BGH zum Behandlungsvertrag bei fehlendem Versicherungsschutz

29.04.2005

Bundesgerichtshof

Die klagende Stadt ist Trägerin eines Krankenhauses, in dem die Tochter der Beklagten und ihres früheren Ehemannes stationär behandelt wurde.

Im März 1999 brachte die Beklagte ihre Tochter zur stationären Behandlung in das Krankenhaus. Bei der Aufnahme gab sie an, für ihre Tochter bestehe Versiche-rungsschutz durch die AOK Lahnstein; Versicherter sei ihr Ehemann. Ferner unterschrieb die Beklagte einen formularmäßigen "Aufnahme-Antrag", der auf die Allge-meinen Vertragsbedingungen des Krankenhauses der Klägerin verwies. In den All-gemeinen Vertragsbedingungen hieß es u.a., daß ein Kassenpatient, der Leistungen des Krankenhauses in Anspruch nehme, die nicht durch die Kostenübernahme einer Krankenkasse gedeckt seien, als Selbstzahler zur Entrichtung des Entgelts für diese Leistungen verpflichtet sei.

Nach der vorgenannten stationären Behandlung war die Tochter der Beklagten nochmals, nämlich im Februar/März 2000, im Krankenhaus der Klägerin. Bei diesem Krankenhausaufenthalt hatte der damalige Ehemann der Beklagten das Kind eingeliefert.

Die zuständige AOK übernahm nicht die Kosten dieser stationären Behandlungen, weil der Ehemann der Beklagten zur fraglichen Zeit nicht versichert war und damit auch keine Familienversicherung für die gemeinsame Tochter bestand. Das Krankenhaus stellte der Beklagten daraufhin für die stationäre Behandlung der Tochter im März 1999 9.124,02 DM (= 4.665,04 €) und für die stationäre Behandlung im Feb-ruar/März 2000 weitere 20.202,39 DM (= 10.329,32 €), insgesamt also 14.994,36 €, in Rechnung. Dieser Betrag nebst Zinsen wird mit der Klage geltend gemacht.

Die Klägerin trägt vor, die Tochter der Beklagten sei aufgrund eines im März 1999 mit der Beklagten geschlossenen Behandlungsvertrages im Krankenhaus der Klägerin aufgenommen worden. Für die stationäre Behandlung könne sie nach dem Behandlungsvertrag und nach ihren Allgemeinen Vertragsbedingungen von der Beklag-ten das Entgelt beanspruchen, nachdem sich herausgestellt habe, daß für deren Tochter keine gesetzliche Krankenversicherung bestanden habe. Für die Kosten der von dem damaligen Ehemann der Beklagten veranlaßten stationären Behandlung der Tochter im Jahr 2000 hafte die Klägerin nach § 1357 Abs. 1 BGB (die Vorschrift lautet: Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besor-gen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, daß sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.).

Die Beklagte, die zur fraglichen Zeit nicht über ein eigenes Einkommen verfügte, be-streitet, mit der Klägerin einen entgeltlichen Behandlungsvertrag geschlossen zu ha-ben. Sie habe nicht gewußt, daß ihr Ehemann und damit ihr Kind nicht mehr in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen sei. Bei Einlieferung des Kin-des in das Krankenhaus sei ihr Ehemann ganztägig als Arbeitnehmer tätig gewesen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiterverfolgt.

Die Revision hatte Erfolg.

1. Stationäre Behandlung im März 1999 auf Veranlassung der Beklagten

Die Klägerin konnte nach Auffassung des III. Zivilsenats Bundesgerichtshofs den Zahlungsanspruch zwar nicht auf die oben genannte Klausel stützen. Insoweit blieb offen, ob die Klausel die vorliegende Sachverhaltsgestaltung betraf; das geht nach der Unklarheitenregel zu Lasten der Klägerin (§ 5 AGBG).

Der Klägerin steht aber ein Vergütungsanspruch aus dem mit der Beklagten zugunsten des Kindes geschlossenen Behandlungsvertrag zu. Zwar ging der Wille der Parteien dahin, einen für die Beklagte nicht mit Zahlungspflichten verbundenen Be-handlungsvertrag zu schließen. Denn die Tochter der Beklagten sollte als Kassenpa-tientin in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen werden. In einem solchen Fall besteht ein Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers unmittelbar und aus-schließlich gegen die gesetzliche Krankenkasse. Dem Behandlungsvertrag fehlte aber die Geschäftsgrundlage. Die von den Parteien gemeinsam gehegte Vorstellung, die Tochter der Beklagten sei über deren Ehemann familienversichert, stellte sich als Irrtum heraus. Die deshalb gebotene Vertragsanpassung führt dazu, daß die Beklag-te den Pflegesatz zu zahlen hat. Denn sie trägt das Risiko, daß das von ihr zur stati-onären Behandlung gebrachte Kind krankenversichert war. Der Patient (bzw. bei Minderjährigen deren Eltern) hat hierzu im eigenen Interesse das Nötige zu veran-lassen und den Krankenhausträger zutreffend zu unterrichten.

 

Er weiß in der Regel, ob und bei wem er krankenversichert ist. Besteht kein Versicherungsschutz, kann der Patient gegebenenfalls durch die Inanspruchnahme von Sozialhilfe für Kosten-deckung sorgen. Umgekehrt hat der Krankenhausträger in der Regel keinen Einblick in die persönlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse des Patienten; er muß sich schon aus praktischen Gründen - auf die Angaben des Patienten ver-lassen dürfen.

Die Vertragsanpassung mußte sich an der gesetzlichen Vorgabe ausrichten, daß der Krankenhausträger den einheitlichen Pflegesatz fordern muß und nicht nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des jeweiligen Patienten differenzieren darf.

2. Stationäre Behandlung im Februar/März 2000 auf Veranlassung des (damaligen) Ehemanns der Beklagten

Insoweit hat der III. Zivilsenat die Sache aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Dieses wird zu klären haben, ob der Ehemann der Beklagten einen Behandlungsver-trag zugunsten der gemeinsamen Tochter auch im Namen der Beklagten geschlos-sen hat. Die Beklagte könnte aus einem solchen gegebenenfalls nach den vorge-nannten Grundsätzen angepaßten - Vertrag unmittelbar haften, und zwar als Ge-samtschuldnerin mit ihrem damaligen Ehemann.

Ferner kommt eine gesetzliche Mitverpflichtung der Beklagten nach § 1357 Abs. 1 BGB aus einem nur zwischen ihrem Ehemann und der Klägerin geschlossenen Be-handlungsvertrag zugunsten des gemeinsamen Kindes in Betracht. Insoweit wird von dem Berufungsgericht noch zu prüfen sein, ob die Kosten der Krankenhausbehand-lung außer Verhältnis zu dem objektiviert zu beurteilenden - damaligen Lebenszu-schnitt der Familie standen. Sollten die Behandlungskosten diesen Rahmen spren-gen, wäre eine Mithaftung der Beklagten nach § 1357 Abs. 1 BGB zu verneinen.

Urteil vom 28. April 2005 – III ZR 351/04 LG Koblenz – 15 O 77/02 ./. OLG Koblenz – 3 U 1434/02

 

Karlsruhe, den 28. April 2005

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