Haase & Lieberknecht: Haftung der Bundesrepublik Deutschland für Fehler ihrer staatlichen Bankenaufsicht? Ausschluss der Staatshaftung für Fehler der staatlichen Bankenaufsicht steht in Übereinstimmung mit dem Europarecht

31.01.2007

Haase & Lieberknecht

Mit seinem Beschluß vom 16.05.2002, Aktenzeichen

 

 

, hatte der dritte Zivilsenat des BGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens dem EuGH Fragen zur Vereinbarkeit des Ausschlusses der Staathaftung der Bundesrepublik Deutschland für Fehler ihres Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesens (BAKred), jetzt Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) gemäß § 6 Abs. 4 KWG mit dem Gemeinschaftsrecht vorgelegt. § 6 Abs. 4 KWG regelte, daß das BAKred seine Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt, nicht also auch im privaten, was eine Staatshaftung bei fehlerhafter Bankenaufsicht ausschließt. § 6 Abs. 4 KWG wurde zwischenzeitlich durch § 4 Abs. 4 FinDAG ersetzt, der eine inhaltlich gleiche Regelung enthält. U. a. wollte der BGH die Frage beantwortet erhalten, ob Maßnahmen der staatlichen Bankenaufsicht auch im Interesse des einzelnen Anlegers wahrgenommen werden und ob der einzelne Anleger im Fall der Verletzung von Pflichten des BAKred die BRD im Wege der Staatshaftung haftbar machen kann.

Über dieses Verfahren und seine Vorgeschichte hatte Rechtsanwalt Haase bereits in seiner

 

 

ausführlich berichtet.

Am 30.09.2003 fand die mündliche Verhandlung vor dem Plenum des EuGH (Aktenzeichen C 222 / 02) statt; Rechtsanwalt Karsten Haase, der Verfahrensbevollmächtigte der klagenden Anleger, trat dabei für die Kläger auf.

Mit Urteil vom 12.10.2004 entschied der EuGH, daß die europäischen Richtlinien über das Bankrecht dem Einzelnen nicht das Recht verleihen, von der nationalen Bankenaufsichtsbehörde den Erlass angemessener Aufsichtsmaßnahmen zu verlangen oder die Aufsichtsbehörde oder den betreffenden Mitgliedstaat bei unzureichender Aufsicht haftbar zu machen, wenn und sofern die in der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme vorgesehene Entschädigung des Einzelnen gewährleistet ist. Nationale Vorschriften, die regeln, daß nationale Behörden zur Aufsicht über Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnehmen, sind mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

Der EuGH hat mithin auch entschieden, daß § 6 Abs. 4 BAKred nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, sofern in der Bundesrepublik Deutschland eine Entschädigung des Einzelnen im Falle der Nichtverfügbarkeit seiner Einlagen i.S.d. Richtlinie über Einlagensicherungssysteme gewährleistet ist. In diesem Fall scheidet daher auch eine Staatshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG aus, selbst wenn die staatliche Bankenaufsicht fehlerhaft arbeitet und dem einzelnen Anleger aufgrund dessen ein Schaden entsteht. Gleiches dürfte nun auch für § 4 Abs. 4 FinDAG gelten.

Diese Entscheidung des EuGH, die nahezu sämtliche von den klagenden Anlegern vorgebrachten Argumente unberücksichtigt läßt, diese sogar noch nicht einmal erwähnt, verdient Kritik.

Denn mit dieser Entscheidung verweist der EuGH sämtliche Anleger im Fall der Nichtverfügbarkeit ihrer Einlagen auf einen Entschädigungsanspruch, der der Höhe nach durch die Richtlinie über Einlagensicherungssysteme auf bis zu € 20.000 begrenzt ist; eine höhere Deckung ist lediglich freiwillig. Dies gilt auch dann, wenn ein betroffener Anleger mehr als € 20.000 angelegt haben sollte. Die einzelnen Kläger im Verfahren vor dem BGH zum Aktenzeichen III ZR 48/01 hatten zum Teil Beträge in Höhe von deutlich über DM 100.000 angelegt und verloren.

Der EuGH ließ dabei auch das Argument der klagenden Anleger unbeachtet, daß § 6 Abs. 4 KWG eine Haftung der Bundesrepublik Deutschland selbst für den Fall einer vorsätzlichen Pflichtverletzung durch das BAKred ausschließt. Dies bedeutet im Ergebnis eine vollkommene Freizeichnung der Bundesrepublik Deutschland selbst für vorsätzlich begangene Pflichtverletzungen ihrer staatlichen Bankenaufsicht.

Zwar hat der EuGH zutreffend erkannt, daß die Richtlinien über das Bankenrecht den nationalen Bankenaufsichtsbehörden Pflichten zur Aufsicht über die Kreditinstitute auferlegen, wobei zu den Zielen dieser Richtlinien auch der Schutz der Anleger und Sparer zählt. Diesen Schutz hat der EuGH mit seiner Entscheidung vom 12.10.2004 jedoch stark verkürzt. Denn er hat dahingehend entschieden, daß auch diese Richtlinien dem Einzelnen kein Recht verleihen, von der nationalen Bankenaufsichtsbehörde den Erlaß angemessener Aufsichtsmaßnahmen zu verlangen oder die Behörde oder den betreffenden Mitgliedstaat bei unzureichender Aufsicht haftbar zu machen.

Sofern also ein Mitgliedstaat ein Einlagensicherungssystem installiert, das der Richtlinie über Einlagensicherungssystemen entspricht, scheidet eine Haftung des Mitgliedsstaats für Fehler seiner Bankenaufsicht aus. Geschädigte Anleger werden vielmehr auf Entschädigungsansprüche gegen das jeweilige Einlagensicherungssystem verwiesen, das lediglich eine Mindestentschädigung bis zu € 20.000 zu leisten braucht; eine höhere Absicherung bei Nichtverfügbarkeit von Einlagen kann freiwillig erfolgen. Die Richtlinie über Einlagensicherungssysteme soll lediglich einen europäischen Mindeststandard sichern. Der einzelne Anleger muß nun besonders sorgfältig prüfen, welchen Kreditinstituten er sein Geld anvertraut.

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Rechtsanwalt Karsten Haase

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