60 Jahre Aktiengesetz: Modernisierung für die AG und den Finanzplatz Deutschland dringend nötig

17.12.2025

Frankfurt, 16. Dezember 2025 – Die deutsche Aktiengesellschaft (AG) hat im 60. Jahr ihres Bestehens deutlich an Attraktivität eingebüßt und droht den Anschluss an ausländische Rechtsformen wie die niederländische N.V. zu verlieren. Ein attraktiver Rechtsrahmen mit deutlichen Verbesserungen bei der Eigenkapitalfinanzierung, der Revitalisierung der Hauptversammlung insbesondere mit einer Reform des Beschlussmängelrechts und einer Neuordnung des Aufsichtsrats bietet die Chance, die AG und den deutschen Finanzstandort insgesamt wettbewerbsfähiger zu machen. Positive Impulse verspricht das unterstützenswerte Vorhaben der EU, mit der Einführung eines optionalen 28. Regimes im Gesellschaftsrecht erstmals eine genuin europäische Rechtsform für alle 27 Mitgliedstaaten zu schaffen.

„Mit unserer Studie stellen wir das Aktienrecht auf den Prüfstand und zeigen, wo Verfahren zu langsam, Regeln zu unflexibel und Strukturen nicht mehr konkurrenzfähig sind. Wir sehen klaren Handlungsbedarf, denn ein zeitgemäßes Aktienrecht entscheidet darüber, ob Unternehmen flexibel wachsen, Innovationen finanzieren und am Kapitalmarkt erfolgreich agieren können, um Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen“, erklärt Henriette Peucker, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts.

Das ist das Ergebnis der Studie „60 Jahre Aktiengesetz: Evergreen oder Auslaufmodell?“, die White & Case und das Deutsche Aktieninstitut heute veröffentlicht haben. Die Grundlage bilden eine schriftliche Befragung unter den Leitern der Rechtsabteilungen börsennotierter Unternehmen in Deutschland sowie Interviews mit Experten aus Wirtschaft, Forschung, Beratung und Arbeitnehmervertretung. Ihre Antworten machen deutlich, dass der Reformdruck über das von CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag als reformbedürftig identifizierte Beschlussmängelrecht klar hinausgeht. Das Aktiengesetz muss grundsätzlich überarbeitet werden.

„Ausgangspunkt war die uns häufig gestellte Frage, ob die AG als Gesellschaftsform überhaupt noch sinnvoll ist“, betont Dr. Alexander Kiefner, Partner im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht bei White & Case LLP in Frankfurt am Main. „Die vorliegende Studie zeigt, dass der Handlungsbedarf auf allen Ebenen erheblich ist. Der besondere Verdienst der Studie ist es, das Gesamtbild verständlich zu vermitteln und in der Fachwelt diskutierte Reformideen mit dem Know-how der Praxis abzugleichen. Neben der überfälligen Reform des Beschlussmängelrechts tritt besonders deutlich der Ruf nach einer Berücksichtigung ausländischer Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten international tätiger Konzerne zutage.“

Die Reformempfehlungen im Überblick:

Eigenkapitalfinanzierung vereinfachen: Eine ordentliche Kapitalerhöhung nimmt von der Einladung zur Hauptversammlung bis zur Eintragung ins Handelsregister deutlich zu viel Zeit in Anspruch. Der Spielraum zur Eigenkapitalbeschaffung sollte vergrößert und flexibilisiert werden, zum Beispiel über sogenannte At-the-Market-Fazilitäten (fortlaufende Eigenkapitalprogramme) und die Anhebung der Grenze von 50 Prozent des Grundkapitals beim genehmigten Kapital.

Hauptversammlung entbürokratisieren: Das Beschlussmängelrecht und das Risiko einer Anfechtung von Beschlüssen führen zu überlangen und formalistischen Hauptversammlungen sowie jahrelangen Rechtsstreiten. Eine konstruktive Debatte zwischen Unternehmensleitung und Aktionären setzt voraus, die Anfechtung von Antworten der Unternehmensleitung auf Aktionärsfragen auf besonders schwere Fehler zu begrenzen und unnötige Formalien abzuschaffen. Bloße Form- und Protokollfehler sollten als Nichtigkeitsgründe für Beschlüsse ausgeschlossen und die Rechtsfolge von Anfechtungsklagen neu geregelt werden.

Zeitgemäße Anpassungen beim Aufsichtsrat: Die gestiegenen Anforderungen an den Aufsichtsrat sollten stärker Eingang in das Aktiengesetz finden. Unternehmen mit großen mitbestimmten Aufsichtsräten sollten das Recht erhalten, anstelle einer Zwangsgröße für den Aufsichtsrat von 16 oder gar 20 Mitgliedern die Größe ihrer Gremien gemeinsam mit ihren Aktionären selbst festzulegen. Bei international agierenden Konzernen sollten zudem Arbeitnehmer im Ausland das aktive und passive Wahlrecht für die Arbeitnehmerbank erhalten. Auch die Kompetenzen des Aufsichtsratsvorsitzenden verdienen eine Nachschärfung.

28. Regime für Europa einführen: Für die 27 Mitgliedstaaten der EU gibt es bislang keine einzige wirklich europäische Rechtsform. Unterstützung verdient daher das Vorhaben der EU, über die Einführung eines sogenannten 28. Regimes im Gesellschaftsrecht eine solche genuin europäische Rechtsform neu einzuführen, in die Unternehmen optieren können, und damit das Rechtsformangebot für paneuropäisch tätige Unternehmen zu erweitern. Wichtig ist, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der flexibel genug für junge und wachsende Unternehmen ist, aber auch für große Unternehmen am Kapitalmarkt funktioniert. Für einen Börsengang darf kein Rechtsformwechsel notwendig sein. Zudem sollte ein 28. Regime in Konzernstrukturen einsetzbar sein und mit weiteren Rechtsbereichen so verknüpft werden, dass ein wirklich einheitliches europäisches Regime entsteht.

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