Leinemann & Partner Rechtsanwälte: Rechtswidrige Vergabepraxis im Straßenbau gestoppt - Erlaß des Bundesverkehrsministers 25/2004 ist rechtswidrig

17.10.2005

Leinemann & Partner Rechtsanwälte

Die Oberlandesgerichte Brandenburg und Naumburg haben in den vergangenen Tagen bei Ausschreibungen

betreffend Autobahnlose für die A 113 und die A 38 eine seit zehn Monaten bestehende,

rechtswidrige Vergabepraxis beendet. Mit den Beschlüssen wurde Rechtsmitteln von Straßenbauunternehmen

stattgegeben, die als günstigste Bieter aus einem europaweiten Ausschreibungsverfahren

hervorgegangen waren, dennoch von der Straßenbauverwaltung vom Vergabeverfahren

ausgeschlossen wurden. Es war beabsichtigt, jeweils deutlich teurere Bieter zu beauftragen,

obwohl der Angebotspreis das maßgebliche Wertungskriterium sein sollte. Grundlage für den

Ausschluß der preisgünstigsten Bieter war das Allgemeine Rundschreiben Straßenbau Nr.

25/2004 vom 25.11.2004, eine verbindliche Weisung des Bundesverkehrsministeriums für alle

Straßenbaumaßnahmen des Bundes. Nach diesem Erlaß sollten alle Unternehmen vom Wettbewerb

ausgeschlossen werden, die in einzelnen Positionen des meist viele hundert Positionen umfassenden

Leistungsverzeichnisses deutlich niedrigere bzw. höhere sogenannte Einheitspreise

anbieten als der Durchschnitt der übrigen Bieter. Wer seine - ordnungsgemäß eingetragenen -

Preise nicht zur vollständigen Zufriedenheit des Auftraggebers auch zur Preishöhe erläutern konnte,

sollte vom Wettbewerb ausgeschlossen werden.

Die Bieter haben den Ausschluß ihrer Angebote vor den Vergabekammern und Oberlandesgerichten

angegriffen und hatten nun Erfolg. Dazu Rechtsanwalt Dr. Ralf Leinemann: „Seit Jahresbeginn

wurden viele Millionen Euro zusätzlicher Steuergelder ausgegeben, weil unter Verstoß gegen das

Vergaberecht nicht die günstigsten sondern teilweise deutlich teurere Bieter beauftragt wurden. Bei

der A 38 sollten rd. 2 Mio.€ teurere Bieter (bei ca. 38 Mio € Gesamt) und bei der A 113 ein rd.

400.000 € teurerer Bieter beauftragt werden. Jetzt kann wieder der Bieter mit dem niedrigsten Angebotspreis

auch den Zuschlag erwarten, wenn sein Angebot ansonsten keine formellen Mängel

aufweist.“ In allen Verfahren haben LEINEMANN & PARTNER RECHTSANWÄLTE die erfolgreichen Bieter

vertreten.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht erklärt mit Beschluß vom 13.09.2005 die gesamte,

durch das ARS 25/2004 geübte Praxis der Straßenverwaltung für rechtswidrig, weil der Wettbewerb

durch Ausschreibungsverfahren die Möglichkeit der Bieter zur freien Preisbildung nicht reguliere.

Ebenso hat das OLG Naumburg in zwei Beschlüssen vom 22.09.2005 betreffend den Neubau

der Autobahn A 38 entschieden.

Es widerspricht den anzuwendenden Vorschriften über den Wettbewerb, wenn ein Auftraggeber

einzelne, im Wettbewerb angebotene Einheitspreise als „nicht hinreichend erläutert“ zurückweist

und deshalb einem Bieter die Chance genommen wird, sich am Wettbewerb zu beteiligen. Der

Bundesgerichtshof hat zwar in seiner bekannten „Mischkalkulations-Entscheidung“ vom

18.05.2004 (Az X ZB 7/04) festgestellt, daß Angebote ausgeschlossen werden müssen, bei denen

Bieter Preisbestandteile für eine bestimmte Leistungsposition ganz oder teilweise in eine andere

Leistungsposition ihres Angebots verlagern (und damit Preisbestandteile einer Leistung in einer

anderen Position „verstecken“). Dies hat indes mit der Frage der Nachvollziehbarkeit von Preisen

nichts zu tun. Für die Frage der formellen Korrektheit eines Angebotes bleibt es danach ohne Belang, ob der vom Bieter angebotene Einheitspreis vom marktüblichen Preis abweicht oder evtl. gar

unauskömmlich ist. Die Auskömmlichkeit eines Angebots wird nur anhand des Gesamtpreises für

die ausgeschriebene Leistung beurteilt. Die Abweichung des Gesamtpreisniveaus war in den entschiedenen

Fällen jedoch nicht gravierend. Eine Kalkulation kann aber nicht auf ihre „Ordnungsgemäßheit“

hin geprüft werden. Es bleibt eben Sache des jeweiligen Unternehmens, wie es seine

Preise kalkuliert, selbst wenn dies für Dritte unauskömmlich oder überhöht erscheint. Es dürfen

also unterschiedlich hohe Gewinnanteile in einzelnen Positionen kalkuliert werden. Zulässig ist

auch die preismindernde Berücksichtigung von Lieferantenrabatten und Sondereffekten, auch ohne

dass diese nachgeweisen werden müssten. Solange ein Bieter für eine abgefragte Leistung in

der ausgeschriebenen Position einen abschließenden und vollständigen Preis angibt, kann die

Vergabestelle ihn nicht vom Wettbewerb ausschließen, allein weil sie den Preis „verdächtig“ findet.

Zweifel einer Vergabestelle können nur dann zum Ausschluß führen, wenn diese nicht auf Vermutungen,

sondern auf Belegen basieren. Die Vergabestellen tragen für das Vorliegen von

Ausschlußgründen die Nachweispflicht.

Die Gerichtsentscheidungen heben hervor, daß die angefochtene Prüfungspraxis letztlich zu einer

staatlichen Überprüfung von Wettbewerbspreisen auf deren Angemessenheit hin geführt hätte,

obwohl für solche Eingriffe in einem marktwirtschaftlichen Wettbewerb gar keine Grundlage besteht.

Ein Bieter darf somit innerhalb eines Leistungsverzeichnisses einzelne Positionen besonders

günstig und andere Positionen besonders auskömmlich anbieten, auch wenn dies vielleicht in der

spekulativen Erwartung erfolgt, dass einzelne der angebotenen Leistungsbilder später gar nicht

oder nur in verändertem Umfang zur Ausführung gelangen werden. Solche Motive der Preisbildung

sind nach den Gerichtesentscheidungen nicht zu beanstanden.

Rechtswidrig und nicht durch das geltende Vergaberecht gestützt ist auch die Praxis der Straßenbauverwaltung,

von den Bietern schon im Rahmen des Wettbewerbs die Einreichung von Kalkulationsunterlagen

der von ihnen vorgesehenen Nachunternehmer zu verlangen. Das OLG Brandenburg

weist nachdrücklich darauf hin, daß Grundlage für den abzuschließenden Vertrag nur der

vom Bieter selbst angegebene Preis ist und nicht etwa der Preis eines eventuellen Nachunternehmers

oder gar dessen Kalkulation.

Die Beschlüsse sind im Originaltext online einsehbar bei www.leinemann-partner.de, unter Eingabe

einer Quicklink-Nr:

OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.09.2005, W Verg 9/05, Quicklink-Nr. 1100502

 

OLG Naumburg, Beschl. v. 22.09.2005, Verg 7/05, Quicklink-Nr. 1110503

 

OLG Naumburg, Beschl. v. 22.09.2005, Verg 8/05, Quicklink-Nr. 1110502

 

RA Dr. Ralf Leinemann

 

LEINEMANN & PARTNER RECHTSANWÄLTE

 

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