Erfolgreiche PLUTA-Konferenz zum internationalen Insolvenzrecht in Bremen

13.06.2016

Bremen, 9. Juni 2016. Am 31. Mai 2016 fand in Bremen eine Vortragsveranstaltung der PLUTA Rechtsanwalts GmbH zum internationalen Insolvenzrecht statt. Im Großen Saal des altehrwürdigen Haus Schütting, dem Haus der Handelskammer Bremen, informierten die PLUTA-Experten Dr. Christian Kaufmann, Ivo-Meinert Willrodt, Dr. Joaquim Sarrate und Prof. Alessandro P. Scarso über Neuerungen im europäischen Insolvenzrecht. Neben Insolvenzrichtern und Rechtspflegern waren auch Insolvenzverwalter, Berater und Vertreter von Banken Gäste der Veranstaltung.

Dr. Christian Kaufmann, Geschäftsführer der PLUTA Rechtsanwalts GmbH und Leiter der PLUTA-Niederlassungen in Bremen und Oldenburg, erläuterte, welche konkreten Auswirkungen die Änderungen im europäischen Insolvenzrecht für Unternehmen sowie deren Gläubiger haben.

Hintergrund ist die Neufassung der EuInsVO, die vor knapp einem Jahr im Juni 2015 in Kraft getreten ist und die bisher geltende Fassung ersetzt. Die Neufassung, die neben einer Einschränkung des sogenannten forum shopping zahlreiche weitere Änderungen gebracht hat, wird auf Insolvenzverfahren Anwendung finden, die nach dem 26. Juni 2017 eröffnet werden. Bis dahin gilt das alte Recht weiter.

Kaufmann erklärte: „Eine Verlegung des COMI (centre of main interest), also des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen, in einen anderen Staat, um das dort geltende Insolvenzrecht zu nutzen (forum shopping), bleibt auch nach der Reform weiterhin möglich. Allerdings erfordert eine derartige Verlegung des COMI gegebenenfalls eine ausdrückliche Unterrichtung der Gläubiger, wenn sichergestellt werden soll, dass die Verlegung des COMI auch wirkt.“ Eine Sitzverlegung bei einer Gesellschaft allein ist regelmäßig nicht ausreichend. „Jedenfalls eine Sitzverlegung in den letzten 3 Monaten vor dem Insolvenzantrag ist nunmehr in jedem Fall unbeachtlich; insoweit wurde eine Sperrfrist eingeführt. Für Selbständige und Verbraucher wurde ebenfalls eine Sperrfrist eingeführt, die 3 bzw. 6 Monate beträgt.“

Weiterhin möglich bleibt eine Restrukturierung im Rahmen eines scheme of arrangement nach englischem Recht, wenn das Unternehmen einen hinreichenden Bezug (sufficient connection) zu Großbritannien hat. „Die britischen schemes of arrangement unterfallen auch nach der Neufassung nicht der EuInsVO, da sie von den Briten bewusst nicht in den Anhang A zur EuInsVO aufgenommen worden sind.“

Für Gläubiger eines Unternehmens, das seinen COMI in einen anderen Staat verlegt hat, wird die Beantragung eines Sekundärinsolvenzverfahrens, also eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen dieses Unternehmens in dem Staat der Gläubiger, erschwert. Damit soll das Blockadepotenzial lokaler Gläubiger reduziert werden.

Kooperationspflichten im Insolvenzverfahren

Ivo-Meinert Willrodt, Prokurist der PLUTA Rechtsanwalts GmbH und Leiter der PLUTA-Niederlassung in Regensburg, referierte über die Kooperationspflichten zwischen den Beteiligten im Insolvenzverfahren, namentlich den Insolvenzgerichten untereinander, den Verwaltern untereinander und zwischen Verwaltern und Gerichten.

Willrodt, bei PLUTA zudem verantwortlich für das internationale Geschäft und die Zusammenarbeit mit dem internationalen Netzwerk BTG Global Advisory, erklärte: „In Zukunft wird es in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren mehr Kommunikation, insbesondere auch zwischen den Gerichten, geben.“ Im angloamerikanischen Bereich ist dies heute schon gängige Praxis. „Der amerikanische oder englische Richter ruft seinen ausländischen Kollegen an, wenn es ein Problem gibt. Dies wird auch auf deutsche Gerichte zukommen.“

Die Neufassung der EuInsVO verpflichtet nämlich künftig auch die Gerichte zur Kooperation untereinander. In der bisherigen EuInsVO waren Kooperationspflichten nur für die Insolvenzverwalter – also den Insolvenzverwalter des Hauptinsolvenzverfahrens am Sitz des COMI und der Verwalter der Sekundärinsolvenzverfahren – gesetzlich normiert.

Die Neuregelungen basieren auf den Global Principles for Cooperation in International Insolvency Cases sowie den EU Cross-Boarder Insolvency Court-to-Court Cooperation Principles and Guidelines, bei denen es sich nicht um gesetzliche Regelungen handelt, sondern um Empfehlungen zum Umgang der Gerichte miteinander. Willrodt erläuterte anhand von Praxisfällen, was hiernach erlaubt ist, und was nicht.

Durchsetzung von Vermögenswerten in Spanien und Italien

Nach einem jeweils kurzen Überblick über das jeweilige nationale Insolvenzrecht gaben Dr. Joaquim Sarrate, Geschäftsführer der PLUTA Rechtsanwalts GmbH und Leiter der PLUTA-Niederlassung in Barcelona, sowie Prof. Alessandro P. Scarso, Leiter der PLUTA-Niederlassung in Mailand, Praxistipps zur Verwertung von Vermögenswerten in Spanien bzw. Italien, insbesondere hinsichtlich der Verwertung von Immobilien und Beteiligungen sowie zur Durchsetzung von Forderungen.

Bei der Verwertung von Beteiligungen eines Unternehmens in Spanien sei zunächst erforderlich, zu ermitteln, wie hoch die Beteiligung ist und wer die anderen Gesellschafter sind. „Daher ist es wichtig, das Gesellschafterbuch zu verlangen, weil die Gesellschafter nicht im Handelsregister eingetragen sind, ihnen aber oft ein Vorkaufsrecht zusteht.“ Das Gesellschafterbuch müsse man beim Geschäftsführer anfordern. „Wichtig zu wissen ist, dass die Geschäftsführertätigkeit unter Umständen auch durch das insolvente deutsche Unternehmen ausgeübt wird. In Spanien können nämlich auch juristische Personen Geschäftsführer einer Gesellschaft sein“, erläuterte Sarrate weiter. Für die deutsche Gesellschaft können dadurch Haftungsrisiken bestehen.

Bei der Sicherung von Grundstücken sei insbesondere eine schnelle Eintragung des Insolvenzverfahrens im Grundbuch zu veranlassen „Erforderlich ist hierfür eine gute Kommunikation mit den Registerbeamten. Diese gelingt aber nur, wenn sie jemanden vor Ort in Spanien haben, der das übernimmt“, so Sarrate. Bei Miteigentumsanteilen sei häufig die Auflösung der Miteigentümergemeinschaft erforderlich. Sarrate erläuterte, wie dies nach spanischem Recht erfolgt.

Sarrate wies daraufhin, dass bei der Durchsetzung von Forderungen zunächst wie in Deutschland das außergerichtliche und das gerichtliche Verfahren zu unterscheiden seien. Hilfreich sei stets zunächst eine Bonitätsprüfung. „Als besonders vorteilhaft erweist sich das Servicio de Indices. Hierbei handelt es sich um eine Registeranfrage, welche Auskunft über sämtliche Eigentumsrechte des Schuldners an Immobilien in Spanien gibt“, so Sarrate. Hilfreich bei der Durchsetzung von Forderungen sei auch das sog. Burofax. „Hiermit wird nicht nur wie beim Einschreiben die Zustellung beweissicher dokumentiert, sondern auch der Inhalt des Schreibens.“ Bei der gerichtlichen Durchsetzung sei zu beachten, dass anders als im deutschen Recht eine Vollstreckungsklage zu erheben sei. „In diesem Rahmen sind dem Richter die bekannten Vermögenswerte des Schuldners zu nennen. Darüber hinaus kann aber auch die gerichtliche Ermittlung von Vermögenswerten beantragt werden“, so Sarrate weiter.

In seinem kurzen Überblick über das spanische Insolvenzrecht hob Sarrate die Möglichkeit der Bestellung einer juristischen Person zum Insolvenzverwalter hervor – ein Thema, das zuletzt kontrovers in Deutschland diskutiert worden ist. Unlängst hat das Bundesverfassungsgericht die bisherige Praxis in Deutschland, ausschließlich natürliche Personen zu Insolvenzverwaltern zu bestellen, bestätigt. Sarrate wies ferner auf die Konzentration bei den Insolvenzgerichten in Spanien hin. Auch in Deutschland wird immer wieder die Konzentration der Insolvenzgerichte gefordert, was jedoch in manchen Bundesländern an deren Widerstand scheitere.

Besonderheiten in Italien

In seiner Einführung in das italienische Insolvenzrecht hob Prof. Alessandro P. Scarso die Schwierigkeiten hervor, die durch das Fehlen einer expliziten Insolvenzantragspflicht für die Sanierung von Unternehmen bestünden. „Insolvenzverschleppung ist in Italien mehr noch als in Deutschland an der Tagesordnung. Oft vergehen mehrere Jahre, bis es zur Insolvenzantragstellung kommt.“

Scarso stellte weiter die verschiedenen Formen von vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren in Italien dar. Über die Notwendigkeit der Einführung eines derartigen Verfahrens wurde in Deutschland lange Zeit diskutiert. Angesichts der zu erwartenden Vorgaben aus Brüssel wird es ein solches Verfahren in absehbarer Zeit auch in Deutschland geben. In welcher Form genau ist derzeit Gegenstand eines intensiven wissenschaftlichen Diskurses.

Interessant sei, so Scarso, dass unter bestimmten Voraussetzungen Investoren, die sich im Rahmen eines solchen vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens in Italien an dem Unternehmen beteiligen wollten, bis zu 80 % der gegebenen Gelder in einem späteren Anschlusskonkurs, also wenn die Sanierung später fehlschlägt, vorrangig zurückerhielten. „Dies steigert die Bereitschaft für Investoren, bei kriselnden Unternehmen einzusteigen“, so Scarso weiter.

Im Hinblick auf die Durchsetzung von Forderungen wies Scarso daraufhin, dass anders als nach deutschen Recht es keiner besonderen Maßnahmen zur Verjährungsunterbrechung bedürfe. „Ausreichend ist ein formelles Schreiben, in dem der Gläubiger sein Recht erwähnt und unter anderem mitteilt, dass das Schreiben die Verjährung unterbricht.“ Zum Abschluss ging Scarso noch auf die Besonderheiten der Anerkennung von Eigentumsvorbehalten in Italien ein.

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