Atradius Kreditversicherung: Asiens Pharmaindustrie erhöht Druck auf deutsche Unternehmen

23.03.2022

Köln, 21. März 2022 – Asiens Pharmakonzerne machen den deutschen Traditionsfirmen zunehmend Konkurrenz. „Das Wachstum der deutschen Medikamenten-Hersteller wird im kommenden Jahr sinken – trotz positiver Risikobewertungen“, sagt Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services Germany, Central, North, East Europe & Russia/CIS bei Atradius. Eine Analyse des internationalen Kreditversicherers zeigt, dass derzeit eine deutliche Kräfteverschiebung stattfindet.

Mit einem Volumen von 102 Milliarden Euro haben die Exporte von pharmazeutischen Erzeugnissen 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 15,1 % zugelegt. Damit rangieren Pharmaprodukte unter den Top-5 der wichtigsten Exportwaren Deutschlands und machen die Pharmaindustrie zu den wichtigsten Säulen der deutschen Wirtschaft. „In den vergangenen zwei Jahren war die Wertschöpfung der Pharmaproduzenten in Deutschland und einigen weiteren Ländern ungewöhnlich hoch. Das lag besonders an dem dringenden Bedarf nach Covid-Impfstoffen – das derzeit schwächere Wachstum überrascht grundsätzlich nicht“, sagt Michael Karrenberg. Die Zahlen zeigten jedoch, dass die Pandemieentwicklung allein den Trend nicht erkläre: „Zum einen wird der Bedarf nach Covid-Impfstoffen auch in den kommenden Jahren hoch bleiben, denn das Virus wird uns weiterhin begleiten. Zum anderen sind die Wachstumsprognosen für Asien deutlich höher als bei uns – hier verschieben sich die Kraftverhältnisse.“

5,2 Prozent betrug das Gesamtwachstum der deutschen Pharmaunternehmen 2021 und damit 0,7 Prozentpunkte mehr als 2020. Doch laut Atradius wird sich die Zunahme bis 2023 auf zwei Prozent abschwächen. Ähnlich sieht es in den USA aus, dem größten Pharmaproduzenten der Welt. Die US-Pharmabranche legte 2021 um 11,9 Prozent zu. Doch bis 2023 wird sich das Wachstum auch hier voraussichtlich auf 2,2 Prozent abschwächen. Gleichzeitig vergibt Atradius für die Pharmaproduzenten in den USA sehr gute Risikobewertungen. Michael Karrenberg: „Die betriebswirtschaftlichen Aussichten der Firmen sind stabil, die Liquidität hoch und das Insolvenzrisiko niedrig. Dennoch wird die Wertschöpfung laut Prognose sinken.“

15 Blockbuster-Patente aus Europa und den USA laufen bald aus

Auslaufende Patente sind laut Michael Karrenberg einer der Gründe. „Die 15 wichtigsten Blockbuster-Patente laufen in den nächsten zehn Jahren aus“, sagt der Atradius-Manager. Um dem entgegenzuwirken werden die Hersteller von Markenmedikamenten voraussichtlich ihre Forschungsausgaben erhöhen. Das könnte allerdings dazu führen, dass die Gewinne sinken, wenn nicht gleichzeitig die Kosten gesenkt und so die Bruttomargen erhöht werden. Auch neue Regularien und erhöhter Preisdruck könnten die Wertschöpfung von Pharma-Unternehmen in den kommenden Jahren bremsen. Zudem stellen künftige Handelsbarrieren ein erhöhtes Risiko auch für deutsche Unternehmen dar. Europäische Länder exportieren zwar weltweit die meisten Medikamente, viele wichtige Medikamente oder Arzneimittelbestandteile werden allerdings nicht in Europa produziert. Eine Unterbrechung der Lieferketten hätte erhebliche Auswirkungen. Daher plant die EU die Produktion bestimmter Wirkstoffe wieder in die Union zurückverlagern.

Asien hält fast zwei Drittel aller wichtigen Wirkstoffzertifikate

„Insbesondere weniger komplexe, aber trotzdem wichtige Präparate wie Antibiotika oder Blutdruckmedikamente kaufen europäische Händler günstiger in Asien ein“, sagt Michael Karrenberg. „Das macht Europa abhängig von Asien, was sich vor allem in den vergangenen zwei Jahren während der Lieferkettenunterbrechungen als Problem erwiesen hat.“ Darüber hinaus sei eine Umkehrung des Kräfteverhältnisses zwischen Europa und Asien zu beobachten. Studien zeigten, dass Asien mittlerweile mehr Wirkstoffzertifikate halte als Europa: Wurden im Jahr 2000 noch 59 Prozent aller Zertifikate von in Deutschland verwendeten Wirkstoffen in Europa gehalten und nur 31 Prozent in Asien, hielt Asien im Jahr 2020 63 Prozent der Zertifikate und Europa 33 Prozent. Bislang werden in Asien vor allem Generika einfacher Wirkstoffe hergestellt, doch wird in Indien und insbesondere in China auch die Entwicklung komplexer Pharmazeutika zunehmen. „Chinas Regierung versucht mithilfe neuer Richtlinien, die Branche im Land zu konsolidieren und die durchschnittliche Größe der Unternehmen zu erhöhen“, sagt Michael Karrenberg und ergänzt: „Wir rechnen damit, dass chinesische Produzenten in den kommenden Jahren ihre F&E-Investitionen und Produktqualität steigern werden. Chinesische Firmen dürften somit künftig europäischen Herstellern noch mehr Konkurrenz machen.“

Die zunehmende Bedeutung Asiens in der globalen Arzneimittelproduktion spiegelt sich auch in aktuellen Zahlen wider. Laut dem Atradius-Report wird die Wachstumsrate in Indien von 4,9 Prozent im Jahr 2021 auf mehr als 6 Prozent in den Jahren 2022 und 2023 zunehmen. Auch China dürfte zu den Gewinnern zählen. Zwar wird das Wachstum in der Branche für pharmazeutische Produkte von 10 Prozent in diesem Jahr auf etwa 6,8 Prozent im Jahr 2023 sinken. Doch damit liegt China noch deutlich über den prognostizierten Zahlen der westlichen Wettbewerber. Atradius bewertet die Produzenten beider Länder hinsichtlich ihrer Ausfallrisiken als gut. Nur Indiens Pharma-Großhändler sowie Indiens und Chinas Apotheken erhalten ein „befriedigend“.

Die Nachfrage nach Medikamenten steigt, aber auch der Preisdruck nimmt zu

Weltweit schätzt der Kreditversicherer Atradius die Pharma-Branche als stabil ein. Atradius verleiht den pharmazeutischen Produzenten aller untersuchten Länder gute bis sehr gute Ratings. Zwar variiert die durchschnittliche Zahlungsdauer innerhalb der Länder – in Deutschland beträgt sie 30 bis 60 Tage, in China dagegen 60 bis 90 Tage, doch kommt es nur selten zu Zahlungsausfällen und die Zahl der Insolvenzen ist niedrig. Auch für die kommenden Jahre rechnet Atradius mit einer geringen Ausfallquote. Grund für die Einschätzung sind eine hohe Bereitschaft von Banken und Investoren zur Kapitalvergabe an die Firmen sowie globale Faktoren, die weltweit einen zunehmenden Bedarf an pharmazeutischen Produkten in den nächsten Jahren erwarten lassen.

„Die Nachfrage nach Pharmazeutika wird in den kommenden Jahren vor allem in den Wohlstandsgesellschaften mit alternder Bevölkerung wie etwa in Europa und den USA, sowie mit wachsendem Haushaltseinkommen in China und Indien steigen“, sagt Michael Karrenberg. Besonders der Bedarf nach Medikamenten zur Behandlung chronischer Erkrankungen werde wachsen. „Die Frage bleibt dennoch, wer am Ende die steigende Nachfrage bedienen wird. Europäische Pharma-Unternehmen arbeiten technisch und wissenschaftlich traditionell auf hohem Niveau. Doch China und Indien haben in vieler Hinsicht längst aufgeholt. Auch hier schreitet die Erforschung neuer und komplexerer Wirkstoffe in hohem Tempo voran. Am Ende könnte daher die Kostenfrage den Wettbewerb entscheiden, und hier ist Asien bislang im Vorteil“, urteilt der Atradius-Manager.

Über Atradius

Atradius ist ein globaler Anbieter von Kreditversicherungen, Bürgschaften, Inkassodienstleistungen und Wirtschaftsinformationen mit einer strategischen Präsenz in mehr als 50 Ländern. Die von Atradius angebotenen Produkte schützen Unternehmen weltweit vor den Ausfallrisiken beim Verkauf von Waren und Dienstleistungen auf Kredit. Atradius ist Mitglied der Grupo Catalana Occidente (GCO.MC), einer der größten Versicherer in Spanien und einer der größten Kreditversicherer der Welt. Weitere Informationen finden Sie online unter www.atradius.de

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