Automobilindustrie: Schlimmste Branchenkrise seit 20 Jahren
Kreditversicherer Atradius: Mehrere Zehntausend Arbeitsplätze in Gefahr
Massiver Anstieg der Schadensmeldungen
Köln, 11. Oktober 2024 – Die Automobilindustrie durchlebt trotz meist guter Finanzergebnisse die schlimmste Branchenkrise seit 20 Jahren: Überkapazitäten, sinkende Absatzzahlen, die technologische Transformation zur E-Mobilität und wachsende Konkurrenz, insbesondere aus China, setzen Deutschlands Vorzeigebranche massiv unter Druck. „Der Industriesektor muss jetzt handeln – auch wenn es ruppig wird. Denn: Die deutsche und europäische Automobilindustrie darf nicht zu einer aussterbenden Art werden“, sagt Jens Stobbe, der als Manager Risk Service bei Atradius Deutschland die Automobilbranche mitverantwortet. Die Folge: Ein massiver Anstieg der Schadensmeldungen in der gesamten Branche.
Dass die Automobilindustrie die Notwendigkeit des Handelns erkannt hat, wird seit einigen Monaten deutlich: Stellenabbau und Werksschließungen sowie die Verlagerung der Produktion ins Ausland werden bei vielen Herstellern geplant oder bereits umgesetzt. „Von Werksschließungen sind dabei nicht nur die eigenen Mitarbeiter direkt betroffen, sondern auch die Zulieferer. Wir sehen die Gefahr, dass insgesamt mehrere Zehntausend Stellen wegfallen“, sagt Jens Stobbe. Wie wichtig es ist, jetzt zu handeln, zeigen auch die Meldungen der Lieferanten der Automobilbranche an Atradius: Im September hat sich die Zahl der Schadensmeldungen, die bei Atradius nach Lieferungen an deutsche Automobilfirmen eingingen, um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat erhöht. „Wir beobachten nicht nur einen drastischen Anstieg an Unternehmen, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten, sondern auch eine noch deutlichere Erhöhung der Schadenssummen“, erklärt Jens Stobbe. Demnach liegt der Wert der Schäden 50 Prozent höher als noch vor einem Jahr.
Eine Erholung der Automobilindustrie in Deutschland und somit der Zahlungsfähigkeit der Unternehmen ist aktuell nicht in Sicht. Hauptgrund sind die vielen parallel ablaufenden Prozesse, die die Branche bewältigen muss. „Die Hersteller stehen vor einer finanziellen Doppelbelastung aufgrund der andauernden Produktion von Verbrennern und dem Druck nach E-Mobilität. Gleichzeitig sinkt, vor allem auf dem chinesischen Markt, der Stellenwert europäischer Autos und somit die Nachfrage“, erläutert Jens Stobbe. Die aktuellen Maßnahmen seien die ersten Schritte, um in Zukunft kurzfristig auf wirtschaftliche Veränderungen reagieren und Kapazitäten anpassen zu können.
Zulieferer von Herstellern abhängig
Kurzfristigen Einfluss haben die Maßnahmen jedoch schon jetzt auf die Zulieferer der OEMs. Während Automobilhersteller die Materialien für ihre Produkte von verschiedenen Zulieferern beziehen, produzieren diese teilweise bis zu 70 Prozent ausschließlich für einen OEM und sind auf die Abnahme angewiesen. „Können die Hersteller nicht mehr zahlen, oder setzen die Produktionslinie ab, haben viele Tier-2-Zulieferer keine anderen Abnehmer und können sich finanziell nicht halten“, so Jens Stobbe. Im Gegensatz zu den Automobilherstellern können Zulieferer keine Rücklagen durch Gewinne bilden. Je schlechter die wirtschaftliche Lage der OEMs ist, desto schwieriger wird es für die Zulieferer.
Automobilindustrie braucht verlässliche Rahmenbedingungen
Für eine Verbesserung der Krise bedarf es verschiedener Maßnahmen. „Strafzölle würden nur den Zugang zum verbliebenen asiatischen Markt versperren“, mahnt Jens Stobbe und ergänzt: „Wir müssen vor allem die Akzeptanz und den Optimismus für E-Mobilität in Deutschland fördern.“ Dazu müssten allerdings die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie etwa eine breite Ladeinfrastruktur, verlässliche und günstige Ladetarife sowie bezahlbare E-Fahrzeuge
Wichtige Rolle von Kreditversicherungen in Krisenzeiten
In dieser schwierigen Situation kommt Kreditversicherern wie Atradius eine wichtige Rolle zu. Dazu zählt etwa der Schutz der Lieferanten vor Zahlungsausfällen, falls ihre Kunden nicht zahlen können. Zudem bieten Kreditversicherungen Unternehmen die Möglichkeit, Zahlungen schneller abzuwickeln, indem sie offene Forderungen gegen Versicherungsleistungen absichern. „Dies verbessert die Liquidität von Automobilherstellern und deren Zulieferern, was besonders in Krisenzeiten essenziell ist, um betriebliche Abläufe fortsetzen zu können“, betont Jens Stobbe. Auch bietet Atradius umfassende Informationen über die Bonität von Geschäftspartnern und hilft durch Flexibilisierung der Kreditkonditionen, wie längere Zahlungsziele oder die Erhöhung von Kreditlimits, um den Firmen zu helfen, ihre Liquidität zu schonen. Zugleich unterstützt Atradius bei der Verwaltung und dem Einholen von Forderungen und entwickelt branchenspezifische Lösungen, die auf die besonderen Bedürfnisse von Herstellern und Zulieferern eingehen, wie etwa maßgeschneiderte Versicherungslösungen, die unter anderem auf Lieferkettenrisiken und schwankende Marktanforderungen eingehen.