Rechts- und Parteifähigkeit liechtensteinischer Kapitalgesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland
Bundesgerichtshof
Die Klägerin ist eine nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein
gegründete und seit 1992 im Handelsregister des Öffentlichkeitsregisteramtes
in Vaduz eingetragene Aktiengesellschaft, deren Geschäftstätigkeit über
weite Zeiträume in der Bundesre-publik Deutschland stattfand. In einem
deutschen Handelsregister ist die Gesell-schaft nicht eingetragen. Im Jahr
1997 gewährte sie der nunmehrigen Gemein-schuldnerin, über deren Vermögen
nach vorheriger Sequestration das Insolvenzver-fahren am 14. Juli 1999
eröffnet worden ist, ein Darlehen für den Erwerb eines Mietshauses und ließ
sich als Sicherheit die Mietzinsforderungen aus dem Objekt abtreten. Wie
sich aus der im Rechtsstreit erteilten Auskunft des beklagten
Konkurs-verwalters ergibt, hat dieser von seiner Bestellung als Sequester an
(12. Januar 1999) bis zum 31. Juli 1999 Mieten in einer Gesamthöhe von
(umgerechnet) 12.529,94 erhalten. Diesen Betrag fordert die Klägerin von
dem Beklagten.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin
nach dem Ergebnis einer durchgeführten Beweisaufnahme ihren Verwaltungssitz
in Deutsch-land gehabt habe und mangels Eintragung in einem deutschen
Handelsregister hier nicht rechtsfähig sei. Das Oberlandesgericht hat
unter Rückgriff auf die im EWR-Abkommen statuierte Niederlassungsfreiheit
sowie die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften (sog. Überseering-Entscheidung) der Klägerin die
Rechtsfähigkeit zugebilligt und der Klage - unter Zulassung der Re-vision -
stattgegeben.
Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs teilt die Auffassung des Berufungsgerichts zur
Zulässigkeit der Klage. Auch er hält die Klägerin für rechts- und
parteifähig und stützt sich dabei u. a. auf sein am 14. März 2005 (II ZR
5/03, ZIP 2005, 805) ergangenes Urteil. Dort hatte er ausgesprochen, dass
die in einem Vertragsstaat der Europäischen Gemeinschaft wirksam
gegründe-ten Gesellschaften im Inland rechts- und parteifähig sind.
Dieselben Prinzipien gelten auch für eine in einem EFTA-Staat gegründete
Kapitalgesellschaft. Art. 31 des von Deutschland ratifizierten EWR-Abkommens
regele die Niederlassungsfreiheit in ver-gleichbarer Weise wie dies in Art.
43 des EG-Vertrages geschehen sei, so dass eine einschränkende Auslegung im
Verhältnis zu einem EFTA-Staat ausscheide. Densel-ben Standpunkt nehme auch
der EFTA-Gerichtshof ein, der seinerseits den Gleich-klang seiner
Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit mit derjenigen des Ge-richtshofs
der Europäischen Gemeinschaften betont habe.
Ob die Klägerin indessen von dem Beklagten Ersatz für die eingezogenen
Mieten fordern kann, hängt aus insolvenzrechtlichen Gründen von der Frage
ab, ob die Mie-ten während der Zeit der Sequestration oder erst nach
Eröffnung des Insolvenzver-fahrens gezahlt worden sind. Diese bisher im
Rechtsstreit übersehene Frage muss noch tatrichterlich geklärt werden;
deswegen hat der II. Zivilsenat den Rechtsstreit an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Urteil v. 19. September 2005 II ZR 372/03
LG Limburg - 1 O 154/00 ./. OLG Frankfurt - 23 U 35/02
Karlsruhe, den 20. September 2005
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