Bundesgerichtshof entscheidet zu kreditfinanzierten sogenannten Schrottimmobilien
Bundesgerichtshof
Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hatte darüber zu entscheiden, welche Rechte Verbrauchern zustehen, die ihren
zur Finan-zierung einer Eigentumswohnung geschlossenen Realkreditvertrag
nach den Vor-schriften des Haustürwiderrufsgesetzes widerrufen haben.
Die Kläger waren 1995 von einem Vermittler in ihrer Privatwohnung geworben
wor-den, zum Zwecke der Steuerersparnis ohne nennenswertes Eigenkapital eine
Eigen-tumswohnung zu kaufen. Sie schlossen deshalb zunächst einen
entsprechenden notariellen Kaufvertrag ab und traten einer
Mieteinnahmegesellschaft bei. Zur Finan-zierung des Kaufpreises schloss
sodann die beklagte Bausparkasse als Vertreterin einer Bank mit den Käufern
einen Darlehensvertrag, wobei das den Käufern gewähr-te Vorausdarlehen mit
Hilfe von zwei bei der Beklagten abgeschlossenen anzuspa-renden
Bausparverträgen getilgt werden sollte. Eine Belehrung der Käufer und
Dar-lehensnehmer nach dem Haustürwiderrufsgesetz erfolgte nicht. Die Käufer
bestellten für die Bausparkasse eine Grundschuld an der gekauften
Eigentumswohnung über die Darlehenssumme, übernahmen dafür die persönliche
Haftung und unterwarfen sich der Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes
Vermögen. Nachdem die Kläger das aufgenommene Vorausdarlehen einige Jahre
bedient hatten, widerriefen sie ihre Darlehensvertragserklärungen, da sie
über ihr Widerrufsrecht nach dem Haustürwi-derrufsgesetz nicht belehrt
worden seien. Mit ihrer Klage wenden sie sich gegen die Zwangsvollstreckung
der beklagten Bausparkasse, an die die darlehensgebende Bank ihre Ansprüche
abgetreten hat. Sie machen insbesondere geltend, mit Rück-sicht auf die
unterbliebene Widerrufsbelehrung nach dem Haustürwiderrufsgesetz könnten sie
die Rückzahlung des Darlehens verweigern und die Bausparkasse auf die
gekaufte Eigentumswohnung verweisen. Außerdem behaupten sie, über die mit
der Eigentumswohnung verbundenen Risiken, insbesondere die tatsächlich zu
erzie-lende Miete und den Wert der Wohnung getäuscht bzw. nicht hinreichend
aufgeklärt worden zu sein. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das
Berufungsge-richt hat aber die Revision zugelassen.
Der XI. Zivilsenat hatte die Verhandlung zunächst zurückgestellt, um die
Entschei-dung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) auf
die Vorlage des Landgerichts Bochum (WM 2003, 1609) in einer Sache
abzuwarten, an der die beklagte Bausparkasse beteiligt ist. Nachdem die
Entscheidung des EuGH am 25. Oktober 2005 (WM 2005, 2079) ergangen ist,
hatte der XI. Zivilsenat nun unter an-derem zu entscheiden, welche
Konsequenzen aus dem Urteil des EuGH zu ziehen sind. Er ist hierbei zu
folgendem Ergebnis gelangt:
Es besteht auch im Hinblick auf die Europäische Haustürgeschäfterichtlinie
kein An-lass, die ständige Rechtsprechung des Senats zu ändern, nach welcher
der Verbraucher nach dem Widerruf des Darlehensvertrages gemäß § 3
Haustürwider-rufsgesetz (HWiG) zur sofortigen Rückzahlung der
Darlehensvaluta zuzüglich markt-üblicher Zinsen verpflichtet ist. Der EuGH
hat ausdrücklich betont, dass dies auch in Fällen, in denen die
Darlehensvaluta nach dem für die Kapitalanlage entwickelten Konzept
unmittelbar an den Verkäufer zum Erwerb der Immobilie ausgezahlt wird, der
Haustürgeschäfterichtlinie entspricht. Auch soweit der EuGH gemeint hat,
Art. 4 der Haustürgeschäfterichtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten, dafür
zu sorgen, den Verbraucher vor den Risiken einer kreditfinanzierten
Kapitalanlage zu schützen, die er im Falle einer Widerrufsbelehrung der
kreditgebenden Bank hätte vermeiden kön-nen, bestehen weder Grund noch
Möglichkeit zu einer anderslautenden richtlinien-konformen Auslegung des § 3
HWiG.
Die Frage, ob im Hinblick auf die genannte Vorgabe des EuGH aus der
unterbliebe-nen Widerrufsbelehrung wie in Literatur und Rechtsprechung zum
Teil vertreten - ein Schadensersatzanspruch der Kläger folgen könnte, hat
der Senat offen gelas-sen. Ein derartiger Schadensersatzanspruch wegen
unterbliebener Widerrufsbeleh-rung scheidet hier nämlich schon wegen Fehlens
der erforderlichen Kausalität aus, weil die Kläger den Kaufvertrag bereits
geschlossen hatten, bevor es zum Abschluss des Darlehensvertrages kam. Die
Erteilung einer Widerrufsbelehrung konnte sie da-her vor den Risiken ihres
Immobilienkaufs nicht mehr schützen.
Der XI. Zivilsenat hat aber im Interesse der Effektivierung des
Verbraucherschutzes bei realkreditfinanzierten Wohnungskäufen und
Immobilienfondsbeteiligungen, die nicht als verbundene Geschäfte behandelt
werden können, und um dem in den Ent-scheidungen des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften vom 25. Oktober 2005 zum Ausdruck kommenden
Gedanken des Verbraucherschutzes vor Risiken von Kapitalanlagemodellen im
nationalen Recht Rechnung zu tragen, seine Recht-sprechung zum Bestehen von
eigenen Aufklärungspflichten der kreditgebenden Bank in diesen Fällen
ergänzt. Danach können sich die Anleger in Fällen eines
insti-tutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit dem
Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts unter erleichterten
Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden
konkreten Wissensvorsprung der fi-nanzierenden Bank im Zusammenhang mit
einer arglistigen Täuschung des Anle-gers durch unrichtige Angaben der
Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über das
Anlageobjekt berufen. Die eine eigene Aufklärungs-pflicht auslösende
Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich
vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauf-tragten
Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise
zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder
Vermittler angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers,
Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder
Fonds-prospekts nach den Umständen des Falles evident ist, so dass sich
aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung
geradezu verschlossen.
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an
das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses Feststellungen zu der von
den Klä-gern behaupteten arglistigen Täuschung und der Frage eines
institutionalisierten Zu-sammenwirkens der beklagten Bausparkasse mit den
Vermittlern treffen kann.
Urteil vom 16. Mai 2006 XI ZR 6/04
OLG Hamm, Urteil vom 1. Dezember 2003 5 U 125/03
LG Dortmund, Urteil vom 4. April 2003 6 O 504/02
Karlsruhe, den 16. Mai 2006
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