Rechtsschutz der Aktionäre gegen unrechtmäßiges, kompetenz-überschreitendes Handeln der Organe der Aktiengesellschaft bei der Ausübung des genehmigten Kapitals (Mangusta/Commerzbank I und II)

12.10.2005

Bundesberichtshof

Der II. Zivilsenat hatte über die Revisionen einer Minderheitsaktionärin in

zwei Kla-geverfahren gegen die Commerzbank im Zusammenhang mit der Ausübung

des genehmigten Kapitals durch deren Vorstand zu entscheiden.

Die Hauptversammlung der beklagten Bank hatte ihren Vorstand rechtswirksam

er-mächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Grundkapital gegen Bar-

und gegen Sacheinlagen bis zu bestimmten Höchstnennbeträgen zu erhöhen und

dabei jeweils das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen. Von diesen

Ermächtigungen machte der Vorstand der Beklagten mit Zustimmung des

Aufsichtsrats Gebrauch. Die Kapi-talerhöhungen wurden in das Handelsregister

eingetragen, nachdem die klagende Aktionärin vergeblich versucht hatte, dies

auf dem Wege einstweiligen Rechtsschut-zes zu verhindern.

1. Das von der Klägerin daraufhin mit dem Ziel angestrengte

Hauptsacheverfahren, der Beklagten weitere Ausübungen des noch nicht voll

ausgeschöpften genehmigten Kapitals durch den Vorstand ohne dessen

vorherigen schriftlichen Bericht an die Ak-tionäre zu untersagen, war in

allen drei Rechtszügen erfolglos.

Der II. Zivilsenat (II ZR 148/03) hat entschieden, dass der Vorstand im

Rahmen des genehmigten Kapitals (§§ 202 ff. AktG) nicht verpflichtet ist,

vor Ausübung der Er-mächtigung zur Kapitalerhöhung und zum

Bezugsrechtsausschluss die Aktionäre (schriftlich) über den Ausschluss des

Bezugsrechts und dessen Gründe zu unterrich-ten; vielmehr ist er - wie der

Senat bereits in seinem Grundsatzurteil „Siemens/Nold“ (BGHZ 136, 133; vgl.

dazu Presseerklärung Nr. 41/1997) ausgesprochen hat - ledig-lich gehalten,

nach Inanspruchnahme der Ermächtigung über die Einzelheiten seines Vorgehens

auf der nächsten ordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft zu berichten

und Rede und Antwort zu stehen.

2. Im Parallelrechtsstreit (II ZR 90/03) hat die Klägerin die mit Zustimmung

des Auf-sichtsrats gefassten Vorstandsbeschlüsse über die mit dem

Bezugsrechtsausschluss verbundenen Kapitalerhöhungen gestaffelt mit der

(aktienrechtlichen) Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsfeststellungsklage sowie

der (allgemeinen) Feststellungsklage an-gegriffen. Die Vorinstanzen haben

sämtliche Klageanträge als unzulässig abgewie-sen.

Demgegenüber hat der II. Zivilsenat die hilfsweise verfolgte allgemeine

Feststel-lungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO - auch noch nach der Eintragung

der Kapital-erhöhungen im Handelsregister und der Ausgabe der neuen Aktien -

für zulässig er-achtet und insoweit die Sache an die Vorinstanz zur

Nachholung der gebotenen Sachprüfung zurückverwiesen.

Hat der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats bei der Ausnutzung des

ge-nehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss unter Verstoß gegen seine

Amts-pflichten Entscheidungen getroffen, die von den gesetzlichen Vorgaben

und/oder dem Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung nicht gedeckt

sind, so kann der dadurch in seinen Mitgliedschaftsrechten beeinträchtigte

Aktionär - wie der Senat bereits in dem Grundsatzurteil „Siemens/Nold“ (BGHZ

136, 133) entschieden hat - das pflichtwidrige Organhandeln zum Gegenstand

nicht nur einer (vorbeugenden) Unterlassungsklage, sondern auch einer

(allgemeinen) Feststellungsklage machen, die jeweils gegen die Gesellschaft

zu richten sind.

Maßgebliche Erwägung für die Zulassung eines derartigen gerichtlichen

Rechts-schutzes gegen unrechtmäßiges, kompetenzüberschreitendes Organhandeln

war, dass die durch die „Siemens/Nold “- Entscheidung beabsichtigte und

bewirkte Er-leichterung bei der Herbeiführung eines Ermächtigungsbeschlusses

zur Schaffung von genehmigtem Kapital nicht zu einer die

Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre, dar-unter insbesondere das Bezugsrecht,

ungerechtfertigt verkürzenden, unkontrollierten Blankettermächtigung der

Geschäftsleitung führen darf. Mit dem Absenken der An-forderungen an den

Ermächtigungsbeschluss zur Schaffung genehmigten Kapitals wurde allein auf

die Erfordernisse des Wirtschaftslebens reagiert, Beteiligungs- und

Erwerbschancen schnell und flexibel nutzen zu können. Keinesfalls aber

sollte der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz der Aktionäre herabgesetzt

und der Kompe-tenzbereich des Vorstands zu Lasten der Hauptversammlung

erweitert werden. An-gesichts der Lockerung der präventiven Schranken bei

der Erteilung der Ermächti-gung muss sichergestellt sein, dass im Rahmen der

Ausübung der Ermächtigung eine angemessene, systemkonforme gerichtliche

Kontrollmöglichkeit zur Verfügung steht; diese besteht - neben der im

Hinblick auf das Zeitmoment nur beschränkt möglichen (vorbeugenden)

Unterlassungsklage - vornehmlich in der allgemeinen Feststellungsklage gemäß

§ 256 ZPO.

Die in einem solchen Fall von dem Feststellungskläger aufgeworfene Frage

nach der Rechtswidrigkeit der mit einem Bezugsrechtsauschluss verbundenen

Kapitalerhö-hung berührt dessen Stellung als Aktionär und damit sein

Rechtsverhältnis zur Ge-sellschaft. Sofern nämlich Vorstand und Aufsichtsrat

unter Überschreitung des ihnen durch das Gesetz und den

Ermächtigungsbeschluss gesteckten Rahmens pflichtwid-rig von dem genehmigten

Kapital Gebrauch machen, tun sie dies als Organe der Gesellschaft. Es ist

daher Sache der Gesellschaft, durch ihre Organe Abhilfe zu schaffen und den

betroffenen Aktionären dadurch Genüge zu tun, dass entweder – sofern noch

möglich – eine (weitere) künftige Verletzung ihrer durch Art. 14 GG

ge-schützten Mitgliedschaftsrechte bei einer etwaigen weiteren Ausschöpfung

der erteil-ten Ermächtigung unterbleibt oder etwa bereits eingetretene

Schäden kompensiert werden (vgl. BGHZ 83, 122, 126, 134 - Holzmüller).

Wollte die Gesellschaft aber entgegen einem Feststellungsurteil den

tatsächlich geschaffenen Zustand zum Nachteil der klagenden Aktionäre

aufrechterhalten, so könnte das für diese die Grundlage für die

Geltendmachung konkreter Sekundäransprüche im Klagewege bilden sowie

entsprechende Anträge in der Hauptversammlung, etwa auf Versagung der

Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, auf Abberufung der

Aufsichtsratsmit-glieder (§ 103 AktG) oder auf Geltendmachung von

Ersatzansprüchen nach § 147 AktG, rechtfertigen.

Urteile vom 10. Oktober 2005 – II ZR 148/03 und II ZR 90/03

 

Landgericht Frankfurt am Main – Entscheidungen vom 22.1.2001 - 3/1 O 134/00

und 5.2.2001 – 3/1 O 139/00

 

Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Entscheidungen vom 1.4.2004 - 5 U

54/01 und 4.2.2003 – 5 U 63/01

 

Karlsruhe, den 10. Oktober 2005

 

 

Bundesgerichtshof

 

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