Bundesverfassungsgericht: Tag der offenen Tür – Verhandlung des Zweiten Senats am 23. November 2005 in Sachen „Wohnungsdurchsuchung bei Richterin“

29.10.2005

Bundesverfassungsgericht

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am

Mittwoch, 23. November 2005, 10.00 Uhr,

im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts,

Schlossbezirk 3, 76131 Karlsruhe

die Verfassungsbeschwerde einer Richterin, die sich gegen die Anordnung der Durchsuchung ihrer

Wohnung wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen wendet.

Sachverhalt:

Seit Mitte 2002 ermittelten örtliche Polizeibehörden in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt,

dem Bundeskriminalamt und einer US-amerikanischen Polizeibehörde gegen zwei Beschuldigte wegen

des Verdachts der Planung eines Anschlags auf eine US-Einrichtung in Heidelberg oder die Heidelberger

Innenstadt. Am 5. September 2002 wurden die beiden Beschuldigten vorläufig festgenommen. Die

Staatsanwaltschaft beantragte den Erlass von Haftbefehlen und leitete die Ermittlungsakten am Vormittag

des 6. September 2002 der Ermittlungsrichterin (Beschwerdeführerin) zu. Zwischen 12.00 Uhr und

12.30 Uhr führte diese die Beschuldigtenvernehmung in Anwesenheit eines Verteidigers durch und erließ

anschließend die beantragten Haftbefehle.

Zwischen 13.30 Uhr und 14.30 Uhr riefen ein für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ tätiger Reporter

und später auch ein Reporter des Nachrichtenmagazins „Focus“ in der Kanzlei des Verteidigers eines

der Beschuldigten an, um sich nach dem Ermittlungsverfahren zu erkundigen. Zwischen 16.00 Uhr und

16.30 Uhr wandten sich Journalisten der Nachrichtenagentur AP und der Bild-Zeitung mit entsprechenden

Anfragen an die Pressestelle des Landeskriminalamtes, das zu diesem Zeitpunkt keine Auskünfte

erteilte. Ab 18.15 Uhr berichteten verschiedene Medien unter Berufung auf Berichte in der Bild-Zeitung

von dem Ermittlungsverfahren.

Nachdem die Staatsanwaltschaft erfahren hatte, dass die Ermittlungsrichterin und der für den Spiegel

tätige Reporter einander persönlich bekannt waren, leitete sie gegen die Ermittlungsrichterin ein Ermittlungsverfahren

wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen ein und ließ eine Vielzahl

von Personen befragen – auch im Arbeitsumfeld der Beschwerdeführerin, die selbst nicht vernommen

wurde und die einzige Beschuldigte blieb. Die Überprüfung der Verbindungsdaten der – unter anderem –

von der Ermittlungsrichterin benutzten gerichtlichen und privaten Telekommunikationsanschlüsse ergab

jedoch keine Verbindungsaufnahme zu dem Journalisten. Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft

beim Amtsgericht den Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen für die Wohnung und das Dienstzimmer der

Ermittlungsrichterin. Das Amtsgericht lehnte die beantragten Beschlüsse ab, da der Kreis der Personen,

die als Informanten der Presse in Frage kämen, zu groß sei, um einen konkreten Tatverdacht gegen die

Ermittlungsrichterin begründen zu können. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin ordnete das

Landgericht fast fünf Monate nach dem mutmaßlichen Tatzeitraum am 28. Januar 2003 die Durchsuchung

der Wohnung und des Dienstzimmers der Ermittlungsrichterin an sowie die Beschlagnahme ihrer

Computer, von Ablichtungen aus den Ermittlungsakten und von Einzelverbindungsnachweisen ihres Mobiltelefons.

Die Durchsuchungen blieben ergebnislos.

Die gegen die Durchsuchungsanordnung gerichtete Beschwerde der Ermittlungsrichterin lehnte das

Landgericht ab. Diesen Beschluss hob die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts

am 5. Februar 2004 wegen Verstoßes gegen das Recht auf rechtliches Gehör auf und verwies die

Sache an das Landgericht zurück (Aktenzeichen 2 BvR 1621/03; Pressemitteilung Nr. 20/2004 vom

27. Februar 2004).

Mit Beschluss vom 12. Oktober 2004 lehnte das Landgericht eine Feststellung, die Durchsuchung sei

rechtswidrig gewesen, erneut ab.

Vorbringen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Durchsuchungsbeschluss des Landgerichts vom 28.

Januar 2003, wobei sie ihre Verfassungsbeschwerde ausdrücklich auf die Maßnahmen, die ihre Privatwohnung

betreffen, beschränkt. Sie rügt unter anderem eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses

(Art. 10 Abs. 1 GG). Der Durchsuchungsbeschluss habe dem Zugriff auf die gespeicherten Verbindungsdaten

ihres E-Mail-Verkehrs sowie auf die Einzelverbindungsnachweise ihres Mobilfunkgeräts

gedient. Der Schutz des Art. 10 Abs. 1 GG erstrecke sich nicht nur auf den fernmeldetechnischen Übermittlungsvorgang

als solchen; vielmehr seien auch die in den Endgeräten gespeicherten Verbindungsdaten,

die beim Nutzer vorhandenen Einzelverbindungsnachweise und auf dem Computer gespeicherte

Kommunikationsnachweise, insbesondere E-Mails, vom Schutz des Fernmeldegeheimnisses umfasst.

Eine Beschränkung des Schutzbereichs des Art. 10 Abs. 1 GG auf den Übermittlungsvorgang werde der

technischen Entwicklung nicht gerecht, weil viele Leistungen der heute üblichen Endgeräte nicht vollständig

im Machtbereich des Nutzers lägen. Auch aus der Aktivierung von Zugangssperren (PIN und Passwort)

werde deutlich, dass der Betroffene auch in seiner Sphäre an der Vertraulichkeit des Fernmeldeverkehrs

festhalten wolle. Der Zugriff auf die Verbindungsdaten wäre demzufolge nur unter den engen –

hier nicht erfüllten – Voraussetzungen der §§ 100 g StPO und 100 h StPO zulässig gewesen.

Interessierte Bürgerinnen und Bürger, die an der Verhandlung teilnehmen wollen, melden sich bitte

schriftlich an (Postfach 1771, 76006 Karlsruhe, z. Hd. v. Herrn Kambeitz; Fax: 0721/9101461). Bei

der Anmeldung sind Name, Vorname, Geburtsdatum und eine Telefon- oder Faxnummer anzugeben.

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