BGH: Zur Wirksamkeit von Eheverträgen bei kinderloser Ehe

17.01.2005

Bundesgerichtshof

Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Wirksamkeit eines Ehevertrags zu entscheiden. Der 1942 geborene Ehemann und die 1944 geborene Ehefrau hatten 1988 geheiratet; für beide war es die zweite Ehe. Der Ehemann praktizierte bis zu seiner Erwerbsunfähigkeit 1996 als Zahnarzt. Die Ehefrau – eine gelernte Rechtsanwaltsgehilfin – hatte mit ihrem ersten Ehemann zeit-weilig ein Bekleidungsgeschäft betrieben und schon vor der Eheschließung gegen Ent-gelt in der Praxis des Ehemannes kaufmännische Arbeiten übernommen. In einem vor der Heirat geschlossenen Ehevertrag vereinbarten beide Gütertrennung, schlossen den Versorgungsausgleich aus und verzichteten wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt. Der Ehemann verpflichtete sich für den Fall der Scheidung, an die Ehefrau für jedes vollendete Ehejahr eine „Unterhaltsabfindung“ in Höhe von 10.000 DM, insgesamt je-doch nicht mehr als 80.000 DM, zu zahlen. Außerdem verpflichtete er sich, ab Rechts-kraft der Scheidung bis zur Vollendung des 60. Lebensjahrs der Ehefrau für diese Bei-träge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe der Arbeitnehmer- und Arbeitge-beranteile nach einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.000 DM zu entrichten, falls die Ehefrau unverschuldet keine Erwerbstätigkeit ausüben könne.

Das Berufungsgericht hatte den Ehevertrag für wirksam und das Versorgungsaus-gleichsverlangen der Ehefrau für unbegründet erachtet. Der Senat hat die Revision der Ehefrau zurückgewiesen.

Der Senat hatte bereits in einem Urteil vom 11. Februar 2004 – XII ZR 265/02 (siehe dazu Pressemitteilung 12/2004) - die Grundsätze für die Wirksamkeit von Eheverträgen aufgestellt. Diese dürfen den Schutzzweck der gesetzlichen Scheidungsfolgen nicht beliebig unterlaufen. Das wäre dann der Fall, wenn durch den Ehevertrag eine evident einseitige und von der individuellen Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehe-gatten unter angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten - bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastun-gen des einen Ehegatten werden dabei um so schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten um so genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die Vereinba-rung der Ehegatten über die Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts

 

eingreift. Dabei hat der Tatrichter zunächst im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle zu prüfen, ob der Ehevertrag schon im Zeitpunkt seines Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, daß ihm losgelöst von der künftigen Entwicklung der Lebensver-hältnisse wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung mit der Folge zu versagen ist, daß an seine Stelle die gesetzlichen Regelungen treten.

Das hat der Senat für den vorliegenden Fall verneint. Der vertragliche Ausschluß des Betreuungsunterhalts konnte dabei unberücksichtigt bleiben, da im maßgebenden Zeit-punkt des Vertragsschlusses mit gemeinsamen Kindern der Parteien nicht mehr zu rechnen war. Auch der Umstand, daß die Ehegatten den Altersunterhalt wegen Alters ausgeschlossen hatten, führt nach Ansicht des Senats hier nicht zu Sittenwidrigkeit. Die Parteien waren im Zeitpunkt der

 

Eheschließung bereits 44 und 46 Jahre alt, mithin in einem Alter, in dem ein nicht unwesentlicher Teil der Altersversorgung üblicherweise bereits erworben ist. Die Ehefrau hatte in der Praxis des Ehemannes – gegen teilweise hohes Entgelt - mitgearbeitet und damit eine eigenständige Altersversorgung erworben; zudem hatte sich der Ehemann verpflichtet, für die Zeit nach einer etwaigen Scheidung den weiteren Ausbau der Altersversorgung der Ehefrau durch Zahlung freiwilliger Bei-träge zur

 

gesetzlichen Rentenversicherung sicherzustellen. Auch der Ausschluß des Unterhalts wegen Krankheit rechtfertigt die Annahme der Sittenwidrigkeit nach Ansicht des Senats nicht, da der Ehemann mit dem Ehevertrag eine nacheheliche Verantwor-tung für die Ehefrau nicht schlechthin abbedungen, sondern lediglich auf eine Kapital-zahlung von 80.000 DM begrenzt hat. Der Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit gehört nicht zum Kernbereich der Scheidungsfolgen; sein Ausschluß war hier auch deshalb unbedenklich, weil ehebedingte Nachteile der Ehefrau, die durch diesen Unterhalt im Einzelfall ausgeglichen werden können, nicht zu erwarten waren.

 

Die Vereinbarung des Wahlgüterstands der Gütertrennung läßt einen Ehevertrag grundsätzlich nicht sittenwidrig erscheinen. Der Ausschluß des Versorgungsausgleichs, der – ähnlich wie der Unterhalt wegen Alters – zum Kernbereich der Scheidungsfolgen gehört, war nach Auffassung des Senats namentlich deshalb hinzunehmen, weil die Lebensplanung der Parteien vorsah, daß die Ehefrau aufgrund ihrer versicherungs-pflichtigen Tätigkeit in der Praxis des Ehemannes auch in der Ehe ihre Altersversor-gung weiter ausbauen konnte.

 

 

 

Da der Ehevertrag danach Bestand hatte, war im Rahmen einer sog. Ausübungskon-trolle zu prüfen, ob sich der Ehemann gegenüber dem Versorgungsausgleichsbegehren der Ehefrau nunmehr auf den - im Ehevertrag wirksam vereinbarten - Ausschluß dieser Scheidungsfolge nach Treu und Glauben berufen kann. Dies hat der Senat bejaht, da sich die Versorgungssituation der Ehefrau gegenüber den bei Abschluß des Ehever-trags bestehenden Verhältnissen nicht in einer Weise verändert hat, welche die Beru-fung des Ehemannes auf den Ehevertrag als treuwidrig erscheinen läßt.

Urteil vom 12. Januar 2005 – XII ZR 238/03

 

AG Freiburg - 45 F 412/02 ./. OLG Karlsruhe in Freiburg - 18 UF 28/03

 

Karlsruhe, den 14. Januar 2005

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