Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen Durch- suchung in Rechtsanwaltskanzlei

10.09.2025

Nr. 82/2025 vom 10.09.2025
Beschluss vom 21.07.2025
1 BvR 398/24

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungs beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich ge gen die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei richtet. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, hat nicht substantiiert vorgetragen, den Rechtsweg erschöpft zu haben. Die Kammer betont in dem Beschluss aber, dass die Durchsuchungsanord nung und die Entscheidung über die Beschwerde den strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsuchung bei Rechtsanwälten nicht gerecht werden dürften. Aufgrund der Unzulässigkeit kam es hierauf jedoch nicht mehr an.

Sachverhalt:

Die Staatsanwaltschaft führte gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Prozessbetrugs. Hin tergrund des Ermittlungsverfahrens war ein zivilrechtlicher Ho norarstreit zwischen dem Beschwerdeführer und einer ehema ligen Mandantin (im Folgenden „Anzeigende“), welche Strafan zeige gegen den Beschwerdeführer erstattet hatte. Die Staats anwaltschaft stellte das Verfahren zunächst ein, wogegen die Anzeigende Beschwerde einlegte. Im Rahmen dieser Be schwerde legte sie unter anderem eine E-Mail der ehemaligen Bürokraft des Mitbeschuldigten (im Folgenden „Zeugin“) vor. In dieser E-Mail belastete die Zeugin den Beschwerdeführer. Die Staatsanwaltschaft nahm daraufhin das Verfahren wieder auf. In der polizeilichen Vernehmung belastete die Zeugin wiede rum den Beschwerdeführer und den Mitbeschuldigten; inhalt lich schilderte sie aber einen anderen Ablauf als noch in der E- Mail.

Das Amtsgericht erließ den angegriffenen Durchsuchungsbe schluss für die Räume der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwer deführers. Bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses war der zivilrechtliche Honorarstreit noch anhängig. Die Akten des Zivil verfahrens wurden nicht beigezogen. Der Durchsuchungsbe schluss wurde vollstreckt und dabei unter anderem ein Compu ter des Beschwerdeführers sichergestellt. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Durchsuchungsbeschluss ve warf das Landgericht als unbegründet.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer in der Sache eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 103 Abs. 1 GG.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

I. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Beschwerde führer trägt nicht substantiiert vor, eine Gehörsrüge erhoben und damit den Rechtsweg erschöpft zu haben.

II. Aufgrund der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde kommt es nicht mehr darauf an, dass die Durchsuchungsanord nung und die Entscheidung über die Beschwerde den strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsuchung bei Rechtsanwälten bei einer Gesamtabwägung nicht gerecht werden dürften.

1. Der dem Beschwerdeführer vorgeworfene versuchte (Pro zess-)Betrug ist keine Straftat von erheblicher Bedeutung. Der Tatverdacht ist weiterhin aufgrund der aktenkundigen Wider sprüche zwischen E-Mail und polizeilicher Vernehmung der Zeu gin zumindest schwach. Das gilt insbesondere für die nach Ak tenlage aufgrund der jeweiligen Motivlage eher fragliche Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugin und der Anzei genden.

3. Die Auffindevermutung ist eher gering. Ihre Schwäche beruht insbesondere auf der Kenntnis des Beschwerdeführers von den wiederaufgenommenen Ermittlungen und der Tatsache, dass er diese Kenntnis gegenüber der Staatsanwaltschaft mit seinem Akteneinsichtsantrag sogar offenlegte und daher eine Durchs chung zumindest für möglich halten durfte.

4. Zu berücksichtigen ist schließlich die besondere Eingriffsin tensität einer Durchsuchung von Kanzleiräumen eines Rechts anwalts.

Die besondere Eingriffsintensität der Durchsuchung von An waltskanzleien ergibt sich daraus, dass die strafprozessuale Maßnahme wegen der Vielzahl verfahrensunerheblicher Daten in den durchsuchten Kanzleiräumen eine Streubreite aufweist und daher zahlreiche Personen in den Wirkungsbereich der Maßnahme mit einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu dem Tatvorwurf stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben. Hinzu kommt die besondere Schutzbe dürftigkeit der von einem überschießenden Datenzugriff mitbe troffenen Vertrauensverhältnisse.

Die hier sehr weit formulierte Durchsuchungsanordnung er fasste potentiell auch verfahrensunerhebliche Daten und Be troffene. Das gilt insbesondere, weil eine Abwendungsbefugnis ausdrücklich mit der Begründung ausgeschlossen wurde, dass sich nur aus der Gesamtschau der Unterlagen Erkenntnisse er warten ließen. Es sollte also offenbar auch nach Unterlagen au ßerhalb der mandatsbezogenen Verfahrensakte des Beschwer deführers zur Anzeigenden gesucht werden.

Die besondere Rolle des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt spricht im Ergebnis entscheidend gegen ein angemessenes Ver hältnis aus staatlicher Eingriffsmaßnahme zur Wahrheitsermitt lung und Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers.

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