Bundesgerichtshof: Keine Rechtsbeschwerde im Freigabeverfahren der Verschmelzung von Deutsche Telekom und T-Online
Bundesgerichtshof
In dem Streit um die Verschmelzung der T-Online International AG mit ihrer
Muttergesellschaft, der Deutsche Telekom AG, hat der für das
Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs jetzt
entschieden, dass die von dem OLG Frankfurt am Main gegen dessen
Freigabebeschluss zugelassene Rechtsbeschwerde unzulässig ist.
Die Deutsche Telekom hatte ihre Tochtergesellschaft T-Online im Jahre 2000
an die Börse gebracht. Nachdem zahlreiche Anleger zum Kurs von 27
T-Online-Aktien erworben hatten, sank der Kurs in der Folgezeit auf unter 10
. Im vergangenen Jahr beschloss der Telekom-Vorstand, das
Tochterunternehmen wieder von der Börse zu nehmen und auf die
Muttergesellschaft zu verschmelzen. Hintergrund für diese Maßnahme ist nach
Darstellung der Telekom die technische Entwicklung auf dem
Telekommunikationsmarkt, die zu einer Verzahnung von Telefondiensten und
Inter-netdiensten führen wird. Den Anlegern werden für 25 Aktien der
T-Online 13 Aktien der Telekom angeboten. Gegen diese von der
Hauptversammlung mit großer Mehrheit beschlossene Maßnahme haben eine Reihe
von Aktionären Klage erhoben. Sie halten die Verschmelzung für gesetz- und
satzungswidrig und machen in diesem Zusammenhang u. a. geltend, der
Telekom-Vorstand habe durch seine Informations- und Geschäftspolitik den
Kurs der Tochtergesellschaft bewusst gedrückt, so dass der Konzern sich nun
die Differenz zwischen dem hohen Ausgabekurs der T-Online-Aktie und dem
jetzigen niedrigen Wert der Aktie der Tochtergesellschaft pflichtwidrig
aneigne.
Wenn die beschlossene Verschmelzung erst vollzogen werden dürfte, nachdem
das langwierige Anfechtungs- und Nichtigkeitsverfahren rechtskräftig
erledigt worden ist, entstünden nach Darstellung der Telekom Verluste in
Millionenhöhe. Deshalb hat der Konzern gestützt auf den im Jahre 1994
eingeführten § 16 Abs. 3 UmwG das sog. Freigabeverfahren eingeleitet. Nach
dieser Bestimmung kann das Gericht anordnen, dass trotz anhängiger Klagen
die Verschmelzung in das Handelsregister eingetragen und damit unumkehrbar
wirksam wird. Voraussetzung ist, dass die Klagen unzulässig oder
offensichtlich unbegründet sind oder dass eine Interessenabwägung zugunsten
der beteiligten Unternehmen ausfällt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am
Main hat anders als das LG Darmstadt diese Freigabe ausgesprochen und
die Rechtsbeschwerde zugelassen. Dagegen haben 31 Aktionäre Rechtsbeschwerde
beim Bundesgerichtshof eingelegt.
Der für diese Verfahren zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
die Rechtsbeschwerden zurückgewiesen, weil anders als das OLG Frankfurt am
Main meint im Freigabeverfahren eine Rechtsbeschwerde nicht zulässig ist.
Der Gesetzgeber hat im Jahre 1994 dieses besondere Verfahren bewusst so
ausgestaltet, dass der Instanzenzug bei dem Oberlandesgericht endet. Denn es
ging im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli
1990 (BGHZ 112, 9) im wesentlichen darum, dem Missstand zu begegnen, dass
mit Rücksicht auf die typischerweise lange Dauer von
gesellschaftsrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsverfahren die
Durchführbarkeit der beschlossenen Maßnahme in Frage gestellt oder
unmöglich gemacht und außerdem die Gefahr heraufbeschworen wird, dass
einzelne Aktionäre die mit der Verzögerung entstehende Verhinderungsmacht
zweckwidrig zur Durchsetzung eigener verfahrensfremder Interessen
auszunutzen versuchen. Deswegen ist das Freigabeverfahren als besonderes
Eilverfahren ausgestaltet worden und endete mit der Entscheidung des
Oberlandesgerichts. An diesem bewährten Regelungssystem, das zur Folge hat,
dass die klagenden Aktionäre nur noch Ersatz des ihnen etwa entstandenen
Schadens verlangen können, wenn die Eintragung der Verschmelzung spätestens
durch das Oberlandesgericht rechtskräftig freigegeben worden ist, hat sich
durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 nichts geändert.
Nach der nun von dem II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs getroffenen
Entscheidung steht der Eintragung der Verschmelzung von Deutscher Telekom
und T-Online und damit dem Wirksamwerden dieser Maßnahme nichts mehr im
Wege. Mit den fortzusetzenden Klageverfahren vor dem LG Darmstadt können die
Kläger deswegen nicht mehr erreichen, dass die Verschmelzung rückgängig
gemacht wird. Ein zu ihren Gunsten ergehendes Urteil könnte vielmehr nur
Grundlage eines Schadenersatzanspruchs gegen die Deutsche Telekom sein (§
16 Abs. 3 Satz 6 UmwG).
Beschluss vom 29. Mai 2006 - II ZB 5/06
LG Darmstadt - Beschluss vom 29. November 2005 - 12 U 491/05 ./.
OLG Frankfurt/M - Beschluss vom 8. Februar 2006 - 12 W 185/05
Karlsruhe, den 2. Juni 2006
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