BVerfG: Ausschluss einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes von den Anpassungsregelungen zum Versorgungsausgleich ist verfassungsgemäß

13.06.2014

Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass § 32 des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG) die Anrechte aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes von den Anpas-sungsregelungen zum Versorgungsausgleich wegen Unterhalts oder Todes ausschließt. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden. Die Einbeziehung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in den Anwendungsbereich dieser Anpassungsvorschriften wäre verfassungsrechtlich zulässig, ist aber weder aufgrund des Eigentumsgrundrechtes (Art. 14 GG) noch aufgrund des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich geboten. Die Entscheidung ist mit 7:1 Stimmen ergangen; der Richter Gaier hat ein Sondervotum abgegeben.

Sachverhalt und Verfahrensgang:

1. Im Ausgangsverfahren zur konkreten Normenkontrolle (1 BvL 9/12) hatte der Ehemann unter anderem eine unverfallbare Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung bei der Versor-gungsanstalt des Bundes und der Länder erworben. Die Rente des Ehemanns bei der Versorgungsanstalt wurde durch den Versorgungsausgleich anlässlich der Scheidung zugunsten der Ehefrau gekürzt. Zugleich zahlte der Ehemann an seine geschiedene Ehefrau nachehelichen Unterhalt. Die Ehefrau war ohne eigenes Einkommen und erfüllte die Voraussetzungen für den eigenen Rentenbezug noch nicht. Die Voraussetzungen des § 33 VersAusglG, wonach die Rentenkürzung auf Seiten des Ehemanns im Hinblick auf die Unterhaltsverpflichtung ausgesetzt werden kann, lagen im Grundsatz vor. Jedoch führt der in § 32 VersAusglG bestimmte Anwendungsbereich dieser Vorschrift die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nicht auf. Im Berufungsverfahren hielt das Oberlandesgericht diese Beschränkung des § 32 VersAusglG für unvereinbar mit Art. 14 Abs. 1 GG und legte das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vor.

2. Im Fall der Verfassungsbeschwerde (1 BvR 1145/13) hatte der Beschwerdeführer aus der Pflichtversicherung bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg eine unverfallbare Anwartschaft auf eine Versorgungsrente erworben. Die Rente des Ehemanns bei der Versorgungsanstalt wurde durch den Versorgungsausgleich anlässlich der Scheidung zugunsten der Ehefrau gekürzt. Die Ehefrau starb, nachdem sie weniger als 36 Monate Leistungen aus der übertragenen Altersversorgung bezogen hatte. Somit lägen die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Rentenkürzung auf Seiten des Ehemanns gemäß § 37 VersAusglG vor, wenn § 32 VersAusglG dies für Anrechte aus Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes nicht ausschlösse. Die entsprechende Klage des Beschwerdeführers gegen die Zusatzversorgungskasse blieb vor dem Landgericht und vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

1. Es verstößt nicht gegen das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG, dass Anrechte aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nach § 32 VersAusglG von der Anwendung der Anpassungsregelungen der §§ 33 und 37 VersAusglG ausgenommen sind.

a) Der Versorgungsausgleich führt zu Kürzungen der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Renten und Anwartschaften der ausgleichspflichtigen Person und zur Übertragung entsprechender eigenständiger Anrechte auf die ausgleichsberechtigte Person. Die Regelungen über den Versorgungsausgleich bestimmen aber in grundsätzlich verfassungskonformer Weise Inhalt und Schran-ken des verfassungsrechtlichen Eigentums an Renten und Versorgungsanwartschaften.

b) Die Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung von Anrechten aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in den Versorgungsausgleich hängt nicht davon ab, dass eine Anpassungsregelung die Aussetzung der Kürzung für den Fall des sogenannten Vorversterbens der ausgleichsberechtigten Person ermöglicht (vgl. § 37 VersAusglG).

aa) Die betroffenen Alters- und Invaliditätsversorgungssysteme verteilen individuelle Risiken des Einzelnen auf eine Vielzahl von Versorgungsempfängern und folgen insofern dem Versicherungsgedanken. Es liegt in der Natur dieser Anrechte, dass deren Inhaber aufgrund individueller Entwicklungen ihrer persönlichen Lebensschicksale verglichen mit dem statistisch durchschnitt-lich erwartbaren Maß an Versorgungsleistungen entweder weniger oder mehr erhalten. Weil die Versorgungssysteme konzeptionell an einem ungewissen Ereignis ausgerichtet sind, verfehlt die Alters- und Invaliditätsvorsorge ihren Zweck nicht dadurch, dass es im konkreten Einzelfall zu keiner oder einer statistisch betrachtet geringeren Leistung kommt. Nichts anderes folgt aus Art. 14 GG. Der eigentumsrechtliche Schutz der Anwartschaft aus der Sozialversicherung sichert ein Stammrecht auf eine Rente, nicht aber die späteren tatsächlichen Leistungen, weil sich die späteren konkreten Rentenzahlungen nach der dann geltenden Gesetzeslage, nach dem tatsächlichen Renteneintritt und nach der Gesamtbezugszeit der Rente bestimmen. Sie sind zur Zeit der Auftei-lung der Anwartschaften durch den Versorgungsausgleich noch nicht bezifferbar.

bb) Nach Durchführung des Versorgungsausgleichs setzt sich das versicherungstypische Risiko statistisch unterdurchschnittlicher Leistungen zwangsläufig in beiden Hälften des geteilten Anrechts auf je eigene Weise fort. Erhält die ausgleichsberechtigte Person aufgrund ihres konkreten Versicherungsverlaufs im statistischen Vergleich zum Durchschnitt weniger Leistungen aus dem übertragenen Anrecht, realisiert sich darin das typische Versicherungsrisiko allein der ausgleichs-berechtigten Person. Für die ausgleichspflichtige Person ist dies ohne Bedeutung, denn die im Versorgungsausgleich zwischen den Geschiedenen geteilten Versorgungsanrechte sind ab der Teilung voneinander unabhängig. Eine von Verfassungs wegen korrekturbedürftige Zweckverfeh-lung des Versorgungsausgleichs liegt hierin nicht.

cc) Die ausgleichspflichtige Person erbringt auch nicht etwa ein Opfer, das im Einzelfall in Gestalt tatsächlich erbrachter Versorgungsleistungen dem geschiedenen Ehegatten zugutekommen müsste, ansonsten aber seine Rechtfertigung verlöre. Als Opfer ist die versorgungsausgleichbedingte Kürzung bei der ausgleichspflichtigen Person deshalb nicht anzusehen, weil mit der Tei-lung lediglich die seit Ehebeginn angelegte materielle Zuordnung der Anrechte zu beiden Ehe-partnern auch rechtstechnisch nachvollzogen wird. Während der Ehe werden zwar formal be-trachtet beide Ehepartner alleinige Inhaber der jeweils aufgrund ihrer Beiträge begründeten Versorgungsanrechte. Jedoch erwerben sie diese Anrechte während der Ehezeit wirtschaftlich be-trachtet nicht allein zu dem Zweck, ihr eigenes Auskommen zu sichern. Die eigentumsrechtliche Position der ausgleichspflichtigen Person ist daher von vornherein durch die Ehe mitbestimmt und gebunden.

dd) Wenn es im Fall des Vorversterbens nicht zur Aussetzung der Kürzung bei der ausgleichspflichtigen Person kommt, liegt darin auch keine Bereicherung der Versichertengemeinschaft. Dies käme in Betracht, wenn die Regelungen über den Versorgungsausgleich strukturell - und nicht bloß angesichts des individuellen Versicherungsverlaufs im Einzelfall - dazu führten, dass die Geschiedenen in der Summe weniger Leistungen erhielten als die anderen Versicherten. Das ist jedoch nicht der Fall.

ee) Die in § 37 VersAusglG getroffene Anpassungsregelung und deren Anwendung auf Anrechte aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes mögen nach wie vor wünschenswert erscheinen. Dieser Standpunkt findet im Sondervotum Ausdruck. Ein verfassungsrechtliches Gebot folgt daraus indessen nicht. Die 1980 formulierte - freilich schon damals im Senat nicht einhellige - Position des Bundesverfassungsgerichts zur Notwendigkeit einer entsprechenden Härteregelung ist im historischen Urteilskontext zu sehen. Der Versorgungsausgleich wurde zeitgleich mit einer Reform des Scheidungsrechts eingeführt, die das Verschuldens- und Zerrüttungsprinzip ersetzte. Beide Reformen waren seinerzeit stark umstritten. Mit zwei Urteilen vom selben Tag erklärte das Bundesverfassungsgericht sowohl das neue Scheidungsrecht als auch den Versorgungsausgleich für verfassungsgemäß. Dass dabei Konstellationen benannt wurden, in denen der Gesetzgeber Regelungen zur Abfederung des neuen Systems zu treffen habe, dürfte die verfassungsrechtliche Bestätigung der grundlegenden Eherechtsreform im Entscheidungszeitpunkt erleichtert haben. Zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleichs sind Härteregelungen für die damals erörterten Fallgestaltungen, die einen Ausgleich letztlich zulasten der Versichertenge-meinschaften schafften, jedenfalls heute nicht mehr geboten.

c) Die Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung von Anrechten aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in den Versorgungsausgleich hängt auch nicht davon ab, dass eine Anpassungsregelung die Kürzung für den Fall ausschließt, dass die ausgleichspflichtige Person trotz ihrer gekürzten Rente zu Unterhaltsleistungen an die ausgleichsberechtigte Person verpflichtet ist (vgl. § 33 VersAusglG).

aa) Der Gedanke, die spürbare Kürzung bei der ausgleichspflichtigen Person müsse sich, um mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar zu sein, für die ausgleichsberechtigte Person angemessen auswirken, ist hier von vornherein nicht relevant. Denn die ausgleichsberechtigte Person erhält die ihr zustehenden Anteile an den Versorgungsanrechten und wird daraus - wie in allen anderen Fällen auch - nach Eintritt des Versorgungsfalls die ihr zustehenden Versorgungsleistungen beziehen.

bb) Die ausgleichspflichtige Person wird zwar durch das Zusammentreffen der Rentenkürzung und der Unterhaltsverpflichtung in ihrer Lebensführung weiter eingeschränkt, da sie den Unterhalt aus insgesamt geringeren Einkünften bestreiten muss. Dies unterscheidet sie jedoch nicht von sonstigen Unterhaltsverpflichteten, die trotz Minderung ihrer Einkünfte, aber fortbestehender Leistungsfähigkeit zur Unterhaltszahlung verpflichtet bleiben. Das Unterhaltsrecht schützt die ausgleichspflichtige Person insofern vor Härten, als es einen - über dem Existenzminimum liegenden - Selbstbehalt des Unterhaltsverpflichteten sichert. Ein verfassungsrechtliches Erfordernis, darüber hinausgehend die versorgungsausgleichsbedingte Kürzung der Versorgungsanrechte auszusetzen, lässt sich aus Art. 14 GG nicht ableiten.

cc) Dass die ausgleichsberechtigte Person vor ihrem eigenen Renteneintritt unter Umständen wegen des Selbstbehalts der ausgleichspflichtigen Person geringere Unterhaltsleistungen erhält als sie ohne den Versorgungsausgleich bezöge, führt zu keiner anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung. Die durch den Versorgungsausgleich erworbenen Anrechte der ausgleichsberechtigten Person bleiben unberührt. Der Versorgungsausgleich erfüllt seinen Zweck, der berechtigten Per-son hälftige Teilhabe an den während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten zu sichern.

Die aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG folgende Legitimation des Versorgungsausgleichs verleiht kein grundrechtlich geschütztes Recht darauf, dass der Anspruch auf Ehegattenunterhalt trotz des Versorgungsausgleichs der Höhe nach unvermindert bleibt. Obwohl dies derzeit faktisch mehr geschiedene Frauen als Männer trifft, liegt darin auch kein Verstoß gegen das Gleichberech-tigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Halbteilung der An-rechte gerade der damals wie heute in größerem Umfang für die Familienarbeit aufkommenden Ehefrau nach der Scheidung eine eigenständige Versorgung sichern wollen. Damit hat der Gesetzgeber den Grundsatz verwirklicht, dass in der Ehe Erwirtschaftetes grundsätzlich beiden Ehe-gatten gleichermaßen zusteht.

Indessen ist es von Verfassungs wegen nicht verboten, die Kürzung der Versorgung der ausgleichspflichtigen Person auch in diesen Fällen auszusetzen. Das soziale Gestaltungsziel des Gesetzgebers, versorgungsausgleichsbedingte Unterhaltseinbußen der ausgleichsberechtigten Person zu vermeiden, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht ein legitimes Ziel der in § 33 VersAusglG ge-troffenen Anpassungsregelung, das eine Erstreckung dieser Regelung auf Anrechte aus der Zu-satzversorgung des öffentlichen Dienstes grundsätzlich tragen könnte.

2. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

a) Bei der Entscheidung, welche Versorgungsanrechte den Anpassungsregelungen der §§ 33, 37 VersAusglG unterliegen sollen und welche nicht, kommt dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu. An die vom Gesetzgeber verfolgten Sachgründe sind keine besonders strengen Anforderungen zu stellen, weil Art. 14 Abs. 1 GG nicht beeinträchtigt wird und weil die in § 32 VersAusglG getroffene Differenzierung nach der Art des Versorgungsträgers erfolgt, nicht aber nach persönlichen oder sonstigen Merkmalen, deren Verwendung eine Diskriminierungsgefahr begründen könnte.

b) Dass Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nach § 32 VersAusglG von den Anpassungsregeln der §§ 33, 37 VersAusglG ausgeschlossen sind, beruht auf einem hinreichenden Sachgrund. Die Unterscheidung ist Ausdruck der legitimen versorgungspolitischen Gestaltungsentscheidung des Gesetzgebers, die Alters- und Invaliditätsversorgung auf eine stärker sozial geprägte Regelversorgung einerseits und auf eine stärker ökonomisch auf Kostenvermeidung bedachte Zusatzversorgung andererseits zu stützen. Der Gesetzgeber hat die in § 32 VersAusglG genannten Versorgungen als „Regelsicherungssysteme“ bezeichnet und mit den in §§ 33 ff. VersAusglG getroffenen Anpassungsregelungen durch Elemente wechselseitiger Lastentragung ausgestaltet. Die verbleibenden Versorgungen hat er als „ergänzende Altersversorgung“ bezeichnet und von den Kosten der Anpassungsvorschriften frei gehalten. Dass der Gesetzgeber verschiedene Versorgungssysteme in unterschiedlichem Maße dem Gedanken der wechselseitigen Verantwortung und des sozialen Ausgleichs einerseits und dem der Kostenvermeidung anderer-seits unterwirft, begegnet keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Abweichende Meinung des Richters Gaier:

Die Entscheidung zeigt, dass nicht jede für sich genommen stringente juristische Argumentation vor sozialer Härte schützen kann. Zwar mag die Lösung des Senatsbeschlusses vertretbar sein, aber sie ist damit nach den Maßstäben des Grundgesetzes noch nicht die richtige. Auch heute ist die Rechtsprechung des Senats zu Art. 14 GG noch immer überzeugend, wonach die Grenze des Zumutbaren überschritten ist, wenn den Grundrechtsträgern ein „sinnloses Opfer“ abverlangt wird. Dies ist in den hier zur Überprüfung stehenden Konstellationen der Fall. Es wäre daher nicht weniger vertretbar gewesen, an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Notwendigkeit von Härteregelungen beim Versorgungsausgleich festzuhalten und da-mit die von den Betroffenen durch langjährige Arbeit verdienten und als Eigentum geschützten Renten- und Versorgungsanwartschaften zu erhalten. Stehen aber hiernach mehrere Lösungswege offen, so verlangt die Verfassung der Auslegung einer Grundrechtsnorm den Vorzug zu geben, die ihre Wirkungskraft am stärksten entfaltet. Da der Senatsbeschluss dies nicht beachtet, stimme ich ihm weder hinsichtlich der Begründung noch hinsichtlich des Ergebnisses zu.

Ein Verzicht auf die Härteregelungen ist auch nicht etwa angebracht, um das gesellschaftspolitisch und im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit gebotene Institut des Versorgungsausgleichs nicht zu gefährden. Die Ausnahmen für die hier geprüften Härtefälle berühren nämlich die berechtigten Ziele des Versorgungsausgleichs in keiner Weise. Die güterrechtliche Teilung gemeinsam erwirtschafteter Versorgungsanrechte wie das Ziel der Unterhaltssicherung bleiben unangetastet. Den - noch immer typischerweise ausgleichsberechtigten - geschiedenen Ehefrauen wird nichts genommen. Im Gegenteil werden sie in nicht wenigen Fällen davor bewahrt, sich auf staatliche Unterstützung und insbesondere Leistungen der Sozialhilfe verweisen zu lassen.

Ein vor Art. 14 GG nicht hinnehmbares „sinnloses Opfer“ ist im Fall des nur kurzfristigen Bezugs einer Altersrente nach dem Tod des Ausgleichsberechtigten gegeben, wenn dies zur Folge hat, dass der Ausgleichspflichtige weiterhin auf die gekürzte Altersversorgung verwiesen wird; dem begegnen die Vorschriften über die „Anpassung wegen Tod der ausgleichsberechtigten Person“ (§§ 37, 38 VersAusglG). Sie vermeiden, dass der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck einer güterrechtlichen Trennung verfehlt wird. Denn im Unterschied zu den im Wege des Zugewinnausgleichs geteilten Gütern lassen sich die in Versorgungsanrechten repräsentierten Vermögenswerte nicht vererben. Sie verbleiben nach dem Versterben nicht vererbbares Vermögen des Ausgleichsberechtigten, sondern verlieren sich in Form ersparter Leistungen in dem jeweiligen Sozialversicherungs- und Versorgungssystem.

Erst recht entbehrt die Kürzung der Altersversorgung jeglichen Sinns, wenn Ausgleichsberechtigte, die noch keine Leistungen aus übertragenen Versorgungsanrechten erhalten, auf Unterhaltszahlungen der ausgleichsverpflichteten früheren Ehepartner angewiesen sind, die diese aus den aufgrund des vollzogenen Versorgungsausgleichs gekürzten eigenen Versorgungsbezügen aufbringen müssen. In dieser Situation bleiben den Berechtigten bis zum eigenen Rentenbezug nicht nur die Vorteile des Versorgungsausgleichs vorenthalten, sie können durch die Trennung der Anwartschaften sogar noch darüber hinaus eklatant benachteiligt werden, wenn sich ihre Unterhaltsansprüche aufgrund des reduzierten Leistungsvermögens der Verpflichteten mindern oder sogar gänzlich ausgeschlossen werden. Dass angesichts der oftmals geringen Höhe der Altersbezüge hier schnell Mangelfälle im Sinne des § 1581 BGB eintreten werden, liegt auf der Hand. Da es der Unterhaltspflichtige nicht hinnehmen muss, dass er aufgrund seiner Unterhaltsleistungen selbst sozialhilfebedürftig würde, müsste sich dann aber sein geschiedener Ehegatte auf Sozialhil-fe oder sonstige Leistungen der staatlichen Fürsorge verweisen lassen. Dem begegnen derzeit noch die Vorschriften zur „Anpassung wegen Unterhalt“ (§§ 33, 34 VersAusglG). Sie ermögli-chen eine zeitweise Aussetzung der Kürzung maximal in Höhe des Unterhaltsanspruchs. Auf die-se Weise wird nicht nur sichergestellt, dass das gesetzgeberische Ziel einer Gütertrennung er-reicht wird, es wird auch eine Verfehlung des Unterhaltszwecks vermieden.

Mit der nun getroffenen Entscheidung werden im einen Fall eine wesentliche sowie im anderen Fall eine geradezu existentielle Härteregelung ohne Not zur Disposition des Gesetzgebers gestellt. Immerhin wurden damit keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Fortbestand dieser Vorschriften in der gegenwärtigen Form formuliert. Es bleibt daher zu hoffen, dass der Gesetzgeber die Gefahr von Altersarmut für nicht wenige Betroffene erkennt und deshalb der Versuchung widersteht, die genannten Bestimmungen zu streichen.

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