BVerfG: Krankenhausvorbehalt bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen teilweise verfassungswidrig

27.11.2024

Mit heute verkündetem Urteil hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 1906a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der bis 31. Dezember 2022 geltenden Fassung (a.F.) und die wortlautidentische ab 1. Januar 2023 geltende Vorschrift des § 1832 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BGB (n.F.) teilweise mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar sind. Die ausnahmslose Vorgabe, ärztliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus durchzuführen, ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber ist zur Neuregelung spätestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 verpflichtet. Bis zu einer Neuregelung gilt das bisherige Recht fort.Widerspricht eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff dem natürlichen Willen eines Betreuten (ärztliche Zwangsmaßnahme), kann ein Betreuer in die ärztliche Zwangsmaßnahme einwilligen. Die Einwilligung, die der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf, setzt nach der bisherigen Regelung unter anderem die Durchführung der ärztlichen Zwangsmaßnahme im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus voraus.Dieser Krankenhausvorbehalt ist mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 GG unvereinbar, soweit Betreuten aufgrund der ausnahmslosen Vorgabe, ärztliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus durchzuführen, erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit drohen. Dies gilt nur, wenn zugleich zu erwarten ist, dass diese Beeinträchtigungen in der Einrichtung, in der die Betreuten untergebracht sind und in welcher der Krankenhausstandard im Hinblick auf die konkret erforderliche medizinische Versorgung einschließlich der Nachversorgung voraussichtlich nahezu erreicht wird, vermieden oder jedenfalls signifikant reduziert werden können, ohne dass andere Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit oder einer anderen grundrechtlich geschützten Position mit vergleichbarem Gewicht drohen.Die Entscheidung ist mit 5 : 3 Stimmen ergangen. Richter Wolff hat ein Sondervotum abgegeben.

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