Leinemann & Partner Rechtsanwälte: Rechtswidrige Vergabepraxis im Straßenbau gestoppt - Erlaß des Bundesverkehrsministers 25/2004 ist rechtswidrig
Leinemann & Partner Rechtsanwälte
Die Oberlandesgerichte Brandenburg und Naumburg haben in den vergangenen Tagen bei Ausschreibungen
betreffend Autobahnlose für die A 113 und die A 38 eine seit zehn Monaten bestehende,
rechtswidrige Vergabepraxis beendet. Mit den Beschlüssen wurde Rechtsmitteln von Straßenbauunternehmen
stattgegeben, die als günstigste Bieter aus einem europaweiten Ausschreibungsverfahren
hervorgegangen waren, dennoch von der Straßenbauverwaltung vom Vergabeverfahren
ausgeschlossen wurden. Es war beabsichtigt, jeweils deutlich teurere Bieter zu beauftragen,
obwohl der Angebotspreis das maßgebliche Wertungskriterium sein sollte. Grundlage für den
Ausschluß der preisgünstigsten Bieter war das Allgemeine Rundschreiben Straßenbau Nr.
25/2004 vom 25.11.2004, eine verbindliche Weisung des Bundesverkehrsministeriums für alle
Straßenbaumaßnahmen des Bundes. Nach diesem Erlaß sollten alle Unternehmen vom Wettbewerb
ausgeschlossen werden, die in einzelnen Positionen des meist viele hundert Positionen umfassenden
Leistungsverzeichnisses deutlich niedrigere bzw. höhere sogenannte Einheitspreise
anbieten als der Durchschnitt der übrigen Bieter. Wer seine - ordnungsgemäß eingetragenen -
Preise nicht zur vollständigen Zufriedenheit des Auftraggebers auch zur Preishöhe erläutern konnte,
sollte vom Wettbewerb ausgeschlossen werden.
Die Bieter haben den Ausschluß ihrer Angebote vor den Vergabekammern und Oberlandesgerichten
angegriffen und hatten nun Erfolg. Dazu Rechtsanwalt Dr. Ralf Leinemann: Seit Jahresbeginn
wurden viele Millionen Euro zusätzlicher Steuergelder ausgegeben, weil unter Verstoß gegen das
Vergaberecht nicht die günstigsten sondern teilweise deutlich teurere Bieter beauftragt wurden. Bei
der A 38 sollten rd. 2 Mio. teurere Bieter (bei ca. 38 Mio Gesamt) und bei der A 113 ein rd.
400.000 teurerer Bieter beauftragt werden. Jetzt kann wieder der Bieter mit dem niedrigsten Angebotspreis
auch den Zuschlag erwarten, wenn sein Angebot ansonsten keine formellen Mängel
aufweist. In allen Verfahren haben LEINEMANN & PARTNER RECHTSANWÄLTE die erfolgreichen Bieter
vertreten.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht erklärt mit Beschluß vom 13.09.2005 die gesamte,
durch das ARS 25/2004 geübte Praxis der Straßenverwaltung für rechtswidrig, weil der Wettbewerb
durch Ausschreibungsverfahren die Möglichkeit der Bieter zur freien Preisbildung nicht reguliere.
Ebenso hat das OLG Naumburg in zwei Beschlüssen vom 22.09.2005 betreffend den Neubau
der Autobahn A 38 entschieden.
Es widerspricht den anzuwendenden Vorschriften über den Wettbewerb, wenn ein Auftraggeber
einzelne, im Wettbewerb angebotene Einheitspreise als nicht hinreichend erläutert zurückweist
und deshalb einem Bieter die Chance genommen wird, sich am Wettbewerb zu beteiligen. Der
Bundesgerichtshof hat zwar in seiner bekannten Mischkalkulations-Entscheidung vom
18.05.2004 (Az X ZB 7/04) festgestellt, daß Angebote ausgeschlossen werden müssen, bei denen
Bieter Preisbestandteile für eine bestimmte Leistungsposition ganz oder teilweise in eine andere
Leistungsposition ihres Angebots verlagern (und damit Preisbestandteile einer Leistung in einer
anderen Position verstecken). Dies hat indes mit der Frage der Nachvollziehbarkeit von Preisen
nichts zu tun. Für die Frage der formellen Korrektheit eines Angebotes bleibt es danach ohne Belang, ob der vom Bieter angebotene Einheitspreis vom marktüblichen Preis abweicht oder evtl. gar
unauskömmlich ist. Die Auskömmlichkeit eines Angebots wird nur anhand des Gesamtpreises für
die ausgeschriebene Leistung beurteilt. Die Abweichung des Gesamtpreisniveaus war in den entschiedenen
Fällen jedoch nicht gravierend. Eine Kalkulation kann aber nicht auf ihre Ordnungsgemäßheit
hin geprüft werden. Es bleibt eben Sache des jeweiligen Unternehmens, wie es seine
Preise kalkuliert, selbst wenn dies für Dritte unauskömmlich oder überhöht erscheint. Es dürfen
also unterschiedlich hohe Gewinnanteile in einzelnen Positionen kalkuliert werden. Zulässig ist
auch die preismindernde Berücksichtigung von Lieferantenrabatten und Sondereffekten, auch ohne
dass diese nachgeweisen werden müssten. Solange ein Bieter für eine abgefragte Leistung in
der ausgeschriebenen Position einen abschließenden und vollständigen Preis angibt, kann die
Vergabestelle ihn nicht vom Wettbewerb ausschließen, allein weil sie den Preis verdächtig findet.
Zweifel einer Vergabestelle können nur dann zum Ausschluß führen, wenn diese nicht auf Vermutungen,
sondern auf Belegen basieren. Die Vergabestellen tragen für das Vorliegen von
Ausschlußgründen die Nachweispflicht.
Die Gerichtsentscheidungen heben hervor, daß die angefochtene Prüfungspraxis letztlich zu einer
staatlichen Überprüfung von Wettbewerbspreisen auf deren Angemessenheit hin geführt hätte,
obwohl für solche Eingriffe in einem marktwirtschaftlichen Wettbewerb gar keine Grundlage besteht.
Ein Bieter darf somit innerhalb eines Leistungsverzeichnisses einzelne Positionen besonders
günstig und andere Positionen besonders auskömmlich anbieten, auch wenn dies vielleicht in der
spekulativen Erwartung erfolgt, dass einzelne der angebotenen Leistungsbilder später gar nicht
oder nur in verändertem Umfang zur Ausführung gelangen werden. Solche Motive der Preisbildung
sind nach den Gerichtesentscheidungen nicht zu beanstanden.
Rechtswidrig und nicht durch das geltende Vergaberecht gestützt ist auch die Praxis der Straßenbauverwaltung,
von den Bietern schon im Rahmen des Wettbewerbs die Einreichung von Kalkulationsunterlagen
der von ihnen vorgesehenen Nachunternehmer zu verlangen. Das OLG Brandenburg
weist nachdrücklich darauf hin, daß Grundlage für den abzuschließenden Vertrag nur der
vom Bieter selbst angegebene Preis ist und nicht etwa der Preis eines eventuellen Nachunternehmers
oder gar dessen Kalkulation.
Die Beschlüsse sind im Originaltext online einsehbar bei www.leinemann-partner.de, unter Eingabe
einer Quicklink-Nr:
OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.09.2005, W Verg 9/05, Quicklink-Nr. 1100502
OLG Naumburg, Beschl. v. 22.09.2005, Verg 7/05, Quicklink-Nr. 1110503
OLG Naumburg, Beschl. v. 22.09.2005, Verg 8/05, Quicklink-Nr. 1110502
RA Dr. Ralf Leinemann
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