ARGE Insolvenzrecht & Sanierung warnt: Insolvenzantragspflicht soll nicht zum politischen Spielball werden

07.10.2022

ARGE Insolvenzrecht & Sanierung warnt: Insolvenzantragspflicht soll nicht zum politischen Spielball werden

Berlin (DAV/ARGE Inso). Neben den Regierungschefs der Länder diskutiert auch Berlin über das Ventil der Insolvenzantragspflicht in der Energiekrise für den Fortgang der deutschen Wirtschaft. Die ARGE Insolvenzrecht & Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) begrüßt die rege politische Debatte und fordert weiterhin, anstelle der Verfahrensvermeidung die bestehenden sanierungsrechtlichen Mechanismen wahrzunehmen.

„Es ist schade und greift zu kurz, wenn aus dem gesamten Insolvenz- und Sanierungsrecht lediglich die Regelung zur Antragspflicht in den Blick genommen wird. Viel wichtiger ist gerade auch in der aktuellen Zeit, dass das Insolvenzverfahren vielfältige Möglichkeiten zur Sanierung des Geschäftsbetriebes bereithält, etwa die Möglichkeit der Beendigung von nachteiligen Vertragsverhältnissen oder einer umfassenden Regelung in einem Insolvenzplan. Wir wünschen uns von der Politik Ermutigung von Unternehmern, die rechtlichen Instrumente aktiv zu nutzen, um ihr Unternehmen anzupassen und durch die Krise zu führen“, erklärt Dr. Anne Deike Riewe, Co-Vorsitzende der ARGE Insolvenzrecht & Sanierung.

Unter Berücksichtigung der mit der Insolvenzordnung geschaffenen und seither weiter angepassten Sanierungsmöglichkeiten bedeutet die Einleitung eines Insolvenzverfahrens heute weniger denn je notwendigerweise eine Abwicklung des Betriebes. Gerade auch im Rahmen übertragender Sanierungen kann in vielen Fällen der Geschäftsbetrieb mit seinen Arbeitsplätzen und Leistungsbeziehungen über einen neuen Rechtsträger fortgeführt werden. Soweit eine Stabilisierung des Unternehmens bereits durch Unternehmenshilfen, wie das KfW Sonderprogramm oder nun über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) bereitgestellte Mittel, möglich ist, wird die Einleitung eines Insolvenzverfahrens gar nicht erst erforderlich. Für die Fälle, in denen sich Unternehmen weitergehend neu aufstellen müssen, um zukunftsfähig zu werden, bietet das deutsche Sanierungsrecht mit seinen Fortentwicklungen der letzten Jahre einen geordneten Rahmen.

Dr. Rainer Eckert, Co-Vorsitzender der ARGE Insolvenzrecht & Sanierung: „Hohe Energiepreise und Inflation werden uns noch mindestens bis 2024 begleiten – wir befinden uns in einer langfristigen Krise und nicht in einem akuten Schockerlebnis. Mit der hohen Inflation haben wir deswegen zu kämpfen, weil es der Politik nach den letzten Krisen nicht gelungen ist, Subventionen abzubauen und Marktdisziplin wieder einzuführen. Entscheidend ist jetzt, die bestehenden insolvenz- und sanierungsrechtlichen Maßnahmen zu ergreifen und Unternehmen krisensicher und winterfest zu machen. Unser Insolvenzrecht ist Krisenrecht.“

Im Rahmen des dritten Entlastungspakets hat das Bundeskabinett jüngst die Formulierungshilfe für die temporäre Anpassungen im Sanierungs- und Insolvenzrecht beschlossen. Der Regelungsvorschlag sieht konkrete Anpassungen des Prognosezeitraums für die Überschuldungsprüfung, der Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen sowie der Höchstfrist für die Insolvenzantragstellung wegen Überschuldung vor. Der Deutsche Anwaltverein hatte sich im Vorfeld in seiner Stellungnahme (SN 54/22) unterstützend zum Wortlaut der Formulierungshilfe im Hinblick auf die Beschränkung der Anpassung auf den Insolvenzgrund der Überschuldung und die Verkürzung des Planungs¬ho-rizonts auf 4 Monate geäußert.

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzverfahren ist in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen und befindet sich im Jahr 2021 mit nur 13.993 auf dem Tiefststand seit Inkrafttreten der InsO im Jahr 1999. Bereits vor Beginn der COVID-19-Pandemie war die Frage gestellt worden, inwieweit Umstände wie das niedrige Zinsniveau dazu führen, dass eigentlich nicht rentable Unternehmen im Markt bleiben. Insgesamt muss davon ausgegangen werden, dass in den letzten Jahren Insolvenzverfahren nicht nur bei Unternehmen ausgeblieben sind, die pandemiebetroffen waren und ihre wirtschaftliche Krise zwischenzeitlich anderweitig überwinden konnten. Die ARGE Insolvenzrecht & Sanierung appelliert auch deshalb weiterhin an das Bundesministerium der Justiz, sich im Rahmen der notwendigen Transformation zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und Industrie für eine Nutzung des Insolvenz- und Restrukturierungsrechts anstelle seiner Zurückdrängung einzusetzen.

Über die Arbeitsgemeinschaft:

Die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) ist ein Zusammenschluss von über 1.400 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, deren berufliches Interesse sich besonders auf das Insolvenzrecht und die Sanierung von Unternehmen richtet. Die Arbeitsgemeinschaft ist seit November 1999 als Arbeitsgemeinschaft im DAV organisiert. Sie ist bundesweit die größte deutsche Vereinigung von Insolvenzrechts- und Sanierungsexperten. Der Deutsche Insolvenzrechtstag, den die Arbeitsgemeinschaft 2004 ins Leben gerufen hat, ist die größte insolvenzrechtliche Veranstaltung in Europa. Darüber hinaus veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft seit 2012 einmal jährlich den Europäischen Insolvenzrechtstag / European Insolvency & Restructuring Congress (EIRC) in Brüssel.

Pressemitteilung vom 06.10.2022

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