Haase & Lieberknecht: Haftungsklauseln für Schäden an aufgegebenem Gepäck von Fluggästen unwirksam – BGH stärkt Rechte der Verbraucher

21.02.2007

Haase & Lieberknecht

Am 05.12.2006 hat der BGH in dem Verfahren

 

 

einen seit langem schwelenden Rechtsstreit zwischen einem der führenden Verbraucherschutzverbände und einer der führenden deutschen Luftverkehrsgesellschaften im Sinne der Verbraucher entschieden.

In der Sache ging es um zwei Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen dieser Luftverkehrsgesellschaft aus dem Jahr 2001, die der Verbraucherschutzverband mit einer Unterlassungsklage angegriffen hatte. Nach der ersten dieser beiden Klauseln sollte es Fluggästen untersagt sein, zerbrechliche oder verderbliche Gegenstände, Computer oder sonstige elektronischen Geräte, Geld, Juwelen, Edelmetalle, Wertpapiere, Effekten und andere Wertsachen sowie Geschäftspapiere und Muster im aufzugebenden Gepäck befördern zu lassen. Der Luftfrachtführer sollte hiernach die Beförderung des aufgegebenen Gepäcks auch verweigern dürfen. Die andere dieser beiden Klauseln sollte die Haftung des Luftrachtführers für Schäden an den vorgenannten Gegenständen auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz beschränken und zwar unabhängig, ob diese Gegenstände mit oder ohne Wissen des Luftfrachtführers im aufgegebenen Gepäcke des Fluggastes transportiert werden. Die Vorschriften des Warschauer Abkommens sollten von dieser zweiten Klauseln unberührt bleiben.

Der BGH entschied, daß diese beiden Klauseln der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB unterliegen. Die erste Klausel modifiziert die Hauptleistungspflicht des Luftfrachtführers, nämlich die Pflicht der Beförderung; die zweite Klausel regelt Haftungsfragen.

Verwendet nun ein Luftfrachtführer, der eine Betriebsgenehmigung eines Mitgliedsstaats der Europäischen Gemeinschaft besitzt, in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen diese beiden Klauseln, so werden dessen Fluggäste hierdurch unangemessen benachteiligt. Nach zutreffender Würdigung des BGH sind diese beiden Klauseln daher unwirksam.

§§ 44 ff. LuftVG a. F. regelten eine Verschuldenshaftung des Luftfrachtführers mit widerlegbarer Verschuldensvermutung. Hiermit steht die zweite Klausel in Widerspruch, die die Haftung des Luftfrachtführers auf leichte Fahrlässigkeit beschränken soll, weshalb sie verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt. Daß diese Klausel vom LuftVG in seiner alten Fassung abweicht hat der BGH zutreffend als unerheblich gewertet, da der klagende Verbraucherschutzverband ausschließlich in die Zukunft gerichtete Unterlassungsansprüche geltend gemacht hat. Denn diese zweite Klausel verstößt auch gegen das aktuelle Recht, die Regelungen des Montrealer Übereinkommens (MÜ), und stellt daher eine unangemessene Benachteiligung der Fluggäste dar. Durch die Hinterlegung der Ratifikationsurkunde seitens der Europäischen Gemeinschaft ist das MÜ auch für die Europäische Gemeinschaft in Kraft getreten. Die Haftung des Luftfrachtführers nach Art. 17 Abs. 2 MÜ stellt eine Gefährdungshaftung bzw. eine der Gefährdungshaftung angenäherte Erfolgshaftung dar und nicht mehr eine Haftung für vermutetes Verschulden. Die Haftung des Luftfrachtführers nach Art. 17 Abs. 2 MÜ ist zwingend. Eine Regelung wie in der zweiten Klausel, durch welche die Haftung des Luftfrachtführers ganz oder teilweise ausgeschlossen wird oder die in dem MÜ festgesetzten Haftungshöchtsbeträge herabgesetzt werden, ist gemäß Art. 26 MÜ nichtig; wird sie gleichwohl vereinbart, so stellt sie eine unangemessene Benachteiligung dar und verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Auch die vom Verbraucherschutzverband angegriffene erste Klausel benachteiligt den Fluggast in Verbindung mit der zweiten Klausel gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen. Denn der BGH hat zu Recht erkannt, daß es sich bei den in der ersten Klausel genannten Gegenstände um diejenigen handelt, für die die zweite Klausel eine Haftungsbeschränkung vorsieht. Die erste Klausel dient daher der Durchsetzung der unangemessenen und nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksamen zweiten Klausel. Stehen aber zwei Klauseln in einer Wechselwirkung, von denen die eine schon isoliert betrachtet eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners darstellt, so kann sich deren Unwirksamkeit auf die andere Klausel erstrecken und zwar selbst dann, wenn diese andere Klausel für sich genommen beanstandungsfrei sein sollte. Die unwirksame Klausel „infiziert“ mithin die wirksame andere. Der BGH hat in diesem Zusammenhang auch zutreffenderweise festgestellt, daß es nicht Sache des Gerichts ist, auszusuchen, welche der Klauseln bestehen bleiben solle.

Daß der BGH in seinem Urteil vom 05.12.2006 lediglich über diese beiden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Luftverkehrsgesellschaft aus dem Jahr 2001 entschieden hat, die von ihr zwischenzeitlich in aktualisierter Fassung verwandt werden, kann sie jedoch nicht „kalt lassen“. Denn auch ihre aktuell geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ihre Haftung für Gepäckschäden regeln, dürften im Lichte des Urteils des BGH vom 05.12.2006 einer höchtstrichterlichen Überprüfung nicht stand halten. Es bleibt daher abzuwarten, ob die verklagte Luftverkehrsgesellschaft ihre aktuellen Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Urteil des BGH vom 05.12.2006 anpassen wird. Der klagende Verbraucherschutzverband wird dies jedenfalls genau beobachten.

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Rechtsanwalt Karsten Haase

Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mediator, Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht an der Universität Dortmund und für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Niederrhein (Mönchengladbach/Krefeld)

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