Freshfields Bruckhaus Deringer: EU-Kartellstrafen auf Rekordkurs

06.01.2011

Wachsende Erfolge für Kommission durch Kronzeugenprogramm und internationale Behördenzusammenarbeit

2011 weiterer Anstieg bei Kartellverfahren erwartet, Vergleiche auf dem Vormarsch

Die Europäische Kommission hat im vergangenen Jahr Bußgelder für Kartellverstöße in Höhe von insgesamt 3,05 Milliarden Euro verhängt. Laut Berechnung der internationalen Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer ist dies die zweithöchste jemals in einem einzelnen Jahr erreichte Summe, seit die Kommission Bußgelder für Kartellverstöße verhängen kann.

Die 3-Milliarden-Euro-Marke wurde kürzlich durch den Abschluss von zwei Großverfahren überschritten. So wurden gegen elf Fluglinien wegen Preisabsprachen im Luftfrachtgeschäft Bußgelder in Höhe von insgesamt 800 Millionen Euro verhängt. Fünf asiatische Elektronikunternehmen zahlten im Anschluss an ein erstes Settlement nach den neuen Kommissionsrichtlinien Bußgelder in Höhe von insgesamt 649 Millionen Euro wegen Preisabsprachen bei LCD-Bildschirmen für Telefone, Computer und TV-Geräte.

Dr. Martin Klusmann, Leiter der Kartellrechtspraxis bei Freshfields Bruckhaus Deringer: „Ihre jüngsten Erfolge bei Kartellverfahren verdankt die Europäische Kommission vor allem den Möglichkeiten, Bußgelder für kooperierende Unternehmen zu verringern. Außerdem arbeiten die Kartellbehörden weltweit intensiver zusammen.“

Das Kronzeugenprogramm der EU erlaubt Bußgeldnachlässe für Kartellverstöße, bei deren Aufklärung Beschuldigte aktiv mitwirken. Martin Klusmann: „Kronzeugenprogramme haben sich insbesondere in Fällen als effektiv erwiesen, in denen gleich mehrere Unternehmen mit den zuständigen Behörden kooperieren und sich dabei selbst belasten, um Bußgeldrisiken ganz zu vermeiden oder signifikant zu reduzieren.“

Die internationale Zusammenarbeit von Kartellbehörden, noch vor wenigen Jahren eher unüblich und auf besonders große Fälle beschränkt, ist mittlerweile in grenzüberschreitenden Kartellfällen gängige Praxis und Tagesgeschäft.

Martin Klusmann: „Im Kartellrecht und im Bereich der Wirtschaftskriminalität sind die Verfahren heute zunehmend international. Die zuständigen Verfolgungsbehörden verfügen heute regelmäßig über weit mehr Informationen als noch vor wenigen Jahren. Sie tauschen - oft auch informell - untereinander Informationen aus und führen so vielfach mit vereinten Kräften und zugleich arbeitsteilig sehr fokussierte parallele Untersuchungen durch.“

Dennoch können sich von Kartellfällen betroffene Unternehmen auch immer wieder erfolgreich verteidigen. Viele Firmen neigen aber inzwischen wegen der großen öffentlichen Aufmerksamkeit und des offensiven Vorgehens der Europäischen Kommission bei Kartelluntersuchungen eher zur Zusammenarbeit.

Martin Klusmann: „Im vergangenen Jahr wurden erstmalig auch in zwei Fällen Vergleiche geschlossen, bei denen die Unternehmen im Gegenzug für eine geringere Strafe und eingeschränkte Verteidigungsrechte ihre Beteiligung an einem Kartell einräumen. Das dürfte künftig häufiger vorkommen. Streitig geführte Verfahren sind für alle Beteiligten sehr ressourcenintensiv, insbesondere aber für die Kommission selbst. Mit der neuen Möglichkeit des Abschlusses von Vergleichen will die Kommission ihre administrativen Verfahren vereinfachen, die Anzahl der gerichtlichen Verfahren verringern und Ressourcen freisetzen, um mehr Fälle bearbeiten zu können.“

Der erste derartige Vergleich wurde 2010 in einem Kartellfall geschlossen, an dem zehn Hersteller von in Computern und Servern verwendeten Speicherchips oder DRAMS beteiligt waren, die Preisabsprachen einräumten und eine Strafe von 331 Millionen Euro akzeptierten. Im zweiten Fall zahlten Anfang Dezember LCD-Hersteller bei einem Vergleich insgesamt 649 Millionen Euro, die auf mehrere beteiligte Unternehmen verteilt wurden.

Martin Klusmann: „Vergleiche machten im vergangenen Jahr bereits fast ein Drittel der Einnahmen der Europäischen Kommission in Kartellverfahren aus. Im kommenden Jahr dürfte die Kommission daher weitere Vergleiche anstreben. Es wird erwartet, dass die derzeit noch etwas sperrigen Verfahrensregeln vereinfacht werden, um die Vergleichsbereitschaft der Unternehmen weiter zu fördern.“

Neben der Kooperation mit Unternehmen setzt die Europäische Kommission in komplexen Kartellrechtsfällen offensiv und öffentlichkeitswirksam auch und weiterhin das Instrument kartellrechtlicher Durchsuchungen ("Dawn Raids") bei Unternehmen ein. Im vergangenen Jahr wurden 7, im Jahr davor 9 dieser so genannten Nachprüfungen durchgeführt.

Martin Klusmann: „Auffallend ist vor allem der wachsende Aufwand an Personal und modernster IT-Technologie, mit denen Dawn Raids durchgeführt werden. Die Kommission gewinnt damit Informationen von sehr hoher Qualität. Dawn Raids sind aber auch deshalb ein wirksames Instrument, weil oft Informationen über durchgeführte Durchsuchungsaktionen schnell in die Medien geraten und die Unternehmen dann unter Erklärungs- und Handlungsdruck stehen."

„Für 2011 erwarten wir insgesamt eine stabile oder sogar weiter zunehmende Aktivität der Kommission bei der Verfolgung von Kartellverstößen. Als Gefahr für den weiteren Erfolg des Kronzeugenprogramms der Kommission gilt allerdings die wachsende Zahl von Schadensersatzklagen privater Kläger gegen Unternehmen, die in Ermittlungsverfahren kooperiert haben.“

Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an Jan Beßling, Communications

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