Insolvenz eines abgespaltenen Unternehmens und Kündigung durch den Insolvenzverwalter wegen Betriebsstilllegung

23.09.2005

Bundesarbeitsgericht

Die Klägerin war seit 1997 bei der Schuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin als Hilfskraft

im Druckereibereich beschäftigt. Die Schuldnerin wurde im August 2001 zusammen mit

weiteren Unternehmen aus dem ursprünglichen Unternehmen ausgegliedert. Die ursprüngliche

Arbeitgeberin blieb als Holding-Gesellschaft bestehen. Vor der Aufspaltung hatte die

frühere Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung geschlossen, in der ua.

für die Dauer von zwei Jahren betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen wurden. Der

Betriebsrat blieb in dem nach der Spaltung gebildeten Gemeinschaftsbetrieb der ausgegliederten

Unternehmen im Amt. Am 19. September 2002 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens

über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Der Beklagte wurde zum vorläufigen

Insolvenzverwalter bestellt. Unter dem 19. November 2002 hörte die Schuldnerin - durch

den Geschäftsführer und den vorläufigen Insolvenzverwalter - den Betriebsrat zur in Aussicht

genommenen Kündigung aller Arbeitnehmer/-innen wegen Betriebsstilllegung an. Das Insolvenzverfahren

wurde am 28. November 2002 eröffnet. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter

bestellt. Am selben Tag schlossen der Betriebsrat und der Insolvenzverwalter einen

Interessenausgleich mit Namensliste. Mit Schreiben vom 28. November 2002 kündigte

der Beklagte sämtliche Arbeitsverhältnisse.

Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage der Klägerin abgewiesen. Ihre

Revision blieb erfolglos.

§ 113 Insolvenzordnung (InsO), wonach der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis ohne

Rücksicht auf einen vereinbarten Ausschluss des Rechts auf ordentliche Kündigung mit einer

Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen kann, verdrängt Unkündbarkeitsklauseln

in Betriebsvereinbarungen. Auch § 323 Abs. 1 Umwandlungsgesetz (UmwG), nach dem im

Fall einer Unternehmensspaltung sich die kündigungsrechtliche Stellung der betroffenen

Arbeitnehmer auf Grund der Spaltung für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt ihres

Wirksamwerdens nicht verschlechtert, steht dem nicht entgegen. Bei insolvenzbedingter

Stilllegung des Betriebes des abgespaltenen Unternehmens kann trotz § 323 UmwG wirksam

gekündigt werden.

Wird der zu kündigende Arbeitnehmer in der Namensliste des Interessenausgleichs namentlich

genannt, kann die soziale Auswahl nach § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO nur auf grobe Fehlerhaftigkeit

überprüft werden. Hinsichtlich der Sozialauswahl ist nicht auf die Verhältnisse vor

Wirksamwerden der Spaltung abzustellen. Von einer im abgespaltenen Unternehmen getroffenen

Unternehmerentscheidung werden die Arbeitnehmer in den übrigen Unternehmen

nicht erfasst, wenn im Zeitpunkt der Kündigung kein Gemeinschaftsbetrieb mehr besteht. Es

bedarf dann keiner unternehmensübergreifenden Sozialauswahl.

Soll der Betrieb auf Grund des durch den vorläufigen Insolvenzverwalter erstatteten Gutachtens

stillgelegt werden, reicht es für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats iSv.

§ 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) aus, wenn die Anhörung zu der nach der Insolvenzeröffnung

vorgesehenen Kündigung schon durch den Geschäftsführer der Schuldnerin

und den vorläufigen Insolvenzverwalter erfolgt, sofern dieser auch zum endgültigen Insolvenzverwalter

bestellt wird.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. September 2005 - 6 AZR 526/04 -

 

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München vom 21. September 2004 - 11 Sa 26/04 -

 

Vgl. auch Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 22. September 2005 - 6 AZR 527, 533, 534,

547, 569/04 -

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