Meinungsverschiedenheiten zwischen dem II. und XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in Fällen kreditfinanzierten Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds beigelegt
Bundesgerichtshof
Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des
Bundesge-richtshofs hatte über verschiedene Klagen zu entscheiden, in denen
es um kreditfinanzierte Beteiligungen von Verbrauchern an geschlossenen
Immobi-lienfonds ging. Die Fonds waren in der Rechtsform von Gesellschaften
bür-gerlichen Rechts gegründet worden. Geschäftsgegenstand war die
Errichtung und Vermietung von Gebäuden. Die Anleger waren jeweils von
Vermittlern geworben worden, sich zu Steuersparzwecken an den Fonds zu
beteiligen. Der Beitritt sollte über Bankkredite finanziert werden.
In zwei Fällen erfolgten der Fondsbeitritt und die Aufnahme der
Finanzie-rungskredite, die durch Grundschulden an Grundstücken des Fonds
gesichert waren, durch Treuhänder, denen die Anleger umfassende notarielle
Vollmach-ten erteilt hatten. Außerdem hatten sie die Treuhänder zusätzlich
in einem von ihnen selbst unterzeichneten Zeichnungsschein beauftragt, den
Beitritt zu dem Immobilienfonds zu bewirken und die erforderlichen
Finanzierungskredite aufzunehmen. Die Treuhänder verfügten nicht über eine
Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz, soweit diese erforderlich war.
In zwei Fällen wurden die Darlehensverträge durch die Anleger selbst
abge-schlossen. Bei diesen Darlehen handelte es sich nicht um durch
Grundschul-den gesicherte Kredite. Nur in einem Fall erfolgte der Abschluss
durch den Anleger in einer Haustürsituation.
In den zur Entscheidung stehenden Fällen haben sich Rechtsfragen gestellt,
die der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs aus seiner Zuständigkeit für
das Darlehens- und Verbraucherkreditrecht und der II. Zivilsenat als der für
das Gesellschaftsrecht zuständige Senat des Bundesgerichtshofs in der
Vergan-genheit unterschiedlich gesehen haben. Beide Senate haben die dadurch
hervorgerufenen Differenzen und Lösungsmöglichkeiten miteinander einge-hend
erörtert. Dabei hat sich erwiesen, dass die spezifisch
gesellschaftsrecht-lichen Fragen, die nach Meinung beider Senate in der
Vergangenheit zu der Befassung des II. Zivilsenats mit Fällen der
kreditfinanzierten Fondsbeteili-gungen geführt haben, zwischenzeitlich
geklärt worden sind (BGHZ 156, 46 ff.) und nunmehr auch in den heute
entschiedenen Fällen die die Primär-zuständigkeit des XI. Zivilsenats
begründenden darlehens- und verbraucher-kreditrechtlichen Probleme im
Vordergrund stehen. Den hierzu von dem XI. Zivilsenat entwickelten Lösungen
widerspricht der II. Zivilsenat vor allem im Hinblick auf die Ausführungen
des XI. Zivilsenats in dem Rechtsstreit XI ZR 106/05 (unter IV 3. 5.), die
die mögliche Haftung der Bank für bestimmte Fallkonstellationen betreffen,
nicht.
Dementsprechend werden die in den heute entschiedenen Fällen aufgetrete-nen
einschlägigen Fragen von dem XI. Zivilsenat wie folgt beantwortet:
1. Der Erwerb eines Immobilienfondsanteils und das Darlehen, das zur
Finan-zierung dieses Erwerbes dient und nicht von der Sicherung durch ein
Grund-pfandrecht abhängig ist, sind ein verbundenes Geschäft im Sinne von §
9 Abs. 1 VerbrKrG, wenn zwischen beiden Verträgen eine wirtschaftliche
Ein-heit besteht. Eine wirtschaftliche Einheit wird unwiderleglich vermutet,
wenn der Kreditvertrag nicht aufgrund eigener Initiative des Kreditnehmers
zustan-de kommt, der von sich aus die Bank um Finanzierung seines
Anlagege-schäfts ersucht, sondern deshalb, weil der Vertriebsbeauftragte des
Anlage-vertreibers dem Interessenten zugleich mit den Anlageunterlagen einen
Kre-ditantrag des Finanzierungsinstituts vorgelegt hat, das sich zuvor dem
Anla-gevertreiber gegenüber zur Finanzierung bereit erklärt hatte
(Bestätigung von BGHZ 156, 46 ff. (II. Zivilsenat) und Senatsurteil vom 23.
September 2003 XI ZR 135/02, WM 2003, 2232 f.).
Ist ein Darlehensnehmer durch falsche Angaben zum Erwerb einer
Fondsbe-teiligung bewogen worden, kann er bei Vorliegen eines verbundenen
Ge-schäfts im Sinne von § 9 Abs. 1 VerbrKrG auch der die Fondsbeteiligung
fi-nanzierenden Bank seine Ansprüche gegen die Fondsgesellschaft
entgegen-halten und gemäß § 9 Abs. 3 VerbrKrG die Rückzahlung des Kredits
verwei-gern, soweit ihm gegen die Fondsgesellschaft ein Abfindungsanspruch
zu-steht (Bestätigung von BGHZ 156, 46 ff. (II. Zivilsenat) und Senatsurteil
vom 23. September 2003 XI ZR 135/02, WM 2003, 2232 f.).
Darüber hinaus kann er den mit dem Anlagevertrag gemäß § 9 Abs. 1 VerbrKrG
verbundenen Darlehensvertrag nach § 123 BGB anfechten, wenn die Täuschung
auch für dessen Abschluss kausal war. Den daneben beste-henden Anspruch aus
Verschulden bei Vertragsschluss gegen den Vermittler kann der
Darlehensnehmer ebenfalls gegen die kreditgebende Bank geltend machen, da
der Vermittler bei einem verbundenen Geschäft nicht Dritter im Sinne von §
123 Abs. 2 BGB ist.
Dagegen kann er Ansprüche gegen Gründungsgesellschafter, Fondsinitiato-ren,
maßgebliche Betreiber, Manager und Prospektherausgeber dem
Rück-zahlungsverlangen der Bank nicht gemäß § 9 Abs. 3 VerbrKrG
entgegenset-zen (Abweichung von BGHZ 159, 280 ff.; 159, 294 ff., II.
Zivilsenat).
Wird ein Darlehensvertrag nach § 1 Abs. 1 HWiG widerrufen und bildet er mit
dem finanzierten Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft im Sinne von § 9
Abs. 1 VerbrKrG, erfordert der Zweck der gesetzlichen Widerrufsregelung,
dass dem Darlehensgeber nach Widerruf kein Zahlungsanspruch gegen den
Darlehensnehmer zusteht. Die Rückabwicklung hat in diesem Falle unmittel-bar
zwischen dem Kreditgeber und dem Partner des finanzierten Geschäfts zu
erfolgen (Bestätigung von BGHZ 133, 254 ff., XI. Zivilsenat). Der
Kreditneh-mer kann die von ihm selbst auf das Darlehen gezahlten Beträge vom
Kredit-geber zurückverlangen, nicht aber die ihm zugeflossenen
Fondsausschüttun-gen.
2. Die Annahme eines verbundenen Geschäfts im Sinne des § 9 Abs. 1 VerbrKrG
scheidet aus, wenn es sich bei dem Darlehensvertrag um einen
Re-alkreditvertrag im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG handelt. Ein
solcher liegt auch dann vor, wenn nicht der Erwerber, sondern der Fonds das
Grund-pfandrecht bestellt hat (Abweichung von BGHZ 159, 294 ff., II.
Zivilsenat; Fortsetzung von BGHZ 161, 15 ff., XI. Zivilsenat).
3. Für den Empfang eines Darlehens im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG
ist es unerheblich, ob ein verbundenes Geschäft vorliegt. Daher wird auch in
Fällen, in denen Darlehensvertrag und Fondsbeitritt ein verbun-denes
Geschäft gemäß § 9 Abs. 1 VerbrKrG darstellen, ein wegen fehlender
Gesamtbetragsangabe nichtiger Darlehensvertrag gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1
VerbrKrG gültig, wenn dem Kreditnehmer die Darlehensvaluta nicht direkt
zu-geflossen, sondern vertragsgemäß unmittelbar an einen Treuhänder zum
Er-werb des Fondsanteils ausgezahlt worden ist (Abweichung von BGHZ 159, 294
ff., II. Zivilsenat)
Auch für die Frage, ob in den Fällen nichtiger Vollmacht des gegen das
Rechtsberatungsgesetz verstoßenden Treuhänders zugunsten der kreditge-benden
Bank eine Rechtsscheinhaftung nach §§ 171, 172 BGB eingreift, kommt es nicht
darauf an, ob Kreditvertrag und Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft im
Sinne des § 9 VerbrKrG sind (Abweichung von BGHZ 159, 294 ff., II.
Zivilsenat; Fortsetzung von BGHZ 161, 15 ff., XI. Zivilsenat).
4. Sofern die dem Treuhänder erteilte umfassende Vollmacht wegen Versto-ßes
gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksam ist, kann der Treuhänder zum
Abschluss des Darlehensvertrages für den Anleger gleichwohl befugt sein,
wenn ihm in einem Zeichnungsschein gesondert Vollmacht erteilt ist und
dieser Zeichnungsschein der Bank vorgelegt worden ist.
Die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25.
Oktober 2005 (NJW 2005, 3551 ff. Schulte und NJW 2005, 3555 ff.
Crailsheimer Volksbank) zu den Folgen einer unterbliebenen
Widerrufsbeleh-rung nach der Haustürgeschäfterichtlinie waren für die
ergangenen Urteile nicht von Bedeutung, weil es sich in drei Fällen nicht um
Haustürgeschäfte gehandelt hat und weil der Anleger im vierten Fall bereits
nach der Securenta-Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (BGHZ 133, 254 ff.)
vor den Risiken eines kreditfinanzierten verbundenen Geschäfts geschützt
wird.
Urteile vom 25. April 2006
XI ZR 193/04
LG Ravensburg, Urteil vom 29. Januar 2004 2 O 328/03
OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Mai 2004 6 U 30/04
XI ZR 29/05
Amtsgericht Hamburg-Altona, Urteil vom 27. Juni 2002 317 C 90/02
Landgericht Hamburg, Urteil vom 20. Januar 2005 327 S 112/02
XI ZR 106/05
LG Mosbach, Urteil vom 26. Oktober 2004 2 O 155/04
OLG Karlsruhe, Urteil vom 23. Mai 2005 6 U 244/04
XI ZR 219/04
Landgericht München I, Urteil vom 23. September 2003 28 O 11074/03
OLG München, Urteil vom 17. Juni 2004 19 U 5236/03
Karlsruhe, den 25. April 2006
Bundesgerichtshof
-Pressestelle-
pressestelle@bgh.bund.de
Angela Haasters
Herrenstraße 45a
76133 Karlsruhe
Tel.Nr. 0721-159-5013
Fax.Nr. 0721-159-5501