Leonhardt Westhelle &Partner: Erste Gläubigerversammlung in einem der größten Pleitefälle der Finanzwelt/Anleger der Göttinger Gruppe können Forderungen anmelden und erhalten Stimmrecht als Gläubiger/Mögliche Steuernachzahlungen: Insolvenzverwalter will Schäden für die Anleger mildern

17.08.2007

Leonhardt Westhelle &Partner

BERLIN, 16. AUGUST 2007. Bei einer der größten Pleiten in der deutschen Finanzwelt fand heute die erste Gläubigerversammlung vor dem Berliner Amtsgericht Charlottenburg statt. Die Gläubiger der Holding Gesellschaft Göttinger Gruppe KGaA, an der knapp 93.000 Anleger beteiligt sind, bestätigten Rolf Rattunde von der Berliner Kanzlei Leonhardt Westhelle &Partner als Insolvenzverwalter. Drei Anlegeranwälte wurden in den dreiköpfigen Gläubigerausschuss gewählt. 44 Personen nahmen teil, die Forderungen von rund 70 Millionen Euro und einige tausend Anleger vertraten.

"Ich gehe davon aus, dass die gesamten Anlagen der Göttinger Gruppe in Höhe von gut einer Milliarde Euro vollständig verloren sind," so Insolvenzverwalter Rattunde. "Außerdem müssen die Anleger noch mit Steuernachforderungen rechnen. In Verhandlungen mit dem Finanzamt Göttingen bemühe ich mich, zusätzliche Schäden für die Anleger nach Möglichkeit zu mildern. Ich suche auch nach individuellen Lösungen für Stille Gesellschafter. Anleger, die bei ihrer Beteiligung falsch beraten wurden, können Forderungen im Insolvenzverfahren anmelden und erhalten auch ein Stimmrecht als Gläubiger."

Der Insolvenzverwalter der Holdinggesellschaft der Göttinger Gruppe steht vor erheblichen Problemen. Seit 1986 hatten sich über 250.000 Anleger mit stillen Unternehmenseinlagen beteiligt, davon rund 93.000 bei der Holdinggesellschaft und die restlichen bei der Securenta AG, der operativen Hauptgesellschaft des Konzerns. Die Göttinger Gruppe warb Anleger mit einem Steuersparmodell und versprach auf dem sogenannten grauen Kapitalmarkt hohe Renditen. Mit dem Geld der Anleger wurden die Lebensversicherung Gutingia, das Bankhaus Partin, der Berliner Fußballclub Tennis Borussia sowie Immobilien gekauft. Beteiligungen wie Tennis Borussia und das Bankhaus Partin meldeten bereits vor Jahren Insolvenz an. Ende letzten Jahres, also noch vor der Insolvenz des Konzerns, wurden auch die letzten Vermögenswerte veräußert, nämlich die Lebensversicherung Gutingia und umfangreicher Immobilienbesitz. Mit Experten untersucht Rattunde diese Verkäufe jetzt im Detail. So werden Daten und Geldflüsse geprüft, um zu klären, ob und an wen Gelder verschoben wurden.

Das Steuersparmodell der Göttinger Gruppe basiert vor allem auf stillen Einlagen. Anleger konnten ihre Verluste so in der Vergangenheit abschreiben. Die Finanzämter könnten Steuerersparnisse der letzten Jahre aber jetzt zurückfordern. Neben dem Verlust des eingezahlten Geldes müssen Anleger mit Steuernachzahlungen rechnen, da die steuerliche Bearbeitung seit Jahren ins Stocken geraten ist. Die beteiligten Finanzämter befürchten ein Steuerchaos, da hunderttausend steuerliche Vorgänge über Jahre nicht bearbeitet wurden. Der Umfang des Problems ist beispiellos. Das Finanzamt Göttingen steht beispielsweise vor dem Problem, wie 250.000 Einzelfälle ohne die nötigen Unterlagen bearbeitet werden können. So fehlen beispielsweise viele Belege. Zuletzt hatte die Göttinger Gruppe Unterlagen nicht mehr ordnungsgemäß bearbeitet. Insolvenzverwalter Rattunde sucht deshalb zusammen mit dem Finanzamt Göttingen nach Wegen, um diese Vorgänge möglichst unbürokratisch steuerlich zu bearbeiten. Nur so können zusätzliche Schäden für Anleger vermieden werden. Das größte Problem ist die Buchhaltung des Konzerns, die erheblich im Rückstand ist. Rattunde hat deshalb ein Team von sechs Mitarbeitern aus insolventen Tochtergesellschaften zusammengestellt, die die alten Vorgänge aufarbeiten und die Buchhaltung aktualisieren.

Anleger könnten auch für die aufgelaufenen Verluste des Konzerns haftbar gemacht werden. Dies ist die Hauptsorge vieler Anleger. Rattunde sieht dies differenziert: "Grundsätzlich können Anleger mit rückständigen Einlagen für solche Verluste haften. Andererseits können sie auch Gläubiger sein, falls sie bei ihrer Beteiligung falsch beraten wurden. Dies müssen die Anleger allerdings beweisen." Mit den stillen Gesellschaftern strebt Rattunde daher individuelle Lösungen an. Anders ist es im parallelen Insolvenzverfahren der Securenta AG. Der dortige Insolvenzverwalter Peter Knöpfel betrachtet die Anleger als echte Gesellschafter, die auch haften. Nach Knöpfels Meinung können sie deshalb in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Göttingen keine Forderungen anmelden und auch ein Gläubigerstimmrecht werde nicht akzeptiert. Das Insolvenzverfahren der Securenta AG war ebenfalls im Juni eröffnet worden. Allerdings hat das Göttinger Gericht einen für September angesetzten Termin für die Gläubigerversammlung ersatzlos aufgehoben. Dies ist bemerkenswert, weil nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut die erste Gläubigerversammlung nicht später als drei Monate nach Verfahrenseröffnung anberaumt werden darf. Schon der aufgehobene Termin hatte diese Frist überschritten. Nun ist völlig offen, ob und wann die Gläubiger und Anleger der Securenta AG ihre Rechte geltend machen können.

Nach Feststellungen von Rattunde geht es mit der Göttinger Gruppe seit Jahren bergab. Schon zur Jahrhundertwende wurde über Liquiditätsprobleme diskutiert. Vor allem drei Fragen standen im Zentrum der öffentlichen Spekulationen: Wer hat das entstandene Desaster zu verantworten? Wohin sind die erheblichen Vermögenswerte geflossen? Und gibt es hierfür eine zivil- und strafrechtliche Verantwortung? In diesem Zusammenhang warnt Rattunde vor übereilten Spekulationen: "Mit den zuständigen Behörden wie dem Finanzamt Göttingen, der Staatsanwaltschaft Braunschweig oder der Bafin stehe ich in Verbindung. Wir werden die Unterlagen der Göttinger Gruppe und die Akten der Behörden sorgfältig aufarbeiten, um die Ursachen der Verluste und gegebene Verantwortlichkeiten festzustellen. Dieser Fall hat allerdings einen Umfang, der in der Nachkriegszeit ohne Beispiel ist. Kapital in Höhe von einer Milliarde Euro ist verschwunden. Über 250.000 Anleger sind geschädigt und um ihre Altersvorsorge gebracht worden. Es fehlen viele Belege für die buchhalterische Bearbeitung. Und auch das komplizierte Steuerthema muss aufgearbeitet werden. Die Bearbeitung dieser Fragen und die Klärung der Geldflüsse und Verantwortlichkeiten kann deshalb noch Jahre dauern. Aber mit einem Team von Experten arbeiten wir uns im Interesse der Gläubiger systematisch vor."

Nähere Informationen:

Prof. Rolf Rattunde, Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt und Notar, Leonhardt Westhelle &Partner, Kurfürstendamm 26 A, 10719 Berlin, Tel. 030-8859030, Fax: 030-8825179

www.leonhardt-westhelle.eu

Dr. Jochen Mignat, Dr. Mignat PR, Am Hexenpfad 11, 63450

Hanau, Tel. 06181-50791-22, Fax 06181-50791-11, j.mignat@mignat.de

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