Bundesgerichtshof: Keine Rechtsbeschwerde im Freigabeverfahren der Verschmelzung von Deutsche Telekom und T-Online

06.06.2006

Bundesgerichtshof

In dem Streit um die Verschmelzung der T-Online International AG mit ihrer

Muttergesellschaft, der Deutsche Telekom AG, hat der für das

Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs jetzt

entschieden, dass die von dem OLG Frankfurt am Main gegen dessen

Freigabebeschluss zugelassene Rechtsbeschwerde unzulässig ist.

Die Deutsche Telekom hatte ihre Tochtergesellschaft T-Online im Jahre 2000

an die Börse gebracht. Nachdem zahlreiche Anleger zum Kurs von 27 €

T-Online-Aktien erworben hatten, sank der Kurs in der Folgezeit auf unter 10

€. Im vergangenen Jahr beschloss der Telekom-Vorstand, das

Tochterunternehmen wieder von der Börse zu nehmen und auf die

Muttergesellschaft zu verschmelzen. Hintergrund für diese Maßnahme ist nach

Darstellung der Telekom die technische Entwicklung auf dem

Telekommunikationsmarkt, die zu einer Verzahnung von Telefondiensten und

Inter-netdiensten führen wird. Den Anlegern werden für 25 Aktien der

T-Online 13 Aktien der Telekom angeboten. Gegen diese von der

Hauptversammlung mit großer Mehrheit beschlossene Maßnahme haben eine Reihe

von Aktionären Klage erhoben. Sie halten die Verschmelzung für gesetz- und

satzungswidrig und machen in diesem Zusammenhang u. a. geltend, der

Telekom-Vorstand habe durch seine Informations- und Geschäftspolitik den

Kurs der Tochtergesellschaft bewusst gedrückt, so dass der Konzern sich nun

die Differenz zwischen dem hohen Ausgabekurs der T-Online-Aktie und dem

jetzigen niedrigen Wert der Aktie der Tochtergesellschaft pflichtwidrig

aneigne.

Wenn die beschlossene Verschmelzung erst vollzogen werden dürfte, nachdem

das langwierige Anfechtungs- und Nichtigkeitsverfahren rechtskräftig

erledigt worden ist, entstünden nach Darstellung der Telekom Verluste in

Millionenhöhe. Deshalb hat der Konzern gestützt auf den im Jahre 1994

eingeführten § 16 Abs. 3 UmwG das sog. Freigabeverfahren eingeleitet. Nach

dieser Bestimmung kann das Gericht anordnen, dass trotz anhängiger Klagen

die Verschmelzung in das Handelsregister eingetragen und damit unumkehrbar

wirksam wird. Voraussetzung ist, dass die Klagen unzulässig oder

offensichtlich unbegründet sind oder dass eine Interessenabwägung zugunsten

der beteiligten Unternehmen ausfällt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am

Main hat – anders als das LG Darmstadt – diese Freigabe ausgesprochen und

die Rechtsbeschwerde zugelassen. Dagegen haben 31 Aktionäre Rechtsbeschwerde

beim Bundesgerichtshof eingelegt.

Der für diese Verfahren zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

die Rechtsbeschwerden zurückgewiesen, weil – anders als das OLG Frankfurt am

Main meint – im Freigabeverfahren eine Rechtsbeschwerde nicht zulässig ist.

Der Gesetzgeber hat im Jahre 1994 dieses besondere Verfahren bewusst so

ausgestaltet, dass der Instanzenzug bei dem Oberlandesgericht endet. Denn es

ging – im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli

1990 (BGHZ 112, 9) – im wesentlichen darum, dem Missstand zu begegnen, dass

mit Rücksicht auf die typischerweise lange Dauer von

gesellschaftsrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsverfahren die

Durchführbarkeit der beschlossenen Maßnahme in Frage gestellt oder

unmöglich gemacht und außerdem die Gefahr heraufbeschworen wird, dass

einzelne Aktionäre die mit der Verzögerung entstehende Verhinderungsmacht

zweckwidrig zur Durchsetzung eigener verfahrensfremder Interessen

auszunutzen versuchen. Deswegen ist das Freigabeverfahren als besonderes

Eilverfahren ausgestaltet worden und endete mit der Entscheidung des

Oberlandesgerichts. An diesem bewährten Regelungssystem, das zur Folge hat,

dass die klagenden Aktionäre nur noch Ersatz des ihnen etwa entstandenen

Schadens verlangen können, wenn die Eintragung der Verschmelzung spätestens

durch das Oberlandesgericht rechtskräftig freigegeben worden ist, hat sich

durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 nichts geändert.

Nach der nun von dem II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs getroffenen

Entscheidung steht der Eintragung der Verschmelzung von Deutscher Telekom

und T-Online und damit dem Wirksamwerden dieser Maßnahme nichts mehr im

Wege. Mit den fortzusetzenden Klageverfahren vor dem LG Darmstadt können die

Kläger deswegen nicht mehr erreichen, dass die Verschmelzung rückgängig

gemacht wird. Ein zu ihren Gunsten ergehendes Urteil könnte vielmehr nur

Grundlage eines Schadenersatzanspruchs gegen die Deutsche Telekom sein (§

16 Abs. 3 Satz 6 UmwG).

Beschluss vom 29. Mai 2006 - II ZB 5/06

 

LG Darmstadt - Beschluss vom 29. November 2005 - 12 U 491/05 ./.

 

OLG Frankfurt/M - Beschluss vom 8. Februar 2006 - 12 W 185/05

 

Karlsruhe, den 2. Juni 2006

 

 

Bundesgerichtshof

 

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