Anwaltskanzlei Papenhausen: Denic haftet als Drittschuldnerin für vereitelte Domainpfändung

09.06.2011

Präzedenzfall: Denic haftet als Drittschuldnerin für vereitelte Domainpfändung.

Gericht: LG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.05.2011, Az. 2-01 S 309/10

(abrufbar unter www.mikap.de/mikap_2011_03.pdf)

Die Registrierungsstelle für die .de-Domains Denic wurde vom LG Frankfurt am Main per Urteil vom 09.05.2011 als Drittschuldnerin eingestuft und haftet daher auf Schadensersatz, den sie durch ihre vereitelten Domainrechtepfändungen verursacht hat.

Das Landgericht (am Sitz der Denic in Frankfurt) hat in diesem wichtigen Präzedenzfall mit dem Urteil vor allem Rechtssicherheit im Bereich der Domainpfändung geschaffen.

Der für den Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt skizziert sich wie folgt: Der (spätere) Kläger bestellte 2007 im Internet bei der Firma Web. S. AG [Name gekürzt] aus der Schweiz einen Fernseher und bezahlte per Vorkasse. Die Web. S. AG lieferte das Gerät jedoch nicht aus. Nach entsprechenden anwaltlichen Mahnungen wurde sodann das gerichtliche Verfahren gegen die Firma betrieben und ein vollstreckbarer Titel gegen die Web. S. AG erwirkt. Sodann wurden die Rechte der Firma Web. S. AG an ihrer Domain gepfändet.

Der gerichtliche Pfändungsbeschluss wurde der (für .de-Domain zuständigen) Denic zugestellt, die jedoch nichts weiter veranlasste. Die Domain wurde nachfolgend auf einen Dritten eingetragen. Die vom Kläger betriebene Versteigerung der Domainrechte im Rahmen der Verwertung scheiterte sodann, da der Vollstreckungsschuldner nicht mehr als Inhaber der Domain eingetragen war, sondern ein Dritter.

Das Bemerkenswerte an der Vorgehensweise der Denic ist, dass die Denic seit mindestens sechs Jahren derart verfährt und damit über Jahre hinweg ein immenses Haftungspotential geschaffen hat, welches sie (mit nicht all zu hohem Aufwand) gänzlich hätte vermeiden können: Es bedurfte nur des Eintrages eines sog. Disputes o. ä. Sodann hätten die Rechte des Schuldners an der gepfändeten Domain nicht mehr auf Dritte übertragen werden können und eine Verwertung durch den Gerichtsvollzieher wäre entsprechend erfolgreich gewesen.

Die Denic hätte durch einen Dispute-Eintrag, d. h. durch eine Sperrung, wie die Denic im gerichtlichen Verfahren selbst einräumte, ohne weiteres verhindern können, dass die Domainrechte auf eine andere Person übergingen. Die Denic ist auch die Einzige, die gepfändete Domainrechte sichern kann. Einen Dispute-Eintrag o. ä. hatte sie nach Zustellung des gerichtlichen Pfändungsbeschlusses jedoch unstreitig nicht getroffen. Auch hat sie nach der Beschlusszustellung unstreitig keine anderen Vorkehrungen vorgenommen, damit die Vollstreckung der Domainrechte nicht vereitelt werden kann. Vielmehr hat sie letztendlich die Domain an einen Dritten weitergegeben und damit die Vollstreckung, hier die Versteigerung durch den Gerichtsvollzieher, verhindert.

Die bisherige Vorgehensweise der Denic ist auch aus anderen Gründen nicht nachvollziehbar: Die Schadensersatzpflicht dürfte sich hier aus einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung ergeben, da die Denic die vom Kläger gepfändeten Rechte an der Domain gemäß ihrem Schreiben vom 10.09.2008, das auf den gerichtlichen Pfändungsbeschluss erfolgte, ausdrücklich bewusst nicht gesichert und sodann an einen Dritten weitergegeben hat. Das Verfügungsverbot wurde daher bewusst und gewollt missachtet und eine Vereitelung der Zwangsvollstreckung verursacht, wie auch das LG Frankfurt am Main ausdrücklich feststellt, vgl. MiKaP 2011/03, Seite 37 (42).

Als Konsequenz wird die Denic nunmehr prüfen müssen, ob und ggf. in welcher Höhe Rückstellungen für weitere ungewisse Verbindlichkeiten, die aus ihrer bisherigen Praxis resultieren, gebildet (und ggf. zusätzlich erläutert) werden müssen.

Die Denic wird ihre Haltung spätestens jetzt ändern müssen bzw. geändert haben, um (auch für sich) Rechtssicherheit im Bereich der Domainrechtepfändung herzustellen und kein weiteres Haftungsrisiko zu schaffen.

Im vorliegenden Fall hatte die Domainrechte-Pfändung übrigens den positiven Nebeneffekt, der betrügerisch vorgehenden Firma Web. S. AG aus der Schweiz das Handwerk zu legen, indem die Rechte an der bekannten Web-Plattform der Firma, die sie als Grundlage ihrer Handlungen benutzte, gepfändet wurden: Ihr wurde sozusagen die Handlungsbasis entzogen.

Mitgeteilt durch Rechtsanwalt Jochen Papenhausen, Osnabrück (Fachanwalt für IT-Recht/Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht), Link: www.kanzlei-papenhausen.de.

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