Engler & Collegen: Zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über " Schrottimmobilien " vom 25.10.2005 in der Rechtssache C-350/03, Eheleute Schulte ./. Deutsche Bausparkasse Badenia AG:

27.10.2005

Engler & Collegen

Bei falscher oder fehlender Belehrung über das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften trägt das Kreditinstitut und nicht der Verbraucher die Risiken der damit verbundenen Kapitalanlage.

In dem von den Rechtsanwälten Martin Beckmann und Mirko Koch geführten Verfahren der Eheleute Schulte gegen die Deutsche Bausparkasse Badenia AG - Rechtssache C-350/03 - hat der Europäische Gerichtshof ein überraschendes Urteil zugunsten der betroffenen Verbraucher gesprochen:

Der Gerichtshof stellt klar, dass in den Fällen, in denen die Verbraucher nicht über ihr Recht zum Widerruf des Darlehensvertrags belehrt wurden, das Kreditinstitut die mit den fraglichen Kapitalanlagen verbundenen Risiken zu tragen hat.

Wäre der Verbraucher nämlich von dem Kreditinstitut rechtzeitig belehrt worden, so hätte er seine Entscheidung, den Darlehensvertrag zu schließen, rückgängig machen können und hätte gegebenenfalls später den notariellen Kaufvertrag nicht geschlossen. Dadurch hätte er es vermeiden können, sich den Risiken auszusetzen, dass die Immobilie zum Zeitpunkt des Kaufes zu hoch bewertet wird, dass sich die veranschlagten Mieteinahmen nicht erzielen lassen und dass sich die Erwartungen in Bezug auf die Entwicklung des Immobilienpreises als falsch erweisen.

Es sei Sache des nationalen Gesetzgebers und der nationalen Gerichte, den Schutz des Verbrauchers vor den Folgen der Verwirklichung dieser Risiken zu gewährleisten.

Die Entscheidung des EuGH lautet insoweit unter Ziffer 3. der Entscheidung vom 25.10.2005:

" In einem Fall, in dem der Verbraucher, wenn das Kreditinstitut seiner Verpflichtung, ihn über sein Widerrufsrecht zu belehren, nachgekommen wäre, es hätte vermeiden können, sich den Risiken auszusetzen, die mit Kapitalanlagen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art verbunden sind, verpflichtet Artikel 4 der Richtlinie 85/577 jedoch die Mitgliedsstaaten, dafür zu sorgen, dass ihre Rechtsvorschriften die Verbraucher schützen, die es nicht vermeiden konnten, sich solchen Risiken auszusetzen, indem sie Maßnahmen treffen, die verhindern, dass die Verbraucher die Folgen der Verwirklichung dieser Risiken tragen. "

In dem Verfahren sei nicht bezweifelt worden, dass - wie auch der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung ( Urteil vom 12.11.2002, BGHZ 152, 331 ) bestätigt habe - nach dem bisherigen deutschen Recht ein Widerruf des Darlehensvertrages für den Verbraucher wirtschaftlich wenig oder gar nicht interessant sei. Der Verbraucher würde durch den Widerruf nicht besser, sondern sogar schlechter gestellt, da er das Darlehen sofort und nicht, wie vertraglich vorgesehen, in Raten zurückzahlen müsste (vgl. Ziffer 56 der Entscheidung).

Vor dem Gerichtshof sei auch nicht in Zweifel gezogen worden, dass mit solchen Kapitalanlagen neben der Gefahr, dass die Wohnung zum Zeitpunkt ihres Kaufs zu hoch bewertet wird, insbesondere das Risiko verbunden ist, dass sich die veranschlagten Mieteinahmen nicht erzielen lassen und dass sich die Erwartung in Bezug auf die Entwicklung des Immobilienpreises als falsch erweisen (Ziffer 52 der Entscheidung).

Der Europäische Gerichtshof differenziert wie folgt:

(1)

Die gegenwärtige deutsche Regelung mit den Widerrufsfolgen, dass der Verbraucher

- die Darlehensvaluta an den Darlehensgeber sofort zurückzahlen muss,

- und dem Darlehensgeber auch noch die marktüblichen Zinsen zahlen muss

verstosse nur dann nicht gegen die Haustürgeschäfterichtlinie 85/577, wenn das Kreditinstitut den Verbraucher zuvor ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat.

(2)

Wenn das Kreditinstitut den Verbraucher aber nicht über sein Widerrufsrecht nach Artikel 4 der Haustürgeschäfterichtlinie belehrt hat, müssen die Mitgliedsstaaten - und hier die Bundesrepublik Deutschland - " geeignete Maßnahmen treffen, damit der Verbraucher nicht die Folgen der Verwirklichung derartiger Risiken zu tragen hat " ( Ziffer 100 der Entscheidung ).

Ausblick:

Der EuGH fordert von dem deutschen Gesetzgeber und auch von der Rechtsprechung, dass sie den Verbraucher bei nicht erfolgter Belehrung im Sinne der Richtlinie vor derartigen Nachteilen schützt. Es müssen daher nationale Regelungen geschaffen werden, die den Verbraucher bei solchen Geschäften vor der sofortigen Rückzahlung des gesamten Darlehensbetrages und dessen marktüblicher Verzinsung schützen.

Damit ist zunächst klar, dass der Verbraucher hinsichtlich " dieser Risiken " entlastet werden soll.

Für Immobilienkapitalanlagen schließt dieses Urteil eine direkte Rückabwicklung des Immobilien-

kaufvertrages zu Lasten des finanzierenden Kreditinstituts aus.

Allerdings soll der Verbraucher auch vor den " mit der Kapitalanlage der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art verbundenen Risiken " wie

- einem überhöhten Kaufpreis,

- der Nichterzielbarkeit von Mieteinnahmen

- und der negativen Entwicklung des Immobilienpreises

geschützt werden.

Die Verbraucher dürfen also hoffen, dass sie ihre insoweit erlittenen Verluste auch hinsichtlich der erworbenen Immobilie gegen das finanzierende Kreditinstitut geltend machen dürfen.

Wir sprechen hier zunächst von einer Hoffnung, da der Europäische Gerichtshof die konkreten Rechtsfolgen nicht selbst festgelegt, sondern ausdrücklich der Verwirklichung des nationalen Gesetzgebers und der nationalen Gerichte überlassen hat.

Für die bisherigen verbundenen Finanzierungs- und Erwerbsfälle ist also insbesondere der für das Bankrecht zuständige XI. Senats beim Bundesgerichtshof berufen, diesen Schutz für die betroffenen Verbraucher in das nationale deutsche Recht umzusetzen.

Der XI. Senat hatte es bereits in zwei Beschlüssen vom 16.09.2003 - XI ZR 447/02 und vom 23.09.2003 - 325/02 als "ausgeschlossen" bezeichnet, der Europäische Gerichtshof könne verlangen, daß der Verbraucher die Darlehensvaluta nicht an das Kreditinstitut zurückzahlen muss.

Ungeachtet dessen wäre es ihm ( dem XI. Senat ) nach dem deutschen Recht auch nicht möglich, eine solche abweichende Ansicht des europäischen Gerichtshofes umzusetzen.

Der XI. Senat des BGH wird daher von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 25.10.2005 überrascht.

Es bleibt daher abzuwarten, ob der XI. Senat des BGH diesen vom Europäischen Gerichtshof verordneten Schutz der Verbraucher umsetzt oder diese angesichts der entgegenstehenden Regelung des deutschen Gesetzgebers auf Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland verweisen wird.

Martin Beckmann, Rechtsanwalt

Mirko Koch, Rechtsanwalt

 

 

 

Rechtsanwalt

 

 

 

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