Haase & Lieberknecht: Staatshaftung wegen Pflichtverletzung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen ? Deutsche Bankenaufsicht auf dem Prüfstand des Europäischen Gerichtshofs

27.10.2002

Haase & Lieberknecht

Der BGH hat mit Beschluß vom 16.05.2002, Aktenzeichen III ZR 48/01, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) u. a. die Frage zu Klärung vorgelegt, ob Maßnahmen der staatlichen Bankenaufsicht auch im Interesse des einzelnen Anlegers und Sparers wahrgenommen werden. Darüber hinaus möchte der BGH auch die Frage geklärt wissen, ob der einzelne Anleger im Fall der Verletzung von Pflichten des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (BAKred) die BRD im Rahmen der Staatshaftung haftbar machen kann.

Der EuGH wird nun eine richtungsweisende Entscheidung auf dem Gebiet der staatlichen Bankenaufsicht und des Verbraucherschutzes zu treffen haben: Denn beantwortet der EuGH die vorgelegten Fragen im Sinn der einzelnen Anleger verbraucherfreundlich, so wird die staatliche Aufsicht über das Bank- und Kreditwesen, die seit dem 01.05.2002 in der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zusammengefaßt ist, zukünftig wesentlich rigider Kreditinstitute zu prüfen haben, da ansonsten Haftungsrisiken in kaum absehbarem Umfang auf die BRD zukommen könnten. Zugleich dürfte eine solche rigidere Staatsaufsicht aber den prüfungsscheuen Kreditinstituten ein Dorn im Auge sein, die der Diskussion zur Abwanderung von Kreditinstituten ins Ausland neue Nahrung geben dürfte.

1.) Was war geschehen ?

Die Kläger waren Privatanleger der Düsseldorfer BVH Bank für Vermögensanlagen und Handel AG (BVH Bank). Diese Bank hatte sich in den Jahren 1987 bis 1992 vergeblich um die Aufnahme in den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken e. V. bemüht. Da sie die Voraussetzungen nicht erfüllte, betrieb sie das Aufnahmeverfahren nicht weiter. Aufgrund der äußerst angespannten wirtschaftlichen Situation dieser Bank ordnete das BAKred in den Jahren 1991, 1995 und 1997 Sonderprüfungen an, die massive Unregelmäßigkeiten und eine äußerst desolate wirtschaftliche Situation dieser Bank zu Tage brachten. Mit Wirkung vom 19.08.1997 ordnete das BAKred ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot sowie die Schließung dieser Bank für den Verkehr mit der Kundschaft an (Moratorium). Am 01.12.1997 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der BVH Bank bei dem AG Düsseldorf eröffnet (AZ. 66 N 391/97).

Da die BVH Bank nicht Mitglied im Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken e. V. war, blieb den mehr als 250 Kleinanlegern nichts anderes übrig, als ihre Forderungen zur Konkurstabelle anzumelden. Viele, zum Teil ältere Kleinanleger hatten der BVH Bank erhebliche, zum Teil hohe sechsstellige Beträge anvertraut; für viele dieser Kleinanleger stellten diese Guthaben die Absicherung für ihren Lebensabend dar. Ob und welche Quote ihnen im Rahmen des Konkursverfahrens zugeteilt werden wird, ist zur Zeit noch völlig offen. Der Konkursverwalter, Rechtsanwalt Dr. Andres aus Düsseldorf, hüllt sich in Schweigen.

Wie sich erst im Nachhinein herausgestellt hat, war die BVH Bank auch Spielball des organisierten Verbrechens. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf (Aktenzeichen 28 Js 369/97) ermittelt seit geraumer Zeit wegen des Verdachts der Geldwäsche. Der ehemaligen Vorstand dieser Bank hat sich längst aus dem Staub gemacht hat; er hält sich im Ausland auf.

2.) Die Rechtslage

1998 erhob Rechtsanwalt Haase erfolgreich für zwei geschädigte Kunden der BVH Bank die beiden ersten Schadensersatzklagen gegen die BRD vor dem LG Bonn (Aktenzeichen LG Bonn 1 O 152/98 und 1 O 186/98 = ZIP 1999, 959 ff.). Denn bereits zum 30.06.1995 hätte die BRD die Einlagensicherungsrichtlinie (Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.05.1994) in nationales Recht umsetzen müssen. Hiernach darf ein Kreditinstitut nur noch dann Bankgeschäfte vornehmen, wenn es Mitglied in einem Einlagensicherungssystem ist, das die Einlagen jedes Anlegers bis zu einer Höhe von zumindest 20.000,00 ECU absichert. Die BRD setzte dies Richtlinie jedoch erst zum 01.08.1998 in Deutsches Recht um, also mit einer Verspätung von mehr als 3 Jahren. Wäre die Einlagensicherungsrichtlinie hingegen rechtzeitig umgesetzt worden, hätte die BVH Bank ca. 2,5 Jahre vor ihrem Konkurs Mitglied in einem solchen Einlagensicherungssystem werden müssen; dann aber wären ihre Kunden hierdurch bis zu einer Höhe von 20.000,00 ECU abgesichert gewesen bzw. entschädigt worden. In beiden Verfahren wurde die BRD wegen der verspäteten Umsetzung der Einlagensicherungsrichtlinie zur Zahlung von 20.000 ECU = DM 39.450 an die geschädigten Anleger verurteilt.

Dies war jedoch für viele Kleinanleger der BVH Bank nur ein kleiner Trost; denn für diese war der Betrag in Höhe von 20.000,00 ECU nur ein Bruchteil dessen, was sie bei der BVH Bank insgesamt angelegt hatten. Das LG Bonn (Aktenzeichen 1 O 152/98, 1 O 186/98 = ZIP 1999, 959 ff., 1 O 159/99) und das OLG Köln (Aktenzeichen 7 U 104/00 = NJW 2001, 2724 ff.) gingen auf den Vorwurf, daß das BAKred seine Pflichten nicht ordnungsgemäß wahrgenommen habe und daß es in Kenntnis der miserablen wirtschaftlichen Situation der BVH Bank dieser früher das Bankgeschäft hätte untersagen müssen, nicht ein. Vielmehr behandelten sie die möglichen Amtspflichtverletzungen des BAKred nicht weiter und wiesen die Klagen hinsichtlich des weitergehenden und die Grenze von 20.000,00 ECU übersteigenden Schadens ab. Beide Gerichte verwiesen dabei § 6 Abs. 4 KWG, wonach das BAKred seine Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnehme, nicht aber auch im Interesse der einzelnen Anleger. Selbst wenn Amtspflichtverletzungen begangen worden sein sollten, würden diese daher keine Amtshaftungsansprüche und somit keine Staatshaftung auslösen.

Diese Ansicht ist jedoch falsch. Denn § 6 Abs. 4 KWG käme ansonsten einer absoluten Freizeichnung der BRD für Amtspflichtverletzungen des BAKred gleich. Sollte nämlich das BAKred seine Pflichten verletzen und hierdurch bei einzelnen Anlegern ein Schaden entstehen, könnte die BRD für die Amtspflichtverletzung seines eigenen Bundesamts nicht haftbar gemacht werden. U. a. aus diesem Grund ist eine solche grenzenlose Freizeichnung, wie sie § 6 Abs. 4 KWG vorsieht, verfassungs- und europarechtswidrig. Schließlich wurde § 6 Abs. 4 KWG seinerzeit nach dem Zusammenbruch der Herstatt-Bank in das KWG aufgenommen, um solchen möglicherweise immensen Amtshaftungsansprüchen, die nach der früheren Rechtsprechung des BGH anerkannt gewesen waren, den Riegel vorzuschieben. Eine mit § 6 Abs. 4 KWG inhaltsgleiche Regelung ist auch für die neue Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in § 4 Abs. 4 FinDAG enthalten; hiernach müßte die BRD auch für Amtspflichtverletzungen dieser neuen Bundesanstalt gegenüber einzelnen Anlegern nicht haften.

Gegen das Urteil des OLG Köln vom 11.01.2001 (Aktenzeichen 7 U 104/00 = NJW 2001, 2724 ff.) wurde Revision beim BGH eingelegt: Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Bedenken hat er nun die Angelegenheit mit dem eingangs erwähnte Beschluß dem EuGH zur Prüfung und Klärung vorgelegt.

Entscheidet der EuGH in hiesigen Sinn, dann wäre § 6 Abs. 4 KWG und auch die neue Regelung des § 4 Abs. 4 FinDAG hinfällig und der Weg zur Staatshaftung der BRD auch für die Anleger der BVH Bank eröffnet. Dies hätte eine deutliche Stärkung des Verbraucherschutzes im Banken- und Kreditwesen zur Folge. Die staatliche Aufsicht in diesem Bereich müßte ihre Aufgaben dann auch im Interesse der einzelnen Anleger und Sparer wahrnehmen. Je intensiver jedoch die Staatsaufsicht im Banken- und Kreditwesen tätig wird, um so eher wird dies den Widerstand der Banken hervorrufen und gegebenenfalls ihre Abwanderung ins Ausland beschleunigen.

Rechtsanwalt Haase wird das Verfahren vor dem EuGH für die klagenden Anleger nun vorbereiten und für diese vor dem EuGH auftreten. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

Rechtsanwalt Karsten Haase

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