Bundesverfassungsgericht: Tag der offenen Tür – Verhandlung des Zweiten Senats am 22. November 2005 in Sachen Rücknahme einer durch Täuschung erwirkten Einbürgerung“

29.10.2005

Bundesverfassungsgericht

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am

Dienstag, 22. November 2005, 10.00 Uhr,

im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts,

Schlossbezirk 3, 76131 Karlsruhe

die Verfassungsbeschwerde eines Beschwerdeführers, der sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung

in den deutschen Staatsverband wendet.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer stammt aus Nigeria. Nachdem seine Ehefrau bereits 1997 durch Einbürgerung

deutsche Staatsangehörige geworden war, beantragte im November 1999 auch er seine Einbürgerung in

den deutschen Staatsverband. Dabei gab er an, bei einer Firma in Hanau beschäftigt zu sein, und legte

eine auf seinen Namen ausgestellte Bescheinigung der Firma über das Bestehen dieses Arbeitsverhältnisses

vor. Am 9. Februar 2000 wurde er eingebürgert.

In einem in der Folgezeit gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

stellte sich heraus, dass er bei der Firma in Hanau nicht bekannt, sondern eine andere Person dort unter

seinem Namen beschäftigt war. Im Februar 2002 nahm die zuständige Behörde daraufhin, gestützt auf §

48 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes, die Einbürgerung des Beschwerdeführers zurück. Die

Einbürgerung sei rechtswidrig gewesen, weil sie voraussetze, dass der Ausländer im Stande sei, sich und

seine Angehörigen zu ernähren. Dies sei tatsächlich nicht der Fall gewesen. Da der Beschwerdeführer

die Einbürgerungsbehörde durch Vorlage wissentlich falscher, entscheidungserheblicher Unterlagen über

das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses arglistig getäuscht habe, sei sein Vertrauen auf den Bestand der

Einbürgerung nicht schutzwürdig. Der Beschwerdeführer habe auch derzeit keinen Anspruch auf Einbürgerung,

da wegen der im Jahr 2001 erfolgten Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe die Einbürgerungsvoraussetzungen

nicht erfüllt seien. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer weiterhin

im Besitz der nigerianischen Staatsangehörigkeit sei, so dass er durch die Rücknahme seiner Einbürgerung

nicht staatenlos werde. Sollte er tatsächlich staatenlos werden, stünde dies im Übrigen nicht

im Gegensatz zum geltenden Recht, denn die Einbürgerung sei auf Grund arglistiger Täuschung vollzogen

worden, so dass kein schutzwürdiges Vertrauen bestehe.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage des Beschwerdeführers blieb vor den Fachgerichten erfolglos.

Das Verbot der Entziehung der Staatsangehörigkeit in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG sei als Reaktion

auf die im nationalsozialistischen Staat praktizierte Aberkennung der Staatsangehörigkeit aus rassischen,

politischen oder religiösen Gründen entstanden; es solle gezielte Zwangsausbürgerungen verhindern. Den

Fall der Rücknahme einer durch bewußte Täuschung erwirkten Einbürgerung habe der Verfassungsgeber

nicht im Blick gehabt. In derartigen Fällen stehe daher Artikel 16 Abs. 1 GG der Rücknahme nicht

entgegen. Dies gelte auch für den Fall eintretender Staatenlosigkeit. Neben dem Anliegen der Vermeidung

von Staatenlosigkeit sei gleichermaßen auch der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu

berücksichtigen. Auf die - im gerichtlichen Verfahren nicht geklärte - Frage, ob der Beschwerdeführer

durch die Rücknahme der Einbürgerung staatenlos geworden ist, komme es daher nicht an.

Wortlaut des Artikel Art. 16 Abs. 1 GG:

Art. 16 (Ausbürgerung, Auslieferung)

(1) 1Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. 2Der Verlust der

Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen

nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

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