Rechtsschutz der Aktionäre gegen unrechtmäßiges, kompetenz-überschreitendes Handeln der Organe der Aktiengesellschaft bei der Ausübung des genehmigten Kapitals (Mangusta/Commerzbank I und II)
Bundesberichtshof
Der II. Zivilsenat hatte über die Revisionen einer Minderheitsaktionärin in
zwei Kla-geverfahren gegen die Commerzbank im Zusammenhang mit der Ausübung
des genehmigten Kapitals durch deren Vorstand zu entscheiden.
Die Hauptversammlung der beklagten Bank hatte ihren Vorstand rechtswirksam
er-mächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Grundkapital gegen Bar-
und gegen Sacheinlagen bis zu bestimmten Höchstnennbeträgen zu erhöhen und
dabei jeweils das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen. Von diesen
Ermächtigungen machte der Vorstand der Beklagten mit Zustimmung des
Aufsichtsrats Gebrauch. Die Kapi-talerhöhungen wurden in das Handelsregister
eingetragen, nachdem die klagende Aktionärin vergeblich versucht hatte, dies
auf dem Wege einstweiligen Rechtsschut-zes zu verhindern.
1. Das von der Klägerin daraufhin mit dem Ziel angestrengte
Hauptsacheverfahren, der Beklagten weitere Ausübungen des noch nicht voll
ausgeschöpften genehmigten Kapitals durch den Vorstand ohne dessen
vorherigen schriftlichen Bericht an die Ak-tionäre zu untersagen, war in
allen drei Rechtszügen erfolglos.
Der II. Zivilsenat (II ZR 148/03) hat entschieden, dass der Vorstand im
Rahmen des genehmigten Kapitals (§§ 202 ff. AktG) nicht verpflichtet ist,
vor Ausübung der Er-mächtigung zur Kapitalerhöhung und zum
Bezugsrechtsausschluss die Aktionäre (schriftlich) über den Ausschluss des
Bezugsrechts und dessen Gründe zu unterrich-ten; vielmehr ist er - wie der
Senat bereits in seinem Grundsatzurteil Siemens/Nold (BGHZ 136, 133; vgl.
dazu Presseerklärung Nr. 41/1997) ausgesprochen hat - ledig-lich gehalten,
nach Inanspruchnahme der Ermächtigung über die Einzelheiten seines Vorgehens
auf der nächsten ordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft zu berichten
und Rede und Antwort zu stehen.
2. Im Parallelrechtsstreit (II ZR 90/03) hat die Klägerin die mit Zustimmung
des Auf-sichtsrats gefassten Vorstandsbeschlüsse über die mit dem
Bezugsrechtsausschluss verbundenen Kapitalerhöhungen gestaffelt mit der
(aktienrechtlichen) Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsfeststellungsklage sowie
der (allgemeinen) Feststellungsklage an-gegriffen. Die Vorinstanzen haben
sämtliche Klageanträge als unzulässig abgewie-sen.
Demgegenüber hat der II. Zivilsenat die hilfsweise verfolgte allgemeine
Feststel-lungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO - auch noch nach der Eintragung
der Kapital-erhöhungen im Handelsregister und der Ausgabe der neuen Aktien -
für zulässig er-achtet und insoweit die Sache an die Vorinstanz zur
Nachholung der gebotenen Sachprüfung zurückverwiesen.
Hat der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats bei der Ausnutzung des
ge-nehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss unter Verstoß gegen seine
Amts-pflichten Entscheidungen getroffen, die von den gesetzlichen Vorgaben
und/oder dem Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung nicht gedeckt
sind, so kann der dadurch in seinen Mitgliedschaftsrechten beeinträchtigte
Aktionär - wie der Senat bereits in dem Grundsatzurteil Siemens/Nold (BGHZ
136, 133) entschieden hat - das pflichtwidrige Organhandeln zum Gegenstand
nicht nur einer (vorbeugenden) Unterlassungsklage, sondern auch einer
(allgemeinen) Feststellungsklage machen, die jeweils gegen die Gesellschaft
zu richten sind.
Maßgebliche Erwägung für die Zulassung eines derartigen gerichtlichen
Rechts-schutzes gegen unrechtmäßiges, kompetenzüberschreitendes Organhandeln
war, dass die durch die Siemens/Nold - Entscheidung beabsichtigte und
bewirkte Er-leichterung bei der Herbeiführung eines Ermächtigungsbeschlusses
zur Schaffung von genehmigtem Kapital nicht zu einer die
Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre, dar-unter insbesondere das Bezugsrecht,
ungerechtfertigt verkürzenden, unkontrollierten Blankettermächtigung der
Geschäftsleitung führen darf. Mit dem Absenken der An-forderungen an den
Ermächtigungsbeschluss zur Schaffung genehmigten Kapitals wurde allein auf
die Erfordernisse des Wirtschaftslebens reagiert, Beteiligungs- und
Erwerbschancen schnell und flexibel nutzen zu können. Keinesfalls aber
sollte der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz der Aktionäre herabgesetzt
und der Kompe-tenzbereich des Vorstands zu Lasten der Hauptversammlung
erweitert werden. An-gesichts der Lockerung der präventiven Schranken bei
der Erteilung der Ermächti-gung muss sichergestellt sein, dass im Rahmen der
Ausübung der Ermächtigung eine angemessene, systemkonforme gerichtliche
Kontrollmöglichkeit zur Verfügung steht; diese besteht - neben der im
Hinblick auf das Zeitmoment nur beschränkt möglichen (vorbeugenden)
Unterlassungsklage - vornehmlich in der allgemeinen Feststellungsklage gemäß
§ 256 ZPO.
Die in einem solchen Fall von dem Feststellungskläger aufgeworfene Frage
nach der Rechtswidrigkeit der mit einem Bezugsrechtsauschluss verbundenen
Kapitalerhö-hung berührt dessen Stellung als Aktionär und damit sein
Rechtsverhältnis zur Ge-sellschaft. Sofern nämlich Vorstand und Aufsichtsrat
unter Überschreitung des ihnen durch das Gesetz und den
Ermächtigungsbeschluss gesteckten Rahmens pflichtwid-rig von dem genehmigten
Kapital Gebrauch machen, tun sie dies als Organe der Gesellschaft. Es ist
daher Sache der Gesellschaft, durch ihre Organe Abhilfe zu schaffen und den
betroffenen Aktionären dadurch Genüge zu tun, dass entweder sofern noch
möglich eine (weitere) künftige Verletzung ihrer durch Art. 14 GG
ge-schützten Mitgliedschaftsrechte bei einer etwaigen weiteren Ausschöpfung
der erteil-ten Ermächtigung unterbleibt oder etwa bereits eingetretene
Schäden kompensiert werden (vgl. BGHZ 83, 122, 126, 134 - Holzmüller).
Wollte die Gesellschaft aber entgegen einem Feststellungsurteil den
tatsächlich geschaffenen Zustand zum Nachteil der klagenden Aktionäre
aufrechterhalten, so könnte das für diese die Grundlage für die
Geltendmachung konkreter Sekundäransprüche im Klagewege bilden sowie
entsprechende Anträge in der Hauptversammlung, etwa auf Versagung der
Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, auf Abberufung der
Aufsichtsratsmit-glieder (§ 103 AktG) oder auf Geltendmachung von
Ersatzansprüchen nach § 147 AktG, rechtfertigen.
Urteile vom 10. Oktober 2005 II ZR 148/03 und II ZR 90/03
Landgericht Frankfurt am Main Entscheidungen vom 22.1.2001 - 3/1 O 134/00
und 5.2.2001 3/1 O 139/00
Oberlandesgericht Frankfurt am Main Entscheidungen vom 1.4.2004 - 5 U
54/01 und 4.2.2003 5 U 63/01
Karlsruhe, den 10. Oktober 2005
Bundesgerichtshof
-Pressestelle-
pressestelle@bgh.bund.de
Angela Haasters
Herrenstraße 45a
76133 Karlsruhe
Tel.Nr. 0721-159-5013
Fax.Nr. 0721-159-5501