Rechts- und Parteifähigkeit liechtensteinischer Kapitalgesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland

20.09.2005

Bundesgerichtshof

Die Klägerin ist eine nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein

gegründete und seit 1992 im Handelsregister des Öffentlichkeitsregisteramtes

in Vaduz eingetragene Aktiengesellschaft, deren Geschäftstätigkeit über

weite Zeiträume in der Bundesre-publik Deutschland stattfand. In einem

deutschen Handelsregister ist die Gesell-schaft nicht eingetragen. Im Jahr

1997 gewährte sie der nunmehrigen Gemein-schuldnerin, über deren Vermögen

nach vorheriger Sequestration das Insolvenzver-fahren am 14. Juli 1999

eröffnet worden ist, ein Darlehen für den Erwerb eines Mietshauses und ließ

sich als Sicherheit die Mietzinsforderungen aus dem Objekt abtreten. Wie

sich aus der im Rechtsstreit erteilten Auskunft des beklagten

Konkurs-verwalters ergibt, hat dieser von seiner Bestellung als Sequester an

(12. Januar 1999) bis zum 31. Juli 1999 Mieten in einer Gesamthöhe von

(umgerechnet) 12.529,94 € erhalten. Diesen Betrag fordert die Klägerin von

dem Beklagten.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin

nach dem Ergebnis einer durchgeführten Beweisaufnahme ihren Verwaltungssitz

in Deutsch-land gehabt habe und – mangels Eintragung in einem deutschen

Handelsregister – hier nicht rechtsfähig sei. Das Oberlandesgericht hat

unter Rückgriff auf die im EWR-Abkommen statuierte Niederlassungsfreiheit

sowie die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen

Gemeinschaften (sog. Überseering-Entscheidung) der Klägerin die

Rechtsfähigkeit zugebilligt und der Klage - unter Zulassung der Re-vision -

stattgegeben.

Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des

Bundesgerichtshofs teilt die Auffassung des Berufungsgerichts zur

Zulässigkeit der Klage. Auch er hält die Klägerin für rechts- und

parteifähig und stützt sich dabei u. a. auf sein am 14. März 2005 (II ZR

5/03, ZIP 2005, 805) ergangenes Urteil. Dort hatte er ausgesprochen, dass

die in einem Vertragsstaat der Europäischen Gemeinschaft wirksam

gegründe-ten Gesellschaften im Inland rechts- und parteifähig sind.

Dieselben Prinzipien gelten auch für eine in einem EFTA-Staat gegründete

Kapitalgesellschaft. Art. 31 des von Deutschland ratifizierten EWR-Abkommens

regele die Niederlassungsfreiheit in ver-gleichbarer Weise wie dies in Art.

43 des EG-Vertrages geschehen sei, so dass eine einschränkende Auslegung im

Verhältnis zu einem EFTA-Staat ausscheide. Densel-ben Standpunkt nehme auch

der EFTA-Gerichtshof ein, der seinerseits den Gleich-klang seiner

Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit mit derjenigen des Ge-richtshofs

der Europäischen Gemeinschaften betont habe.

Ob die Klägerin indessen von dem Beklagten Ersatz für die eingezogenen

Mieten fordern kann, hängt aus insolvenzrechtlichen Gründen von der Frage

ab, ob die Mie-ten während der Zeit der Sequestration oder erst nach

Eröffnung des Insolvenzver-fahrens gezahlt worden sind. Diese bisher im

Rechtsstreit übersehene Frage muss noch tatrichterlich geklärt werden;

deswegen hat der II. Zivilsenat den Rechtsstreit an das Berufungsgericht

zurückverwiesen.

Urteil v. 19. September 2005 – II ZR 372/03

 

LG Limburg - 1 O 154/00 ./. OLG Frankfurt - 23 U 35/02

 

Karlsruhe, den 20. September 2005

 

 

Bundesgerichtshof

 

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