Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Verweigerung von BAföG nach Fachrichtungswechsel
Bundesverfassungsgericht
Der Beschwerdeführer studierte ab dem Wintersemester 1996/1997 vier Semester Zahnmedizin. Ihm
wurden Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) gewährt. Bereits während
seines Studiums entschloss er sich, Humanmedizin zu studieren. Seine Bewerbungen um einen Studienplatz
waren jedoch wegen der bestehenden Zulassungsbeschränkung zunächst erfolglos. Zum Wintersemester
1998/1999 wurde der Bf zur Humanmedizin zugelassen. Unter Anrechnung der in der Zahnmedizin
erbrachten Leistungen wurde er in das dritte Fachsemester eingereiht. Den Antrag des Bf auf weitere
Förderung nach dem BAföG lehnte das Förderungsamt mit der Begründung ab, er habe erst nach dem
vierten Fachsemester gewechselt. Seine hiergegen gerichtete Klage wurde in letzter Instanz vom Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG) abgewiesen.
Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hob das Urteil des BVerwG auf, da
es den Bf in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (Allgemeiner Gleichheitssatz) verletzt. Die Sache
wurde an das BVerwG zurückverwiesen.
Rechtlicher Hintergrund:
§ 7 Abs. 3 BAföG regelt, ob ein Auszubildender, der eine förderungsfähige Ausbildung abgebrochen
oder die Fachrichtung gewechselt hat, für eine andere Ausbildung Leistungen der Ausbildungsförderung
erhält. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG in der Fassung von 1996 (im Folgenden: a.F.) ist bei
Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen die Förderung einer anderen
Ausbildung nur möglich, wenn der Wechsel der Fachrichtung bis zum Beginn des dritten Fachsemesters
erfolgt. Von der Förderungshöchstdauer des neuen Studiums wird die in der nicht beendeten Ausbildung
verbrachte Zeit abgezogen.
(§ 7 Abs. 3 BAföG sieht nunmehr vor, dass die Förderung einer anderen Ausbildung möglich ist, wenn
der Wechsel der Fachrichtung zum Beginn des vierten Fachsemesters erfolgt).
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. benachteiligt in der Auslegung, die ihr das
Bundesverwaltungsgericht gegeben hat, den Bf gegenüber jenen Studenten, die ohne Anrechnung der im
ersten Studium erbrachten Leistungen zum Beginn des dritten Fachsemesters wechseln. Diese Benachteiligung
des Bf ist nicht durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt.
Der Gesetzgeber hatte § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. vor allem damit begründet, dass der
Auszubildende im Interesse eines sinnvollen Einsatzes der Fördermittel angehalten werden müsse, sich
vor Beginn des dritten Fachsemesters darüber klar zu werden, ob die Ausbildung in einer bestimmten
Fachrichtung seinen Neigungen und seinem Leistungsvermögen entspricht. Diese Erwägung trägt die
rechtliche Benachteiligung des Bf. nicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich sein
Neigungswandel bereits im ersten Fachsemester vollzogen. Ein Wechsel in das Wunschstudium gelang
ihm allein wegen der dort vorhandenen Zulassungsbeschränkung erst nach dem vierten Fachsemester.
Darüber hinaus dauerte die Förderung der Vergleichsgruppen insgesamt gleich lang: Ein Student, der
ohne Anrechnung von Leistungen zum dritten Fachsemester wechselte, wurde für zwei Semester der
Erstausbildung und für die Förderungshöchstdauer der anderen Ausbildung gefördert. Demgegenüber
erhielt der Bf zwar für vier Semester seines ersten Studiums Förderungsleistungen; dafür wäre aber die
Förderungshöchstdauer des neuen Studiums wegen der Anrechnung um zwei Semester gekürzt worden.
§ 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. ist daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass
ein Student die Fachrichtung auch dann noch bis zum Beginn des dritten Fachsemesters wechselt,
wenn er zwar mehr als zwei Semester in der bisherigen Fachrichtung studiert hat, unter Berücksichtigung
der Anrechnung dieser Fachsemester aber die maßgebliche Zeitschwelle nicht überschreitet.
Beschluss vom 24. August 2005 1 BvR 309/03
Karlsruhe, den 14. September 2005