Europäische Restrukturierungskonferenz der Kanzlei Noerr – Experten loben Sanierungserfolge unter neuem Insolvenzrecht / US-Gläubiger fordern mehr Transparenz

15.04.2013

Frankfurt, 12. April 2013. Ein Jahr nach Inkrafttreten der reformierten Insolvenzordnung sehen Experten den Sanierungsstandort Deutschland auf Augenhöhe mit dem bislang in Europa als führend geltenden britischen Recht und loben Sanierungserfolge in der Praxis. Internationale Gläubiger wünschen sich aber transparentere Verfahren in der Regelinsolvenz. Insbesondere werden Unklarheiten bei Verfahrenskosten moniert. Dieses Fazit zogen heute viele Teilnehmer des European Restructuring Days in Frankfurt, zu dem die internationale Sozietät Noerr eingeladen hatte.

Namhafte internationale Restrukturierungsexperten, Banker, Unternehmensvertreter und Investoren diskutierten auf der Noerr-Konferenz über die Finanzkrise und die sich daraus ergebenden Folgen für die Restrukturierung multinationaler Konzerne und Banken. Daneben standen die praktischen Erfahrungen bei der Unternehmensrettung im Vordergrund. Über die komplexe Sanierung des internationalen börsennotierten Baustoffkonzerns Pfleiderer AG berichtete deren ehemaliger Finanzvorstand Elmar Geissinger. Die langwierigen Verhandlungen bei der Refinanzierung der EUR 5 Milliarden verbrieften Immobilienkredite des Immobilienkonzerns Deutsche Annington schilderte Tom Campbell, Managing Director der Debt Advisory Praxis bei Blackstone. Die Lehren für Bankinsolvenzen aus der Abwicklung der internationalen Investmentbank Lehman Bros. schilderte Daniel J. Ehrmann, Partner der Unternehmensberatung Alvarez & Marsal und US-Insolvenzverwalter von Lehman Bros. Ehrmann nahm auch zu den Unterschieden zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Verfahren Stellung.

„Der durch den European Restructuring Day ermöglichte internationale Vergleich belegt eindrucksvoll die hohe Wettbewerbsfähigkeit der reformierten deutschen Insolvenzordnung“, fasste Dr. Thomas Hoffmann die Erkenntnisse aus den aktuellen Sanierungsfällen zusammen. Der Noerr-Partner führte gemeinsam mit Dr. Martin Kleinschmitt, Vorstand der Noerr Consulting AG, durch die Veranstaltung. Das deutsche Insolvenzrechtsreformgesetz ESUG war am 1. März 2012 in Kraft getreten.

Positive Erfahrungen konnten insbesondere bei den ersten beiden großen Schutzschirmverfahren unter dem ESUG gesammelt werden, den Restrukturierungen der Pfleiderer AG sowie der centrotherm photovoltaics AG. „Vor allem bei der Sanierung von centrotherm zeigte das ESUG seine Stärken“, sagte Martin Kleinschmitt. In beispielhafter Weise sei es bei der Sanierung gelungen, die Börsennotierung der Aktiengesellschaft zu erhalten und beim notwendigen Kapitalschnitt den Altaktionären 20 Prozent ihres Aktienbestandes zu erhalten. „Das ESUG kommt den Bedürfnissen des Kapitalmarkts entgegen und bietet Anteilseignern eine echte Alternative zur außergerichtlichen Sanierung“, ergänzte Hoffmann.

Kritik üben internationale Gläubiger aber an der im Vergleich zum US-Recht mangelnden Transparenz bei der Abwicklung von Unternehmen in der Regelinsolvenz. Vor allem bei den Verfahrenskosten wünschen sich viele US-Gläubiger mehr Klarheit. „Hier wenden die Gerichte in der Bundesrepublik völlig unterschiedliche Kriterien an, so dass die Verfahrenskosten für die Gläubiger nicht kalkulierbar sind. An dieser Stelle sollte der Gesetzgeber nachbessern“, regte Sanierungsexperte Hoffmann an.

Erste Studien zeigen, dass der Gesetzgeber die Weichen bei der Reform des Insolvenzrechts richtig gestellt hat: Nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage von Noerr in Zusammenarbeit mit Roland Berger Strategy Consultants sehen 40 Prozent der befragten Praktiker ihre Erwartung erfüllt, dass Firmenliquidationen seltener notwendig seien. „Insolvenzverfahren werden nun viel stärker als Chance begriffen, Unternehmen nicht mehr zu zerschlagen, sondern unter den neuen Regeln zu sanieren“, betonte Noerr-Partner Dr. Florian Becker in einer Panel-Diskussion unter weiterer Beteiligung von Insolvenzverwalter Christian Köhler-Ma (Leonhardt Rechtsanwälte), Andreas Dörhöfer, Leiter der Risk Management Advisory Group der Deutschen Bank sowie von Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.

„Im Laufe dieses Jahres erwarten wir auch in Deutschland einen steigenden Restrukturierungsbedarf“, sagte Thomas Hoffmann. Bereits im letzten Quartal 2012 seien die Insolvenzzahlen angestiegen. Eine schwächelnde Automobilindustrie in Folge zurückgehender Autoverkäufe in Europa dürfte auch die Zulieferindustrie in Bedrängnis bringen. Auch in mit strukturellen Problemen kämpfenden Branchen wie der Druckindustrie oder der Solarbranche bleibt das Insolvenzrisiko nach Einschätzung von Hoffmann weiter hoch.

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