Bundesgerichtshof zu Verträgen über R-Gespräche

16.03.2006

Bundesgerichtshof

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über

Telekommunikationsdienstleistungsverträge zuständige III. Zivilsenat des

Bundesgerichtshofs hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

 

 

Die Klägerin, ein Unternehmen, das Telekommunikationsdienstleistungen

erbringt, verlangt von der Beklagten die Zahlung von Entgelten für so

genannte R-Gespräche in Höhe von 593,06 €. Bei diesen Telefonaten trägt

nicht der Anrufer, sondern der Angerufene die Kosten.

 

 

Die von der Klägerin vermittelten Gespräche kamen, wenn der Anruf von einem

Mobiltelefonnetz ausging, folgendermaßen zustande: Der Anrufer wählte eine

kostenlose, mit der Ziffernfolge 0800 beginnende Rufnummer der Klägerin

sowie die Nummer des Anschlusses, mit dem das Gespräch geführt werden

sollte und sprach seinen Namen. Die Klägerin stellte sodann die Verbindung

her. Der Angerufene hörte zunächst die gebührenfreie automatische Ansage

"Hallo, Sie haben ein R-Gespräch von (Name). Dieser Teilnehmer ruft Sie aus

dem deutschen Mobilnetz an. Möchten Sie dieses Gespräch für nur 2,9 Cent pro

Sekunde entgegennehmen, dann drücken Sie jetzt die Eins und die Zwei."

Folgte er dieser Aufforderung, wurde zum Anrufer durchgestellt. Unterließ

der Angerufene die Annahme, wurde die Verbindung für ihn kostenfrei beendet.

 

 

Die Beklagte unterhält einen Festnetzanschluss bei einem von der Klägerin

verschiedenen Telefonunternehmen, über den im Juni 2003 mehrere auf diese

Weise aus einem Mobilfunknetz vermittelte Telefonate geführt wurden. Gegen

die Entgeltforderung der Klägerin hat sich die Beklagte mit der Begründung

gewehrt, die Telefonate habe ihre seinerzeit 16-jährige Tochter geführt,

ohne hierfür eine Erlaubnis gehabt zu haben.

 

 

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung der

Klägerin ist die Beklagte zur Zahlung des verlangten Entgelts verurteilt

worden. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, auf die Frage,

wer die R-Gespräche geführt habe, komme es nicht an. Die Beklagte müsse sich

jedenfalls das Verhalten ihrer Tochter nach den Grundsätzen der

Anscheinsvollmacht zurechnen lassen.

 

 

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an

die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen, dass über die Behauptung der

Beklagten, nicht sie selbst, sondern ihre Tochter habe die Telefonate

geführt, Beweis zu erheben ist.

 

 

Der Inhaber eines Telefonanschlusses wird zwar aus den im Wege der Nutzung

seines Netzzugangs durch Dritte geschlossenen

Telekommunikationsdienstleistungsverträgen - über die Grundsätze der

Duldungs- und Anscheinsvollmacht sogar hinausgehend - verpflichtet, wenn er

die Inanspruchnahme des Anschlusses zu vertreten hat (§ 16 Abs. 3 Satz 3

TKV*). Gleichwohl haftet die Beklagte nicht, falls ihre Tochter die

R-Gespräche geführt hat. Den Anschlussinhaber trifft keine Obliegenheit,

durch technische Vorkehrungen die Entgegennahme von R-Gesprächen durch

Dritte über seinen Netzzugang zu verhindern. Die derzeit in Betracht

kommenden Maßnahmen, wie z.B. Sperre der eigenen Rufnummer bei dem Anbieter

von R-Gesprächen, Vollsperre des Anschlusses für Dritte, Tastensperre der

Ziffern 1 und 2, Einrichtung einer Warteschleife oder Ausschaltung des

Tonwahlverfahrens, sind zur Abwehr dieses Dienstangebots unzumutbar. Dies

mag sich ändern, wenn der Anschlussinhaber, wie es ein Gesetzentwurf

vorsieht, die Möglichkeit erhält, sich durch Aufnahme in eine bei der

Regulierungsbehörde geführte Sperrliste, die R-Gesprächsanbietern zur

Verfügung steht, vor diesem Dienst zu schützen. Die Beklagte war auch nicht

gehalten, ihrer Tochter vorsorglich die Entgegennahme von R-Gesprächen zu

verbieten, da dieser Dienst und dessen hohe Kostenträchtigkeit im

maßgebenden Zeitraum (Juni 2003) nach dem bisherigen Sach- und Streitstand

einem durchschnittlichen Telefonanschlussinhaber nicht geläufig sein

mussten.

 

 

Der III. Zivilsenat hat ferner entschieden, dass ein Recht auf Widerruf der

auf Abschluss eines Vertrages über die Herstellung eines R-Gesprächs

gerichteten Willenserklärung gemäß § 312d Abs. 3 BGB** nicht besteht, wenn

der Angerufene das Gespräch durch Wahl einer Tastenkombination am

Telefonapparat annimmt.

Das Berufungsgericht wird weiter, soweit es hierauf noch ankommen sollte, zu

prüfen haben, ob der von der Klägerin verlangte Preis wucherisch überhöht

ist.

Urteil vom 16. März 2006 – III ZR 152/05

 

AG Würzburg - Urteil vom 15. Februar 2005 – 16 C 2202/04 ./.

 

LG Würzburg - Urteil vom 29. Juni 2005 – 42 S 486/05

 

Karlsruhe, den 16. März 2006

*§ 16 Abs. 3 TKV: Nachweis der Entgeltforderungen

(3) Dem Anbieter obliegt der Nachweis, die Leistung bis zu der

Schnittstelle, an der der allgemeine Netzzugang dem Kunden bereitgestellt

wird, technisch einwandfrei erbracht und richtig berechnet zu haben. Ergibt

die technische Prüfung Mängel, die die beanstandete Entgeltermittlung

beeinflusst haben könnten, wird widerleglich vermutet, dass die

Verbindungsentgelte des Anbieters unrichtig ermittelt sind. Ist der Nachweis

erbracht, dass der Netzzugang in vom Kunden nicht zu vertretendem Umfang

genutzt wurde, oder rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass die Höhe der

Verbindungsentgelte auf Manipulationen Dritter an öffentlichen

Telekommunikationsnetzen zurückzuführen ist, ist der Anbieter nicht

berechtigt, die betreffenden Verbindungsentgelte vom Kunden zu fordern.

** § 312d BGB Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen (in der

hier maßgeblichen, 2003 geltenden Fassung)

(1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht

nach § 355 zu. Anstelle des Widerrufsrechts kann dem Verbraucher bei

Verträgen über die Lieferung von Waren ein Rückgaberecht nach § 356

eingeräumt werden.

(2)...

3) Das Widerrufsrecht erlischt bei einer Dienstleistung auch, wenn der

Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher

Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder

der Verbraucher diese selbst veranlasst hat.

(4) und (5) …

Bundesgerichtshof

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