BVerfG: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidung zur Veröffentlichung von Ergebnissen einer Lebensmittelkontrolle

19.08.2025

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts einer Verfassungs beschwerde stattgegeben, soweit sie sich gegen eine gerichtli che Eilentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu einer be absichtigten Veröffentlichung von Informationen über einen Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften („Lebensmit telpranger“) richtet.

Die Kammer stellt in ihrem Beschluss fest, dass der Verwaltungs gerichtshof bei seiner Auslegung und Anwendung von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetz buchs (LFGB), wonach die Öffentlichkeit „unverzüglich“ über le bensmittelrechtliche Verstöße zu informieren ist, die Beschwer deführerin in ihrer Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt hat. Die Kammer hat den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs aufgehoben und die Sache zur er neuten Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurück verwiesen.

Sachverhalt:

Bei der Untersuchung einer der Betriebsstätten der Beschwer deführerin stellte das zuständige Ordnungsamt zahlreiche Ver stöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften fest. Gegen die geplante Veröffentlichung der Feststellungen im Internet stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Gewährung einstwei ligen Rechtsschutzes, welchen das Verwaltungsgericht ab lehnte. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Verwal tungsgerichtshof – nachdem das Verfahren mehr als 14 Monate in der Beschwerdeinstanz anhängig war – zurück. Es führte un ter anderem aus, dass die geplante Veröffentlichung noch „un verzüglich“ im Sinne der Regelung des LFGB sei, wenn die zeitli che Verzögerung maßgeblich auf der Zurückstellung der Veröf fentlichung seitens der Behörde während eines laufenden ge richtlichen Eilverfahrens beruhe.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entschei dung des Verwaltungsgerichtshofs richtet, ist sie zulässig und begründet. Die Auslegung und Anwendung des Tatbestands merkmals „unverzüglich“ durch den Verwaltungsgerichtshof werden der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht in jeder Hinsicht gerecht.

So kann eine – wie hier beabsichtigte – Veröffentlichung von Rechtsverstößen im Internet für betroffene Unternehmen von großem Gewicht sein. Eine derart weithin einsehbare und leicht zugängliche Veröffentlichung kann zu einem erheblichen Ver lust des Ansehens und zu Umsatzeinbußen führen, was im Ein zelfall bis hin zur Existenzvernichtung reichen kann.

Zwar ist bei der Beantwortung der Frage, ob eine Veröffentli chung noch unverzüglich erfolgt, die zeitliche Verzögerung, die maßgeblich auf der Zurückstellung der Veröffentlichung seitens der Behörde aufgrund eines laufenden gerichtlichen Eilverfah rens beruht, grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit gebietet es aber mit Blick auf die Gesamtdauer des Verfahrens mit einzubeziehen, ob und inwieweit sich in dem Verfahren eingetretene zeitliche Ver zögerungen nach den Umständen des Einzelfalls noch als ange messen erweisen.

Eine diesen Anforderungen entsprechende einzelfallbezogene Abwägung lässt die angegriffene Entscheidung vermissen. So berücksichtigt der Verwaltungsgerichtshof schon nicht, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits rund 17 Monate seit der Feststellung des lebensmittelrechtlichen Verstoßes vergan gen waren. Eine Veröffentlichung konnte daher schon wegen der langen zeitlichen Verzögerung ihren Zweck nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr in einer Aktualität erreichen, der den Ein griff in das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen konnte. Je weiter der festgestellte Verstoß ge gen lebensmittelrechtliche Gebote zeitlich entfernt ist, desto geringer ist noch der objektive Informationswert seiner Verbrei tung, weil sich vom Verstoß in der Vergangenheit objektiv im mer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unter nehmens schließen lässt. Gleichzeitig nimmt die Grundrechts belastung mit zunehmendem Abstand zwischen dem festge stellten Verstoß und der Veröffentlichung zu. Zwar kann die Durchführung eines gerichtlichen Eilverfahrens die Unverzüg lichkeit einer Veröffentlichung grundsätzlich nicht in Frage stel len. Damit aber, ob und inwieweit dies auch dann gelten kann, wenn – wie hier – das gerichtliche Eilverfahren allein in der Be schwerdeinstanz mehr als 14 Monate dauert, setzt sich der Ver waltungsgerichtshof nicht auseinander. Dies hätte sich aber an gesichts dieser Dauer aufdrängen müssen, zumal es weder er sichtlich ist, dass die zeitliche Verzögerung der Sphäre der Be schwerdeführerin zuzurechnen sein könnte, noch sachliche Gründe erkennbar sind, die die eingetretene zeitliche Verzöge rung nach den Umständen des Einzelfalls noch als angemessen erscheinen lassen könnten.

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