven Rechtsschutzes nach dem geltenden Recht nicht im Einklang. Der Gesetzgeber hat im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb einen verschuldensabhängigen Gewinnabschöpfungsanspruch zu Gunsten des Bundeshaushalts und einen ebenfalls verschuldensabhängigen Verbraucherschadensersatz vorgesehen. Im Jahr 2023 hat der Gesetzgeber durch das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz die Abhilfeklage eingeführt, mit der qualifizierte Verbraucherverbände gegen Unternehmer gerichtete Ansprüche von Verbrauchern auf Leistung geltend machen können. Das sich daraus ergebende Konzept des kollektiven Rechtsschutzes würde durch einen aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG abgeleiteten verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch von qualifizierten Verbraucherverbänden unterlaufen, mit dem ein Unternehmer zur Rückzahlung der von ihm zu Lasten einer Vielzahl von Verbrauchern einbehaltenen Geldbeträge an die betroffenen Verbraucher verpflichtet werden könnte.

Vorinstanzen:

LG Rostock - Urteil vom 15. Dezember 2020 - 3 O 1091/19

OLG Rostock - Urteil vom 15. November 2023 - 2 U 15/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1 UKlaG

Wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt, kann auf Unterlassung und im Fall des Empfehlens auch auf Widerruf in Anspruch genommen werden.

§ 3 Abs. 1 UWG

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. […]

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 3 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. […]

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: […]

3. den qualifizierten Verbraucherverbänden, die in der Liste nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, und den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 4 der Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. L 409 vom 4.12.2020, S. 1) eingetragen sind, […]

§ 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist […].

Karlsruhe, den 11. September 2024

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