Corona: Ursache für Großinsolvenzen, aber weitere Krisen warten schon

30.05.2022

30. Mai 2022. München. Umsatzrückgänge in Folge der Corona-Lockdowns und altbekannte Branchenprobleme waren im ersten Quartal 2022 die wesentlichen Gründe für die Pleiten bei den Großunternehmen. Insgesamt beantragten 29 Firmen mit einem Umsatz größer 20 Millionen Euro ein Insolvenzverfahren. Das sind rund ein Drittel mehr als im Vorquartal, so der Finance-Insolvenzreport von Falkensteg. Die Auswirkungen des Ukrainekrieges werden sich in der Insolvenzstatistik erst im zweiten Halbjahr zeigen.

Bereits zum Ende des vergangenen Jahres hatte es bei den Großinsolvenzen einen Zuwachs von 19 Prozent gegeben und gegenüber dem Vorjahreszeitraum stieg die Anzahl sogar um 71 Prozent. Zwischen Januar und März 2021 verzeichneten die Amtsgerichte lediglich 17 Anträge. Dennoch liegt das derzeitige Niveau noch deutlich unter dem Höchstwert in der Coronapandemie. Im 2. Quartal 2020 gab es 63 Insolvenzen. „Die Unternehmer hetzen derzeit von einer Krise in die andere und müssen Lieferkettenabbrüche beseitigen sowie steigende Kosten für Vorprodukte und Energie kompensieren. Dabei rückt die Zahlungsunfähigkeit und damit ein Antragsgrund schon mal aus dem Sichtfeld“, erklärte Studienautor Jonas Eckhardt, Partner bei Falkensteg, die weiterhin niedrigen Fallzahlen. Dies zeigt sich besonders in der Verteilung nach Monaten. Nach zehn und 13 Anträgen im Januar und Februar brachen die Insolvenzen nach dem Beginn des Ukrainekrieges im März mit lediglich sechs Fällen wieder ein.

Nur wenig Bewegung bei den Verfahrensausgängen

Ins Stocken gerieten im ersten Quartal 2022 die Verfahrensausgänge. Lediglich 27 Unternehmen von den insgesamt 73 Großinsolvenzen aus 2021 gelang bisher der Neustart. Das sind nur sieben Firmen mehr als noch zum Jahresende 2021. Die Rettung erfolgte bei 19 Unternehmen durch einen Asset Deal und bei acht Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzplans. 28 Verfahren sind weiterhin offen und bei 18 Fällen – ein Plus von fünf gegenüber dem Vorquartal – wurde der Betrieb eingestellt oder Masseunzulänglichkeit angezeigt.

Die Rettungsquote liegt damit bei nur 36 Prozent und zählt seit 2017 zu den schwächeren Ergebnissen. Im Vorjahr lag dieser Wert nach dem ersten Quartal 2021 mit 102 abgeschlossenen Fällen bereits bei 56 Prozent. Keine Veränderung gab es bei den Ausgängen aus 2020 innerhalb der vergangenen drei Monate. Von den 181 Unternehmensinsolvenzen sind weiterhin noch 17 Verfahren offen.

Viel Potenzial bei den Steuerungsinstrumenten

Mit Sorge schauen viele Unternehmen auf die explodierenden Preise und wegbrechenden Absatzmärkte. Ein Ende ist nicht in Sicht. Zumindest gegen die Lieferkettenprobleme hamstern sie Vorprodukte wie Metalle, Halbleiter und chemische Produkte, um die Produktionsfähigkeit abzusichern. Die vermehrte Lagerhaltung treibt aber nicht nur die Preise weiter hoch, sondern reißt erhebliche Lücken in die Liquiditätsplanung. „Man kauft, was gerade angeboten wird und vernachlässigt zusätzlich den Preis. Das hat im Aufschwung vielleicht noch funktioniert, aber nun könnte am Ende des Monats das Geld für Löhne oder geplante Investitionen fehlen“, weiß Sanierungsexperte Jonas Eckhardt.

Wichtig sei daher eine Unternehmensplanung, die wieder den Ertrag anstatt den Umsatz in den Fokus stellt, und die Liquidität sichert. Stellhebel bietet das Working Capital Management – Lagerbestände reduzieren, Preise rechtzeitig erhöhen, Zahlungsziele verkürzen, Zahlungsfristen ausnutzen und die Produktions-Durchlaufzeiten minimieren. „Erfolgreiches Agieren in der Krise setzt Erkenntnis voraus – also Daten sammeln, die Lage erfassen und die Zukunft planen“, weiß Eckhardt. „Allerdings ist beim Einsatz von Steuerungsinstrumenten auch im Mittelstand noch viel Potenzial nach oben.“ Sanierungsexperten nennen deshalb fehlendes Controlling, ungünstige Finanzierung und unzureichendes Working Capital Management als Hauptursachen für eine Insolvenz.

M&A-Markt in Wartestellung

Einen deutlichen Einbruch erlitt der M&A-Markt in den ersten Monaten 2022. „Nach der Euphorie im Vorjahr haben die Akteure ihre optimistische Stimmung verloren“, meint Prof. Dr. Christoph Schalast (Schalast & Partner) im Finance Insolvenzreport. Der Markt wirkte Ende Februar, als Russland die Ukraine angriff, kurzzeitig wie paralysiert. Auch Deals, die überhaupt nichts mit den beiden Staaten zu tun haben, lagen damals auf Halde. Hinzukommen weitere Risiken, wie die zurückgekehrte Inflation, gestiegene Zinsen, steigende Lohn- und Produktionskosten sowie die Folgen des aktuellen Lockdowns in China mit weiteren Lieferkettenunterbrechungen, deren Folgen bei den Firmenverkäufen noch nicht absehbar sind. „Gehen die Unternehmensbewertungen massiv nach unten, würde ich als Verkäufer eine Transaktion verschieben, denn wir sind in einer temporären Situation. Wenn die notwendigen Anpassungen an die neue Situation insbesondere bei der Energie- und Rohstoffversorgung und den Lieferketten erfolgt sind, werden auch die Unternehmensbewertungen sich wieder einpendeln“, erklärt M&A-Experte Prof. Schalast.

Über den Insolvenzreport „5 nach 12“

Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert für den Insolvenzreport alle drei Monate das Insolvenzgeschehen. Dazu werden Informationen des Insolvenz-Portals, der Creditreform, des Statistischen Bundesamtes sowie von Insolvenzverwaltern ausgewertet und mit eigenen Analysen ergänzt. Während andere Statistiken die eröffneten Insolvenzzahlen auswerten, konzentriert sich der Insolvenzreport auf den früheren Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung. Durchschnittlich liegt zwischen der Anmeldung und der Eröffnung ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Damit dient der Insolvenzreport als Frühindikator bei den Großinsolvenzen.

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