Präsident des Bundesarbeitsgerichts a. D. Professor Dr. Thomas Dieterich verstorben

10.05.2016

Am 6. Mai 2016 ist der vierte Präsident des Bundesarbeitsgerichts Prof. Dr. Thomas Dieterich im 81. Lebensjahr in Kassel verstorben.

Prof. Dr. Dieterich wurde im Jahre 1934 in Hirschberg/Schlesien geboren. Nach Studium in Heidelberg und Göttingen wurde er mit einer wegweisenden Arbeit zu den betrieblichen Normen nach dem Tarifvertragsgesetz promoviert. Im März 1963 trat er in die baden-württembergische Arbeitsgerichtsbarkeit ein.

Bereits im November 1972 wurde er zum Richter am Bundesarbeitsgericht berufen. Dort war er vor allem im Dritten Senat tätig und wirkte an grundlegenden Entscheidungen zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei der betrieblichen Altersversorgung mit. Nach seinem Wechsel in den Ersten Senat trugen dessen Leitentscheidungen zur Rechtmäßigkeit von Aussperrungen und der damit verbundenen grundrechtsbezogenen richterrechtlichen Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts seine Handschrift.

Im Jahre 1980 übernahm er den Vorsitz des Dritten Senats. In diese Zeit fielen richtungsgebende Entscheidungen zum Recht der betrieblichen Altersversorgung, vor allem zur Durchsetzung des Verbots der mittelbaren Diskriminierung von Frauen und zur ablösenden Betriebsvereinbarung.

Im Jahre 1986 wurde er zum Honorarprofessor an der Georg-August-Universität Göttingen bestellt und im November 1987 zum Richter des Bundesverfassungsgerichts ernannt. Dort war er insbesondere für das Berufsrecht zuständig. Als Verfassungsrichter brachte er wichtige Entscheidungen auf den Weg, so zur sogenannten Bürgenhaftung, mit der die Risiken von Bürgschaften unerfahrener und wirtschaftlicher schwacher Personen begrenzt wurden.

Im Februar 1994 wurde Prof. Dr. Dieterich zum Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts berufen und übernahm den Vorsitz des Ersten Senats, den er bis zu seinem Ruhestand Mitte des Jahres 1999 innehatte. In dieser Zeit prägte er maßgeblich die Rechtsprechung zum Arbeitskampfrecht im Lichte von Art. 9 Abs. 3 GG und zu kollektivrechtlichen Unterlassungsansprüchen.

In seiner Amtszeit als Präsident begleitete er mit besonderem Engagement und Erfolg die Errichtung des Neubaus des Bundesarbeitsgerichts auf dem Petersberg in Erfurt und bereitete den Umzug von Kassel nach Erfurt im November 1999 vor.

Prof. Dr. Dieterich war in vielen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Institutionen tätig. Bereits im Ruhestand, wurde er von der Bundesregierung zum Vorsitzenden der Kommission zur Klärung der Fragen von „Scheinselbständigkeit“ berufen. Die Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit und die Betätigung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkoalitionen haben ihn weiterhin intensiv beschäftigt und zu Publikationen veranlasst, die bis heute Einfluss auf die Entwicklung des kollektiven Arbeitsrechts nehmen.

Prof. Dr. Dieterich war eine große Richterpersönlichkeit, der Unbefangenheit, Unabhängigkeit und Gesetzesbindung der rechtsprechenden Gewalt ein hohes Gut waren. Offen für gegensätzliche Positionen und mit Sensibilität für soziale Entwicklungen waren es für ihn die Grundrechte, an denen sich Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung zu orientieren hatten. Auch als Wissenschaftler stellte er deren Bedeutung für das Arbeitsrecht in den Mittelpunkt seines Wirkens. Seine Konzeptionen zum Arbeitskampfrecht und zum Ausgleich ungleicher Kräfteverhältnisse im Vertragsrecht bleiben zukunftsweisend. Er war auch einer der Ersten, der dazu beigetragen hat, die vielfältigen beruflichen Benachteiligungen von Frauen zu benennen und ihnen mit den Mitteln des Rechts zu begegnen. Mit der Kraft seiner Argumente hat er die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in zentralen Fragen des Arbeitsrechts geprägt und ihr Beachtung und Anerkennung verschafft.

Das Streben nach einem angemessenen Ausgleich der starken Interessengegensätze im Arbeitsrecht und ein darauf gründender sozialer Friede waren seine Anliegen. Dem Dienst am Recht und an den Rechtsuchenden sah er sich verpflichtet. Das Bundesarbeitsgericht verliert mit seinem ehemaligen Präsidenten einen vorbildlichen Richter, einen hoch geschätzten Kollegen und klugen Streiter für die Belange des Arbeitsrechts.

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