Bundesgerichtshof zu Verträgen über R-Gespräche
Bundesgerichtshof
Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über
Telekommunikationsdienstleistungsverträge zuständige III. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Die Klägerin, ein Unternehmen, das Telekommunikationsdienstleistungen
erbringt, verlangt von der Beklagten die Zahlung von Entgelten für so
genannte R-Gespräche in Höhe von 593,06 . Bei diesen Telefonaten trägt
nicht der Anrufer, sondern der Angerufene die Kosten.
Die von der Klägerin vermittelten Gespräche kamen, wenn der Anruf von einem
Mobiltelefonnetz ausging, folgendermaßen zustande: Der Anrufer wählte eine
kostenlose, mit der Ziffernfolge 0800 beginnende Rufnummer der Klägerin
sowie die Nummer des Anschlusses, mit dem das Gespräch geführt werden
sollte und sprach seinen Namen. Die Klägerin stellte sodann die Verbindung
her. Der Angerufene hörte zunächst die gebührenfreie automatische Ansage
"Hallo, Sie haben ein R-Gespräch von (Name). Dieser Teilnehmer ruft Sie aus
dem deutschen Mobilnetz an. Möchten Sie dieses Gespräch für nur 2,9 Cent pro
Sekunde entgegennehmen, dann drücken Sie jetzt die Eins und die Zwei."
Folgte er dieser Aufforderung, wurde zum Anrufer durchgestellt. Unterließ
der Angerufene die Annahme, wurde die Verbindung für ihn kostenfrei beendet.
Die Beklagte unterhält einen Festnetzanschluss bei einem von der Klägerin
verschiedenen Telefonunternehmen, über den im Juni 2003 mehrere auf diese
Weise aus einem Mobilfunknetz vermittelte Telefonate geführt wurden. Gegen
die Entgeltforderung der Klägerin hat sich die Beklagte mit der Begründung
gewehrt, die Telefonate habe ihre seinerzeit 16-jährige Tochter geführt,
ohne hierfür eine Erlaubnis gehabt zu haben.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung der
Klägerin ist die Beklagte zur Zahlung des verlangten Entgelts verurteilt
worden. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, auf die Frage,
wer die R-Gespräche geführt habe, komme es nicht an. Die Beklagte müsse sich
jedenfalls das Verhalten ihrer Tochter nach den Grundsätzen der
Anscheinsvollmacht zurechnen lassen.
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an
die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen, dass über die Behauptung der
Beklagten, nicht sie selbst, sondern ihre Tochter habe die Telefonate
geführt, Beweis zu erheben ist.
Der Inhaber eines Telefonanschlusses wird zwar aus den im Wege der Nutzung
seines Netzzugangs durch Dritte geschlossenen
Telekommunikationsdienstleistungsverträgen - über die Grundsätze der
Duldungs- und Anscheinsvollmacht sogar hinausgehend - verpflichtet, wenn er
die Inanspruchnahme des Anschlusses zu vertreten hat (§ 16 Abs. 3 Satz 3
TKV*). Gleichwohl haftet die Beklagte nicht, falls ihre Tochter die
R-Gespräche geführt hat. Den Anschlussinhaber trifft keine Obliegenheit,
durch technische Vorkehrungen die Entgegennahme von R-Gesprächen durch
Dritte über seinen Netzzugang zu verhindern. Die derzeit in Betracht
kommenden Maßnahmen, wie z.B. Sperre der eigenen Rufnummer bei dem Anbieter
von R-Gesprächen, Vollsperre des Anschlusses für Dritte, Tastensperre der
Ziffern 1 und 2, Einrichtung einer Warteschleife oder Ausschaltung des
Tonwahlverfahrens, sind zur Abwehr dieses Dienstangebots unzumutbar. Dies
mag sich ändern, wenn der Anschlussinhaber, wie es ein Gesetzentwurf
vorsieht, die Möglichkeit erhält, sich durch Aufnahme in eine bei der
Regulierungsbehörde geführte Sperrliste, die R-Gesprächsanbietern zur
Verfügung steht, vor diesem Dienst zu schützen. Die Beklagte war auch nicht
gehalten, ihrer Tochter vorsorglich die Entgegennahme von R-Gesprächen zu
verbieten, da dieser Dienst und dessen hohe Kostenträchtigkeit im
maßgebenden Zeitraum (Juni 2003) nach dem bisherigen Sach- und Streitstand
einem durchschnittlichen Telefonanschlussinhaber nicht geläufig sein
mussten.
Der III. Zivilsenat hat ferner entschieden, dass ein Recht auf Widerruf der
auf Abschluss eines Vertrages über die Herstellung eines R-Gesprächs
gerichteten Willenserklärung gemäß § 312d Abs. 3 BGB** nicht besteht, wenn
der Angerufene das Gespräch durch Wahl einer Tastenkombination am
Telefonapparat annimmt.
Das Berufungsgericht wird weiter, soweit es hierauf noch ankommen sollte, zu
prüfen haben, ob der von der Klägerin verlangte Preis wucherisch überhöht
ist.
Urteil vom 16. März 2006 III ZR 152/05
AG Würzburg - Urteil vom 15. Februar 2005 16 C 2202/04 ./.
LG Würzburg - Urteil vom 29. Juni 2005 42 S 486/05
Karlsruhe, den 16. März 2006
*§ 16 Abs. 3 TKV: Nachweis der Entgeltforderungen
(3) Dem Anbieter obliegt der Nachweis, die Leistung bis zu der
Schnittstelle, an der der allgemeine Netzzugang dem Kunden bereitgestellt
wird, technisch einwandfrei erbracht und richtig berechnet zu haben. Ergibt
die technische Prüfung Mängel, die die beanstandete Entgeltermittlung
beeinflusst haben könnten, wird widerleglich vermutet, dass die
Verbindungsentgelte des Anbieters unrichtig ermittelt sind. Ist der Nachweis
erbracht, dass der Netzzugang in vom Kunden nicht zu vertretendem Umfang
genutzt wurde, oder rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass die Höhe der
Verbindungsentgelte auf Manipulationen Dritter an öffentlichen
Telekommunikationsnetzen zurückzuführen ist, ist der Anbieter nicht
berechtigt, die betreffenden Verbindungsentgelte vom Kunden zu fordern.
** § 312d BGB Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen (in der
hier maßgeblichen, 2003 geltenden Fassung)
(1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht
nach § 355 zu. Anstelle des Widerrufsrechts kann dem Verbraucher bei
Verträgen über die Lieferung von Waren ein Rückgaberecht nach § 356
eingeräumt werden.
(2)...
3) Das Widerrufsrecht erlischt bei einer Dienstleistung auch, wenn der
Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher
Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder
der Verbraucher diese selbst veranlasst hat.
(4) und (5)
Bundesgerichtshof
-Pressestelle-
pressestelle@bgh.bund.de
Angela Haasters
Herrenstraße 45a
76133 Karlsruhe
Tel.Nr. 0721-159-5013
Fax.Nr. 0721-159-5501