Dauertief für Großinsolvenzen

27.08.2021

- Rettungsquote für insolvente Unternehmen steigt weiter

26. August 2021. Frankfurt/Düsseldorf. Die Talfahrt bei den Insolvenzanmeldungen von Großunternehmen geht auch im zweiten Quartal 2021 weiter. Zwischen April und Juni dieses Jahres stellten lediglich 14 Unternehmen mit einem Umsatz größer 20 Mio. Euro bei den Amtsgerichten einen Insolvenzantrag. Drei Monate zuvor waren es noch 17 Firmen – ein Minus von 17 Prozent. Gegenüber dem Vorjahresquartal sank die Quote sogar um 78 Prozent, so der Finance Insolvenz-Report von Falkensteg. Das Auslaufen der Aussetzung der Antragspflicht Ende April 2021 hatte somit keinen steigenden Einfluss auf die Antragszahlen.

Dagegen wirken eher die staatlichen Bausteine wie Kurzarbeitergeld, KfW-Kredite und Überbrückungshilfen. Seit Beginn der Pandemie im Februar 2020 hat der Bund über 153,1 Mrd. Euro an Unternehmen ausgeschüttet. Die meisten Gelder flossen laut EU-Beihilfedatenbank in die Gastronomie, dem Maschinenbau und Automotive (Produktion, Handel und Vermietung). Die drei Branchen erhielten zwischen einer und 1,5 Mrd. Euro aus den Bundestöpfen. In der Aufstellung sind jedoch erst ein Viertel der Hilfen ohne die Kredite des Wirtschaftsstabilisierungsfonds berücksichtigt.

Maßnahmen dürfen keine Langzeitpille werden

„Der weitere Sinkflug zeigt eindeutig, dass die Maßnahmen weit über das Ziel hinausgeschossen sind. Natürlich muss den unverschuldet in die Krise geratenen Firmen geholfen werden, aber das andauernde Gießkannenprinzip hemmt in vielen Branchen den erforderlichen Strukturwandel und hält unrentable Unternehmen am Leben“, sagt Studienautor Johannes von Neumann-Cosel von Falkensteg. Laut einer KfW-Studie haben rund zwei Drittel der befragten Unternehmen im vergangenen Jahr ihre Investitionen deutlich reduziert. Knapp die Hälfte hat mindestens eine Investition komplett gestrichen. Nur ein Drittel nannte die schlechte Wirtschaftslage als Grund. Das lege den Schluss nahe, so von Neumann-Cosel, dass die Unternehmen die Hilfsmaßnahmen lediglich zur Schuldenbeseitigung und nicht zur Zukunftssicherung genutzt haben. „Nach anderthalb Jahren muss die Notfallmedizin nun beendet werden. Die Hilfsgelder dürfen nicht zur Langzeitpille werden. Vielmehr sollten weitere Förderungen gezielt und befristet eingesetzt werden, die das Wachstum finanzieren und die Liquiditätsfalle verhindern.“

Liquiditätsfalle vermeiden

Überraschender Weise nehmen die Insolvenzen nicht in, sondern erst nach einer Krise zu. So stiegen die Pleiten erst zwei Jahre nach der Finanzkrise 2008 und der Dotcom-Blase um zehn bzw. 16 Prozent an. Die Zeichen nach der Pandemie sind ähnlich: Je nach Branche sind die Umsätze stark eingebrochen und die Reserven aufgebraucht. Zusätzlich halten sich die Banken bei neuen Krediten zurück. Damit fehlt den meisten Unternehmen die Liquidität, um Rohstoffe vorzufinanzieren, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen und die laufenden staatlichen Krisenkredite zu bedienen. „Die Unternehmen müssen deshalb ihre Hausaufgaben machen. Die Kosten an die zu erwartenden Umsätze anpassen, die Eigenkapitalquote wieder in den Mittelpunkt rücken und das Working-Capital-Management optimieren“, rät Johannes von Neumann-Cosel.

Insolvenzen retten Unternehmen

Neben der Anzahl der Insolvenzanträge untersucht der Finance Insolvenz-Report zudem die Ausgänge der Verfahren. Die Rettungsquote für Unternehmen, die im Vorjahr einen Insolvenzantrag stellten, konnte sich zum Halbjahr 2020 noch einmal deutlich verbessern. 45 Prozent der insolventen 182 Unternehmen gingen an einen Investor, obwohl die Distressed-Transaktionen durch die Pandemie deutlich erschwert wurden. Bei über zwanzig Prozent der Verfahren stimmten die Gläubiger einem Insolvenzplan zu. Lediglich 17 Prozent der Unternehmen mussten bisher liquidiert oder der Betrieb eingestellt werden. Die Fortführungsquote von 79 Prozent dürfte noch weiter steigen, da noch 29 Verfahren offen sind. Im laufenden Jahr 2021 konnten erst neun der insgesamt 31 Verfahren (29 Prozent) beendet werden.

Starke Unterschiede gibt es allerdings in den einzelnen Branchen bei der Wahl des Sanierungsmittels. Während der Unternehmensverkauf und der Insolvenzplan im Einzelhandel (jeweils zehn Verfahren) und im Fashion-Bereich (jeweils 13) als Verfahrensabschluss fast gleichauf liegen, wird der Asset Deal in den klassischen Branchen Automotive (27 Verkäufe bei 39 Verfahren), Maschinenbau (15 / 26) und Bau (10 / 20) bevorzugt. Die Planlösung erreicht in den drei Branchen gerade einmal einen Anteil zwischen acht und 15 Prozent.

 

Über den Insolvenz-Report „5 nach 12“

Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert für den Insolvenz-Report alle drei Monate das Insolvenzgeschehen. Dazu werden Informationen des Insolvenz-Portals, der Creditreform, des Statistischen Bundesamtes sowie von Insolvenzverwaltern ausgewertet und mit eigenen Analysen ergänzt. Während andere Statistiken die eröffneten Insolvenzzahlen auswerten, konzentriert sich der Insolvenz-Report bereits auf die angemeldeten Insolvenzen. Durchschnittlich liegt zwischen der Anmeldung und der Eröffnung ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Damit dient der Insolvenz-Report als Frühindikator bei den Großinsolvenzen.

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