Baker Tilly: Aktuelle Rechtsprechung des BGH: Ist die Vorsatzanfechtung durch den Insolvenzverwalter noch immer ein scharfes Schwert?
ein Kommentar von Dr. Adrian Bölingen, Rechtsanwalt und Partner bei Baker Tilly
Die Vorsatzanfechtung gilt als das „scharfe Schwert des Insolvenzverwalters“. Nun bestätigt der BGH in einem Urteil seine geänderte Rechtsprechung und schraubt die Hürden zur Anfechtung für die Insolvenzverwalter deutlich nach oben. Was die Neuausrichtung für Insolvenzverwalter und Anfechtungsgegner bedeutet.
Wenn ein Insolvenzverwalter Ansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend macht, stützt er diese häufig auf die sog. Vorsatzanfechtung gem. § 133 InsO. Danach können Rechtshandlungen des Schuldners – in der Regel Zahlungen an seine Geschäftspartner – aus dem Zeitraum von bis zu zehn Jahren vor der Antragstellung vom Insolvenzverwalter angefochten und damit zurückgefordert werden, wenn der Schuldner diese mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen und der Anfechtungsgegner den Vorsatz des Schuldners kannte.
Dies klingt zunächst abstrakt, kann aber für dem Geschäftspartner bzw. Anfechtungsgegner schnell zu einem konkreten Problem werden, insbesondere wenn es in der Geschäftsbeziehung regelmäßig zu Zahlungsverzögerungen seitens des Schuldners gekommen ist. Gerade bei Dauerschuldverhältnissen, wie Mietverträgen, besteht das Risiko, dass über mehrere Jahre erhaltene Zahlungen an die Insolvenzmasse zurückzuerstatten sind.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH war für die Annahme des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes lediglich erforderlich, dass der Schuldner es als möglich erkennt und billigt, dass durch seine Handlung die übrigen Gläubiger benachteiligt werden. Dies wurde bereits dann angenommen, wenn der Schuldner sich der Tatsache bewusst ist, dass der Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit zumindest droht.
Der BGH hat diese schematische Sichtweise mit Urteil vom 6. Mai 2021 (Az. IX ZR 72/20) aufgegeben. Er entschied, dass es für die Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes nicht mehr ausreicht, dass der Schuldner seine eigene Zahlungsunfähigkeit, welche bei einer Zahlungseinstellung vermutet wird, kennt. Es muss die Prognose dazu kommen, dass er auch künftig seine Gläubiger nicht mehr wird befriedigen können.
Ein Novum hierzu sieht die aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Frage der Fortdauervermutung der Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungseinstellung vor. Bislang reichte es aus, dass der Insolvenzverwalter nachweisen konnte, dass im Zeitpunkt der ersten angefochtenen Zahlung bereits eine Zahlungseinstellung vorlag, so wurde neben dem Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit auch vermutet, dass diese bis zur Eröffnung des Verfahrens durchgängig vorlag, sodass auch die späteren Zahlungen problemlos zurückgefordert werden konnten. Der Anfechtungsgegner konnte diese Vermutung in der Vergangenheit nur selten widerlegen, da er in der Regel die finanziellen Verhältnisse des Schuldners nicht kannte.
Keine Kehrtwende, aber höhere Hürden bei der Darlegung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes für den Insolvenzverwalter
Die Darlegungs- und Beweislast für die Fortdauer der Zahlungsunfähigkeit liegt nun bei dem anfechtenden Insolvenzverwalter. Diese Rechtsprechung hat der BGH nun in einem aktuellen Urteil vom 10. Februar 2022 (Az. IX ZR 148 /19) bestätigt. Die Entscheidungen des BGH vom 6. Mai 2021 und 10. Februar 2022 können nicht als absolute Kehrtwende bezeichnet werden. Die Hürden für die Darlegung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners wurden für Insolvenzverwalter jedoch deutlich nach oben geschraubt. Für den Anfechtungsgegner bestehen nun deutlich bessere Möglichkeiten, sich gegen eine Inanspruchnahme durch einen Insolvenzverwalter erfolgreich zur Wehr zu setzen.