DHPG Dr. Harzem & Partner: Unternehmensnachfolge - Unsicherheitsland Deutschland?

12.11.2014

· 21% der Unternehmer sehen Nachfolge durch Erbschaftsteuer gefährdet

· Bundesverfassungsgericht entscheidet im Herbst 2014 über Erbschaftsteuergesetz

· DHPG-Ratgeber Erbschaftsteuer-Verfahren: Die wichtigsten Fakten für Unternehmer

Bonn, 12. November 2014 – Bei vielen Mittelständlern und Familienunternehmen in Deutschland steht in den kommenden Jahren der Stabwechsel an. Bis 2018 werden etwa 135.000 Unternehmen einen neuen Inhaber oder Geschäftsführer brauchen. Doch bereits heute haben 40% der Unternehmensinhaber Schwierigkeiten, einen passenden Nachfolger zu finden. Rund ein Fünftel der Unternehmer sehen dabei die Erbschaftsteuer als Hindernis bei der Nachfolgersuche an.

Hintergrund ist die seit September 2012 laufende Prüfung des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Konkret wird dabei die steuerliche Behandlung von Betriebsvermögen aus verfassungsrechtlicher Sicht bewertet. Bisher können Betriebe von der Erbschaftsteuer weitgehend (85%) oder sogar ganz befreit werden, wenn sie von den Erben mindestens fünf oder sieben Jahre weitergeführt werden und somit Arbeitsplätze erhalten bleiben. Zwischenzeitlich hat die mündliche Verhandlung beim BVerfG stattgefunden. Die endgültige Entscheidung steht noch aus, sie wird für Herbst dieses Jahres erwartet.

Klaus Altendorf, Partner und Spezialist für Unternehmenssteuerrecht bei der DHPG Dr. Harzem & Partner KG, erläutert: „Das Bundesverfassungsgericht wird das Erbschaftsteuergesetz möglicherweise für verfassungswidrig erklären. In unseren Mandantengesprächen vermerken wir daher seit geraumer Zeit eine massive Verunsicherung. Kann ich mein Unternehmen noch ohne finanzielle Risiken an meinen Nachfolger übertragen, wie können wir uns vorbereiten? Aus diesem Grund haben wir in einem kurzen Ratgeber die wichtigsten Fakten zum Verfahren für Mittelständler und Familienunternehmen zusammengetragen.“

1. Wie könnte das Bundesverfassungsgericht entscheiden?

Wahrscheinlich sind folgende Entscheidungsvarianten:

a) ErbStG verstößt gegen die Verfassung: Damit wäre das Gesetz nichtig. Das heißt, es gäbe keine gesetzliche Grundlage für eine Besteuerung von Erbgängen oder Schenkungen mehr. Unternehmen könnten also steuerfrei vererbt bzw. verschenkt werden.

b) ErbStG unvereinbar mit Grundgesetz: Die wahrscheinlichere Variante. Das BVerfG wird dem Gesetzgeber (voraussichtlich) eine Frist setzen, innerhalb derer eine verfassungskonforme Neuregelung geschaffen werden muss. Dies war bereits beim letzten Urteil des BVerfG zum ErbStG im Jahr 2006 der Fall.

2. Zeitpunkt entscheidend: Wann drohen Konsequenzen für Unternehmen?

Wichtig zu wissen ist zunächst, ob einem Unternehmen zum Zeitpunkt des Urteils ein Steuerbescheid vorliegt oder nicht und ob das ErbStG für „nichtig“ oder für „unvereinbar mit dem Grundgesetz“ erklärt wird:

a) Zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG liegt dem Steuerpflichtigen ein Steuerbescheid vor: Hält das BVerfG das ErbStG in der zurzeit geltenden Fassung für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, ergeben sich für den Steuerpflichtigen keine nachteiligen Folgen. Die Vertrauensschutzregelung in § 176 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) sorgt dafür, dass die bereits ergangenen Steuerbescheide – selbst bei vorläufiger Steuerfestsetzung – nicht zu Ungunsten des Steuerpflichtigen geändert werden können.

Wird das ErbStG jedoch für nichtig erklärt, fällt die gesetzliche Grundlage für die Besteuerung von Erbgängen oder Schenkungen mit Wirkung für die Vergangenheit weg. Ist der Steuerbescheid zu diesem Zeitpunkt wegen des laufenden Verfahrens vor dem BVerfG vorläufig nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 AO, hat der Steuerpflichtige ein Anrecht darauf, dass dieser aufgehoben wird. Dies dürfte auch für „endgültige“ Steuerbescheide gelten. Hier muss der Steuerpflichtige nur beachten, dass er innerhalb der Einspruchsfrist von einem Monat Einspruch einlegen muss.

b) Zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG ist der Erbfall eingetreten oder die Schenkung durchgeführt worden, aber es liegt noch kein Steuerbescheid vor:

Für diese Fälle greift die Vertrauensschutzregelung des § 176 AO nicht. Es kommt hier darauf an, ob das BVerfG das ErbStG für nichtig oder nur für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt und dem Gesetzgeber eine „Nachbesserungsfrist“ einräumt.

Wird das ErbStG „nur“ für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt, bleibt es für die Dauer der Übergangszeit anwendbar.

Wird das ErbStG für nichtig erklärt, fällt die gesetzliche Grundlage für die Besteuerung von Erbgängen oder Schenkungen mit Wirkung für die Vergangenheit weg. Das gilt sowohl für bereits vorläufig erlassene Steuerbescheide und für Erbfälle bzw. Schenkungen, für die bisher noch keine Steuerfestsetzung erfolgt ist. Die Steuerpflicht erlischt damit.

3. Verschärfung oder Abschaffung der Erbschaftsteuer?

Fraglich ist – falls das ErbStG für verfassungswidrig erklärt wird – ob der Gesetzgeber rückwirkend eine steuerverschärfende Neuregelung schaffen kann. Nach der herrschenden Meinung wird es dazu nicht kommen, da die Weitergeltungsanordnung des BVerfG eine Vertrauensschutzregelung für den Steuerpflichtigen begründet.

Der Gesetzgeber wird sich dennoch entscheiden müssen, ob er am Prinzip der Verschonung von unternehmerischem Vermögen festhält, oder ob es zu einem Konzeptionswechsel bzw. gar zur Abschaffung der Erbschaftsteuer kommt.

4. Empfehlung für Unternehmen

Für anstehende Übertragungen von Betriebsvermögen sollte vorab im Einzelfall geprüft werden, ob eine Schenkung unter der zurzeit geltenden Gesetzeslage angebracht ist, sollte es bei einer eventuellen Neuregelung zu einer Steuerverschärfung kommen (siehe Beispielrechnung im Exkurs). Denn klar ist: Ein möglicher Kurswechsel bei der Besteuerung im Rahmen von Unternehmensnachfolgen dürfte weitreichende finanzielle Folgen für Betriebe, Erben und Nachfolger an den Unternehmensspitzen haben.

Exkurs (Beispiel):

Die Eltern übertragen auf ihr Kind einen Betrieb. Der Wert des Betriebs soll 3 Mio. EUR sein. Nach der zurzeit geltenden Rechtslage bleiben hiervon 85%, d.h. 2,55 Mio. EUR steuerfrei. Das Kind muss nach Abzug des persönlichen Freibetrag von 400 TEUR noch 50 TEUR versteuern, was zu einer Erbschaftsteuer von 7% (= 3.500 EUR) führt.

Kommt es nunmehr zu einer verschärfenden Neuregelung und bleiben bspw. anstatt 85% nur noch 50% steuerfrei, so würde dies bei ansonsten unveränderten Bedingungen zu einer Erbschaftsteuer von 209 TEUR führen.

Unter dem Strich bliebe eine Mehrsteuer von ca. 205 TEUR. Grund hierfür wäre nicht nur die Verringerung des steuerfreien Teils um 1,05 Mio. EUR, sondern auch die Erhöhung des Steuersatzes auf 19% aufgrund des progressiven Tarifs.

Im Vergleich zu Unternehmensvermögen steht Privatvermögen vergleichsweise gut da, falls es zu einer Abschaffung oder Neuregelung des ErbStG kommt. Eine Gesetzesreform könnte hier zu einer Verbesserung der Steuerbelastung führen, daher kann es sich lohnen, das Urteil des BVerfG abzuwarten.

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