M\S\L Maier Anwaltskanzlei: Securenta AG zu Schadenersatz verurteilt - Anlegerin erreicht komplette Rückabwicklung

11.04.2007

M\S\L Maier Anwaltskanzlei

Mit einem von RA Patrick M. Zagni aus der Kanzlei M\S\L Maier Rechtsanwälte (Stuttgart) erstrittenen Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30.03.2007 (AZ: 25 O 579/06) erreichte die klagende Anlegerin die komplette Rückerstattung ihrer in der Vergangenheit geleisteter Einlagen wegen fehlerhafter Anlageberatung.

Gleichzeitig wurde antragsgemäß festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, weitere Zahlungen aus der atypisch stillen Beteiligung an die Securenta AG zu leisten. Die Klägerin zeichnete 1992 eine Beteiligung als atypisch stille Gesellschafterin an der Göttinger Vermögensanlagen AG als Rechtsvorgängerin der beklagten Securenta Göttinger Immobilienanlagen und Vermögensmanagement AG. Die damals 55jährige Klägerin, die 1989 aus der ehemaligen DDR nach Westdeutschland übergesiedelt war, unterzeichnete im Dezember 1992 zwei Zeichnungsscheine, indem sie sich zu einer Einmalzahlung sowie monatlichen Ratenzahlungen für eine Mindestvertragsdauer von zehn Jahren verpflichtete.

Beide Zeichnungsscheine enthielten folgenden Hinweis:

„Dieses Angebot zur Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter stellt keine sog. mündelsichere Kapitalanlage, sondern eine Unternehmensbeteiligung dar. Bei Beendigung der stillen Gesellschaft besteht um Ausgleich eines eventuellen negativen Auseinandersetzungsguthabens eine Nachschußpflicht. Der stille Gesellschafter wird bei Ausübung des Stornierungsrechts und im Falle der fristlosen Kündigung durch die Göttinger Vermögensanlagen AG anteilig mit Vertriebs- und sonstigen Verwaltungsaufwendungen belastet.“

Der Zeichnungsschein enthielt zudem eine Widerrufsbelehrung nach den Haustürwiderrufsgesetz sowie Erklärungen der Klägerin, wonach sie ein Exemplar der Widerrufsbelehrung und den Emissionsprospekt ausgehändigt bekommen habe.

Diesen Beitrittserklärungen vorausgegangen war ein Beratungsgespräch durch einen Außendienstmitarbeiter der Beklagten, der wie üblich anlässlich des telefonischen Erstkontakts lediglich eine unverbindliche und kostenlose Analyse der finanziellen Verhältnisse anbot. Die Klägerin besaß zu diesem Zeitpunkt mit Ausnahme eines kleineren Betrages auf einem Sparbuch keine nennenswerten Ersparnisse. Zudem erwartete sie als allein stehende ehemalige DDR-Bürgerin nur eine geringe Rente und konnte sich aufgrund ihres geringen Einkommens im Hinblick auf eine Vermögensanlage keine hohen monatlichen Belastungen leisten.

Aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters wollte die Klägerin zur Aufstockung ihrer Rente eine sichere Anlage abschließen. Die atypisch stille Beteiligung bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten ist der Klägerin als absolut sicher und ideal für ihre Anlagezwecke - des Aufbaus einer zusätzlichen Rente - vorgestellt worden. Verschwiegen wurden die extremen Risiken dieser Beteiligung wie z.B. das Risiko des Totalverlustes oder der Verpflichtung zu einem eventuellen Nachschuss.

Die Beklagte rügte zuvorderst die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts.

Sie ist der Auffassung, dass gemäß § 32 b ZPO das Landgericht Göttingen ausschließlich zuständig sei. Des weiteren bestritt die Beklagte das Vorliegen einer Haustürsituation sowie den Ablauf der Beratungsgespräche durch den Vermittler. Die Beklagte bestritt insbesondere, dass der Vermittler die Klägerin nicht über die Risiken der Beteiligung aufgeklärt habe. Darüber hinaus sei der Emissionsprospekt anlässlich des Beratungsgespräches übergeben worden, was eine vollständige Aufklärung ersetze.

Hilfsweise könne der Beklagten das Verschulden des Vermittlers, der selbstständiger Handelsvertreter gewesen ist, nicht zugerechnet werden, da dieser nur als Anlagevermittler und nicht als Anlageberater habe auftreten dürfen.

Darüber hinaus sei eine etwaige Falschberatung der Klägerin nicht kausal für ihre Anlageentscheidung gewesen, nachdem dieser wiederholt, insbesondere anlässlich der Überführung ihrer Beteiligung in eine Folgebeteiligung, Gelegenheit gegeben worden sei, ihre Beitrittserklärung zu widerrufen.

Die Klägerin sei ohnehin im Falle einer Falschberatung ein erhebliches Mitverschulden anzulasten, da sie die Zeichnungsscheine nicht sorgfältig gelesen habe. Zudem hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben. Insoweit trug sie vor, die Klägerin habe aufgrund der Zeichnungsscheine Kenntnis von einer etwaigen Falschaufklärung seitens des Anlageberaters gehabt.

Der Gerichtstand des § 32 b ZPO greift nach Ansicht des Gerichts hier nicht, da die Klägerin sich nicht auf Falschinformationen durch unrichtige oder irreführende Angaben im Emissionsprospekt, sondern ihre Ansprüche ausschließlich auf fehlerhafte Angaben des Vermittlers stützt.

Nach Zeugenvernehmung des damaligen Vermittlers ist das LG Stuttgart zur Überzeugung gelangt, dass der Vermittler die Klägerin nicht ordnungsgemäß und ausreichend über die Nachteile und Risiken des angebotenen Anlagemodells aufgeklärt habe und demnach die Beklagte auf Ersatz des erlittenen Schadens haftet.

Bemerkenswert an der Aussage des damaligen Vermittlers war insbesondere, dass dieser selbst im Rahmen von sog. Schulungsveranstaltungen zum Vertrieb der atypisch stillen Beteiligungen nicht hinreichend klar über das Risiko des Totalausfalls und der Nachschusspflicht unterrichtet wurde ! Da der Vermittler selbst nicht hinreichend Kenntnis über die Risiken dieser Anlage hatte, konnte er logischerweise auch die Klägerin nicht über sämtliche Risiken und Nachteile aufklären.

Nach weiterer Aussage des Vermittlers hat er der Klägerin die Beteiligung lediglich anhand eines Kurzprospekts der Rechtsvorgängerin der Beklagten erläutert, der allerdings keinerlei Hinweise auf die Risiken der Anlage enthielt. Nach seiner weiteren Aussage übergab er der Klägerin den offiziellen Emissionsprospekt erst anlässlich der Vertragsunterzeichnung, es folgte jedoch keine Information der Klägerin über die Beteiligung anhand des Prospekts.

Der Klägerin war nach Ansicht des LG Stuttgart auch kein Mitverschulden anzulasten, da der Vermittler der Klägerin gegenüber die Risiken der Anlage verharmloste bzw. erst gar nicht erwähnte. Darüber hinaus war die Klägerin in Finanzdingen völlig unerfahren und unbedarft, nachdem sie erst einige Jahre zuvor aus der ehemaligen DDR übergesiedelt war.

Der Hinweis auf das Bestehen einer etwaigen Nachschusspflicht im Zeichnungsschein ist unter diesen Umständen nicht ausreichend, um ein Mitverschulden der Klägerin begründen zu können, zumal von dem Risiko des Totalverlustes auch im Zeichnungsschein nichts zu lesen ist.

Auch die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung ging vorliegend fehl. Insbesondere konnte sich die Beklagte nach Ansicht des Landgerichts nicht darauf berufen, der Hinweis auf eine etwaige Nachschusspflicht auf dem Zeichnungsschein begründe bereits die Kenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Tatsachen. Dies folgt schon daraus, dass der Zeichnungsschein z.B. das Risiko des Totalausfalls gar nicht erwähnt.

Eventuell gezogene Steuervorteile wurden hier nicht schadensmindernd abgezogen, da die Beklagte selbst nicht substantiiert vorgetragen hat, dass der Klägerin trotz der Rückabwicklung Steuervorteile verbleiben können.

Das Urteil des LG Stuttgart ist noch nicht rechtskräftig.

Auch diese Entscheidung ist eine konsequente Fortführung der bisherigen BGHRechtsprechung zum Themenkomplex atypisch stiller Beteiligungen und kann ohne weiteres auf andere Beteiligungsgesellschaften wie z.B. die der Südwest Finanz Vermittlung AG, Frankonia (Deltoton) oder der EURO-Gruppe angewandt werden.

Rechtsanwalt

 

 

Patrick M. Zagni

 

 

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